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Modernisierung im Korridor

Lasse Thiele über die Klimapolitik der Ampel-Koalition und die Grenzen der ökologischen Modernisierung

  • Lasse Thiele
  • Lesedauer: 3 Min.

Zum druckfrischen Ampel-Koalitionsvertrag bemerkten jüngst linke Stimmen: Immerhin kommt so etwas wie eine nachholende gesellschaftspolitische Modernisierung, etwa bezüglich Schwangerschaftsabbrüchen oder Cannabis-Legalisierung. Klimapolitisch verhält es sich ähnlich: Das Programm sieht einige überfällige Schritte vor, die vor allem die CDU seit 2005 blockiert hatte, wie beim Erneuerbaren-Ausbau. Da die Logik der Zeit in der Klimakrise aber eine andere ist, wird ihr diese im Normalbetrieb vor sich hin modernisierende Politik dennoch nicht gerecht.

Eine Strategieplattform »Transformation der Automobilwirtschaft« verströmt eben Nullerjahre-Aroma. Wer heute ernsthaft nachholen wollte, müsste ein Krisenprogramm mit massiven ordnungspolitischen Eingriffen aus dem Boden stampfen. Das geben die politischen Kräfteverhältnisse, die sich noch nie mit der biophysischen Klimarealität deckten, aber nicht her.

Lasse Thiele
Lasse Thiele arbeitet im Konzeptwerk Neue Ökonomie am Thema Klimagerechtigkeit.

Diese Verhältnisse verdeutlicht der Ampel-Vertrag und zeigt so die Grenzen der ökologischen Modernisierung auf - des Ansatzes, der eine staatlich geförderte technische Erneuerung der Wirtschaft anvisiert, ohne die marktwirtschaftlichen Rahmenbedingungen anzutasten. Diese Grenzen sind stets erreicht, sobald deutsche Wirtschaftsinteressen ernsthaft negativ berührt werden, wie der Vertrag betont. Die Klimapolitik der Ampel bewegt sich damit in einem engen Korridor. Die nach langer GroKo-Blockade durchaus vorhandenen Spielräume eines »grünen« Kapitalismus können so besser genutzt werden, mehr aber auch nicht.

Im Standortnationalismus des selbsterklärten »grünen Exportweltmeisters« spielt soziale Gerechtigkeit schon im Inland nur eine Nebenrolle - außer in der verzerrten, der Autolobby genehmen Form der vermeintlichen Spritpreisgerechtigkeit. In ihrer »Klima-Außenpolitik« verspricht die Ampel gar konkret bloß, alte Zusagen für internationale Klimafinanzierung einzuhalten. All dem wird die Klimabewegung weiter den unversöhnlichen Anspruch auf globale Klimagerechtigkeit entgegenhalten.

Was bedeutet die Ampel nun für die Bewegung? Hauptgegnerin für eine klimagerechte Transformation bleibt die deutsche Autoindustrie, deren Verbündete weiterhin das Verkehrsministerium im Griff haben und dort die notwendige Mobilitätswende blockieren können. Zunehmend gilt es auch, Konflikte um Scheinlösungen zu führen: Die Illusion vom »klimaneutralen Fliegen«, in dem die Ampel Deutschland bald zur Marktführerin machen will, wird genährt, um die auf absehbare Zeit klimapolitisch alternativlose Reduktion des Flugverkehrs abzuwenden.

Auch setzt die Regierung stark auf Wasserstoff, der aber nur in sehr beschränktem Rahmen »grün« herstellbar ist - und nicht zur Befeuerung einer permanenten Wachstumswirtschaft. Selbst die Erdgasindustrie rechtfertigt neue Kraftwerke damit, sie später auf Wasserstoff umstellen zu können. Der angepeilte, aber nicht konkret bezifferte Ausbau von grüngerechneten Gaskraftwerken lässt sich jetzt noch verhindern!

Dabei können wir nicht nur auf die Erhöhung numerischer Klimaziele pochen, deren Erreichung in einer »ökologischen Marktwirtschaft« technische und wirtschaftliche Grenzen gesetzt sind. Wir müssen das Wirtschaftssystem auch qualitativ verändern. Wo die Ampel auf Markt und »grünes« Wachstum setzt, müsste die Klimabewegung Vergesellschaftung in allen Bereichen verlangen. Dazu sollten wir uns auch einmischen, wenn der von der Koalition aufgeschobene Konflikt um die Finanzierung der Ampel-Maßnahmen ausbricht - und neue politische Bündnisse schmieden. Wo die Regierung nur technische Lösungen fördert, müssen erst recht von unten neue gesellschaftliche Lebens- und Beziehungsweisen entstehen.

Zuletzt muss sich die Klimabewegung durch die grüne Regierungsbeteiligung strategisch neu orientieren. Nüchtern betrachtet sind die Grünen schlicht diejenige Ampelpartei, die am stärksten die ökologische Modernisierung vertritt - und damit einen strukturell begrenzten klimapolitischen Fortschritt, der vor lauter Wachstum keine globale Klimagerechtigkeit zulässt. Die Bewegung kann also nicht der außerparlamentarische Arm der Grünen sein. Sie bekommt andersherum aber mit der Regierungspartei einen geeigneteren Druckpunkt. Es werden anders ungemütliche Jahre.

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