Schwul - und deshalb schuldig?
Jürgen Pettinger erinnert an ein vergessenes NS-Opfer: Franz Doms
Das Gericht urteilte am 10. November 1943: »Der Angeklagte wird als gefährlicher Gewohnheitsverbrecher wegen widernatürlicher Unzucht mit 18 Männern, meistens gegen Entgelt, wegen Diebstahls und Erpressung zum Tode verurteilt.« Verurteilt worden war der 21-jährige Franz Doms, der drei Monate später, am 7. Februar 1944, auf dem Schafott im Hinrichtungsraum des so urteilenden Landesgerichts Wien starb. Er wurde getötet, weil er schwul war.
»Gefährliche Gewohnheitsverbrecher« und »Sittlichkeitsverbrecher« verfielen laut NS-Gesetz der Todesstrafe, »wenn der Schutz der Volksgemeinschaft oder das Bedürfnis nach gerechter Sühne es erfordern«. Ein Gummiparagraf. Franz galt als hoffnungsloser Fall, da er immer wieder »rückfällig« geworden sei. Für die Nazis war er ein »bevölkerungspolitischer Blindgänger«, der »die Seuche der Homosexualität« verbreitete. Sein Freund war ein »Schlurf«, so nannte man damals junge Leute mit langen Haaren und überlangen Koteletten, die ebenfalls von den Nazis als Oppositionelle verfolgt wurden.
»Er ist ein völlig haltloser, seinen widernatürlichen Trieben gegenüber machtloser Verbrecher, bei dem von Freiheitsstrafen kein erzieherischer oder abschreckender Erfolg mehr zu erwarten ist«, hieß es in der Anklageschrift gegen Doms. Dabei hatte er lediglich das »Verbrechen« begangen, sich auf sein eigenes Schwulsein einzulassen, es nicht zu verleugnen, sich dazu zu bekennen.
Er gehörte zu den vergessenen Opfern der NS-Justiz. Der ORF-Redakteur Jürgen Pettinger erinnert dankenswerterweise an ihn - hat einen Mann der Anonymität entrissen, dem ein intolerantes, barbarisches Regime das Leben nahm, ihm nicht gönnte, nach seiner Fasson zu leben. Eine einfühlsame, erschütternde Biografie.
Jürgen Pettinger: Franz. Schwul unterm Hakenkreuz. Kremayr & Scheriau, 192 S., geb., 22 €.
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