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Linke-Parteitag debattiert Für und Wider des mit SPD und Grünen ausgehandelten Koalitionsvertrags

  • Jörg Meyer
  • Lesedauer: 4 Min.

Knapp 58 Prozent dafür, sich mit diesem Antrag nicht zu befassen. Mit diesem Abstimmungsergebnis endete am Samstag eine Generaldebatte über den rot-grün-roten Koalitionsvertrag beim Parteitag der Berliner Linken. Entscheiden wurde über einen Antrag, der von Parteimitgliedern aus sieben Bezirksverbänden eingereicht wurde. Darin heißt es: »In Abwägung von Vor- und Nachteilen stellen die Delegierten des Landesparteitags in ihrer Mehrheit fest, dass der vorliegende Koalitionsvertrag keine hinreichende Grundlage für den Eintritt in die Berliner Landesregierung darstellt.«

Der Hintergrund des Antrages, den die auf Stadtentwicklung spezialisierte Abgeordnete Katalin Gennburg und Teile des Neuköllner Bezirksverbands initiiert hatten, war das fehlende Bekenntnis zur Umsetzung des erfolgreichen Volksentscheides zur Vergesellschaftung von großen Wohnungsunternehmen (Deutsche Wohnen & Co enteignen) und der Verlust des Stadtentwicklungsresorts an die SPD.

»Der gesamte Bereich der Stadtentwicklung« im Koalitionsvertrag lasse einen »Roll-back befürchten und bleibt weit hinter unseren Ansprüchen zurück«, heißt es in dem Papier. Doch viele, die am Samstag das Wort ergriffen, wollten den Koalitionsvertrag auch aus Überzeugung ablehnen, weil sie beispielsweise die darin enthaltene Ausschreibung der S-Bahn oder die Videoüberwachung im öffentlichen Raum nicht in einer Regierung mittragen wollen.

»Die 2. außerordentliche Tagung des 8. Landesparteitages«, so die korrekte Bezeichnung der Veranstaltung, hatten 47 Parteimitglieder satzungsgemäß per Unterschrift eingefordert. Wegen der hohen Corona-Zahlen fand das Treffen als reine Online-Veranstaltung mit 159 Delegierten statt.

Auf der Tagesordnung standen wenige Punkte: eine Rede der Landesvorsitzenden Katina Schubert, Berichte aus der Verhandlungsgruppe, die Generaldebatte über den Koalitionsvertrag, abschließend zwei Anträge: neben dem bereits erwähnten Antrag noch einer unter der Überschrift »Auch Bildungspolitik braucht eine linke Handschrift«. Diesen hatte die Landesarbeitsgemeinschaft (LAG) Bildung und Schule eingebracht. Er wurde mit großer Mehrheit angenommen. Die LAG fordert, dass sich die Linke »vehement« für eine Kompensation für diejenigen Lehrkräfte einsetzt, die nicht verbeamtet werden können oder wollen. Der Koalitionsvertrag sieht die Wiederverbeamtung von Lehrer*innen vor, die Linke lehnte das im Prinzip ab.

Landesparteichefin Katina Schubert betonte in ihrer Rede die Punkte im Koalitionsvertrag, die von den Linken durchgesetzt werden konnten. »Keine andere Partei wird für die Interessen der Obdachlosen, der Hartz-Betroffenen so eintreten wie wir«, sagte sie. Die neue Koalition entstehe aber aus einer viel schwierigeren Situation heraus als das Regierungsbündnis von 2016. Damals hatte die Linkspartei deutlich mehr Stimmen erhalten.

Dass Sozialsenatorin Elke Breitenbach kurz vor dem Parteitag bekanntgegeben hatte, nicht wieder für das Amt anzutreten, nannte Schubert »eine krasse Nachricht«. Sie dankte Breitenbach für ihre Arbeit und sagte, sie sei froh, dass mit Katja Kipping »eine der profiliertesten Sozialpolitikerinnen« ihr nachfolgen könnte - wenn denn die Mitglieder für den Koalitionsvertrag stimmen.

Kultursenator Klaus Lederer sagte, er habe mit Blick auf den Koalitionsvertrag der Ampel im Bund einen Eindruck davon, wie die Alternative, nämlich ein Berliner Senat mit FDP-Beteiligung, aussehen könnte. »Dafür ist mir Berlin zu schade.« Überdies wisse er nicht, wie die Linkspartei nach einer Ablehnung des Koalitionsvertrages in den kommenden fünf Jahren die Kritik kontern könne, man hätte ja mitgestalten können.

Jeder Koalitionsvertrag sei »der Anfang von Politik und nicht das Ende«, sagte die Bundesvorsitzende Susanne Hennig-Wellsow. Der Bundesvorstand analysiere noch den herben Stimmenverlust bei der Bundestagswahl im September. Doch es sei jetzt schon klar, dass die Entscheidung in Berlin »nicht ganz unwichtig« sei, weil es auch um die bundesweite Sichtbarkeit der Linken in den nächsten Jahren gehe. Mit nur 4,9 Prozent war die Linke gerade so in den Bundestag eingezogen, weil es gelang, zwei Wahlkreise in Berlin und einen in Leipzig zu gewinnen. Andernfalls hätte es im Bundestag wegen der Fünf-Prozent-Hürde keine Linksfraktion mehr gegeben.

Glaubwürdigkeit, Sichtbarkeit und Vertrauen - das sind sowohl für die Gegner*innen als auch die Befürworter*innen des Koalitionsvertrages tragende Argumente. Während die einen sagen, man müsse sich jetzt verlässlich zeigen und in Regierungsverantwortung bleiben, sagen die anderen, genau dadurch riskiere man einen Vertrauensverlust, nämlich dann, wenn man das mittrage, was im Koalitionsvertrag alles gegen das Wahlprogramm der Berliner Linken verstoße.

So sagte Lucia Schnell, man habe zwei Möglichkeiten: »Wir können uns den Koalitionsvertrag schön reden oder wir können uns ehrlich machen.« Mit Franziska Giffey (SPD) und Bettina Jarasch (Grüne) sei nicht mehr drin gewesen. Zum Beispiel: Es liege zwar ein Masterplan gegen Wohnungslosigkeit auf dem Tisch, »aber es wird keinen bezahlbaren Wohnraum geben«. Überdies werde die Ausschreibung der S-Bahn zu Ende gebracht. »Mit was sollen wir dann in fünf Jahren eigentlich Wahlkampf machen?« Das fragte Schnell. Sie betonte, die Linke dürfe kein Beiboot für Rot-Grün sein.

Gefragt sind die rund 8000 Genossinnen und Genossen in Berlin, die in einem Mitgliedervotum das letzte Wort zum Koalitionsvertrag haben. Bis zum Abend des 17. Dezember soll ihre Entscheidung darüber vorliegen, ob die Linke in Berlin weiter mitregieren soll oder nicht.

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