Europaweite Preisschübe

Hält die hohe Inflation an, bringt das die EZB in eine Zwickmühle

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 4 Min.

Die Zeichen stehen auf Inflation. So fielen etwa die Erzeugerpreise gewerblicher Produkte in Deutschland im Oktober um 18,4 Prozent höher aus als vor einem Jahr. Dies ist der höchste Anstieg gegenüber dem Vorjahresmonat seit 1951. Und die Importpreise legten sogar um 21,7 Prozent zu. Eine ähnlich rasante Veränderung hatte es zuletzt während der Ölkrise vor Jahrzehnten gegeben.

Auch heutzutage ist der starke Preisanstieg vor allem auf die Entwicklung der Energiepreise zurückzuführen. So waren die Energieeinfuhren im Oktober um sagenhafte 141 Prozent teurer als im Oktober 2020. Deutlich kostspieliger wurden auch wichtige Rohstoffe wie Metalle, Kunststoffe oder Holz sowie importierte Vorleistungsgüter wie Computerchips. Ökonomen sehen in der importierten Inflation vor allem die Folgen der Pandemie. Zu Beginn der Coronakrise hatten viele Unternehmen ihre Bestellungen gedrosselt. Mit der weltweit anziehenden Konjunktur kam es dann zu Materialengpässen, und die Produzenten können seither kräftig an der Preisschraube drehen.

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Insgesamt fällt die Preisentwicklung dann aber nicht so dramatisch aus, wie obige Zahlen befürchten lassen. Am Dienstag veröffentlichte die EU-Statistikbehörde Eurostat ihre Schnellschätzung für November. Demnach stiegen die Preise in der Eurozone um 4,9 Prozent. Im Oktober hatte die Teuerungsrate bei 4,1 Prozent gelegen.

Die Inflationsrate in Deutschland beträgt laut Schnellschätzung des Statistischen Bundesamtes vom Montag 5,2 Prozent. Dabei ist zu bedenken, dass die Rate im Vorjahresvergleich gemessen wird. Dieser Wert ist noch stark davon beeinflusst, dass die Preise vor zwölf Monaten durch die zeitweilig niedrigere Mehrwertsteuer sehr niedrig waren. »Hier hatte sich in den letzten Monaten sogar eine Entspannung abgezeichnet«, sagt Friedrich Heinemann vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW). Von Juni bis September waren die Preise nicht mehr weiter gestiegen. »Mit dieser vorübergehenden Phase der Ruhe ist es nach der Sommerpause vorbei.«

Beim Berechnen der Inflationsrate über den Verbraucherpreisindex (VPI) wird ein »Warenkorb« verwendet, der 650 Güterarten umfasst sowie sämtliche von privaten Haushalten gekauften Waren und Dienstleistungen repräsentieren soll. Mit welchen Gewichten diese Güterarten in den Gesamtindex einfließen, ist im »Wägungsschema« festgehalten. Die Veränderung zum Vorjahresmonat beziehungsweise zum Vorjahr wird dann als Inflationsrate bezeichnet.

Dabei ist die Europäische Zentralbank (EZB) in Frankfurt am Main dafür zuständig, dass die Preise in der Eurozone nicht zu stark schwanken. Sie hat sich unlängst ein neues mittelfristiges Inflationsziel von zwei Prozent für den Euroraum gesetzt. Ein moderater Preisanstieg ist also durchaus erwünscht. Ein dauerhaft zu schneller Preisanstieg hat jedoch zur Folge, dass die Kaufkraft deutlich sinkt. Auf einen solchen Verfall des Geldwertes müsste die EZB - nach ihrem Regelbuch - mit höheren Leitzinsen reagieren. Das dämpft jedoch die Konjunktur. Außerdem könnten höhere Zinssätze den verschuldeten Regierungen teuer zu stehen kommen.

Bislang hat EZB-Präsidentin Christine Lagarde stillgehalten: »Der Anstieg der Inflation ist nicht von Dauer.« Zudem fällt jene von Land zu Land unterschiedlich aus: Die niedrigsten jährlichen Raten werden in Malta (1,4 Prozent) und Portugal (1,8 Prozent) gemessen, die höchsten in Ungarn (6,6 Prozent) und Litauen (8,2 Prozent).

Sebastian Dullien vom gewerkschaftsnahen Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) mahnt eine sachliche Betrachtung an. »Das allermeiste, was wir sehen, sind Preisschübe, also noch kein anhaltender Prozess.« Er erwartet, dass die Inflationsrate bereits im Januar wieder sehr deutlich zurückgehen werde. Dagegen scheint in den meisten Forschungsinstituten die Hoffnung auf eine deutlich sinkende Inflationsrate im neuen Jahr zu schwinden.

Dabei dürften sich die Energiepreise in den kommenden zwölf Monaten nicht noch einmal so verteuern wie 2021. Und auch die Knappheit an Zwischenprodukten und Transportkapazitäten dürfte schwinden.

Für eine moderate Inflation im kommenden Jahr spricht nach Auffassung der Commerzbank-Analysten zudem, dass die Tariflöhne im Euroraum zuletzt so schwach gestiegen sind wie seit der Einführung des Euros nicht mehr. Zwar werden die neu abzuschließenden Tarifverträge wohl höher ausfallen. Aber unter dem Eindruck der Krise sind viele länger laufende Verträge abgeschlossen worden. Darum dürften die Arbeitskosten 2022 lediglich so stark zulegen, wie es vor der Pandemie üblich war - und die von manchen Volkswirten gefürchtete Lohn-Preis-Spirale dürfte ausbleiben.

Allerdings könnte es sein, dass die Inflation 2022 nur vorübergehend sinkt. Auf die Pandemie hatten die Staaten mit höheren Haushaltsdefiziten und die EZB mit hohen Anleihekäufen reagiert. Dadurch ist viel Geld zusätzlich in Umlauf gekommen, was zu mehr Inflation und weiter steigenden Vermögenspreisen etwa bei Immobilien führen könnte. Als Preistreiber auf lange Sicht wirken könnten auch der sinkende Anteil der arbeitenden Bevölkerung in vielen Weltregionen, die Deglobalisierung sowie die Klimapolitik.

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