Die Erbschaftssteuer und die Mieter

Münchens Oberbürgermeister und der Mieterverein setzen auf eine »neue Gemeinnützigkeit«

  • Rudolf Stumberger
  • Lesedauer: 5 Min.
So schön München manchmal auch aussieht, so teuer ist es, dort zu wohnen.
So schön München manchmal auch aussieht, so teuer ist es, dort zu wohnen.

»Ihre Sorgen möchte ich haben«, so lautet sinngemäß ein Kommentar zu einem Zeitungsartikel über die Klage eines Hausbesitzers über die Erbschaftssteuer, die er wegen des Erbens eines Münchner Mietshauses zu zahlen habe. Freilich mit Folgen für die Mieter: Der Besitzer will das Haus nun verkaufen, wie ein Investor mit den Mietern umgehen wird, ist ungewiss. Die Problematik, dass durch die fällige Erbschaftssteuer ein Besitzerwechsel stattfindet und so bislang günstiger Wohnraum verschwindet, stammt nicht aus dem Märchenbuch des Haus- und Grundbesitzervereins, sondern scheint Realität zu sein. Jedenfalls hat nun Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) an die künftige Bundesregierung appelliert, diesbezüglich die jetzige Gesetzgebung zu überdenken. Er fordert die Einführungen von »Gemeinwohlwohnungen«, bei denen sozial eingestellte Vermieterinnen und Vermieter steuerlich begünstigt werden, wenn sie sich dazu verpflichten, günstigen Wohnraum zur Verfügung zu stellen. Mit durchschnittlich 18,48 Euro pro Quadratmeter verzeichnet München deutschlandweit die höchsten Mieten.

So könnte die aktuelle Regelung der Erbschaftssteuer auch für die 14 Mietparteien eines Wohnhauses in der Weißenburger Straße im beliebten Münchner Stadtteil Haidhausen zum Problem werden. Seit 133 Jahren gehört die Immobilie der Familie von Stefan Rührgartner. Vergangenes Jahr musste der 49-Jährige für die Erbschaft des Hauses eine Erbschaftssteuer von 945 000 Euro bezahlen, das Finanzamt hatte dessen Wert auf 6,5 Millionen Euro geschätzt. In Wirklichkeit ist der Verkehrswert deutlich höher. Das »Dilemma« von Rührgartner: Ohne einen Finger zu rühren ist der Wert seiner Immobilie in der Boom-Town durch die Decke gegangen.

An sich für Grundbesitzer eigentlich erfreulich, wirkt sich das aber auf die Erbschaftssteuer aus. »Die Besteuerung ist so hoch, dass man das nicht tragen kann«, sagt Rührgartner. Weil er für die Tilgung der Steuerschuld keinen Kredit aufnehmen will, müsse er nun halt das Haus verkaufen, die Mieteinnahmen reichten für eine Tilgung nicht aus. Und weil das Mietshaus unter die Erhaltungssatzung fällt, könne er auch nicht einzelne Wohnungen in Eigentumswohnungen umwandeln, um von diesem Erlös die Steuer zu bezahlen. Sein Fazit: »Viele private Erben sind gezwungen, die Immobilie wegen der Erbschaftssteuer zu verkaufen.« Und die Käufer wollen für ihre Investition natürlich eine Rendite sehen, was häufig das Ende günstiger Mieten bedeutet.

Solche Szenarien beschäftigen in der bayerischen Landeshauptstadt mittlerweile auch die Rathausspitze. »Mich erreichen öfter Schreiben von sozial eingestellten Münchner Vermieterinnen und Vermietern, die sich durch die bundesrechtlichen Regelungen zur Schenkungs- und Erbschaftssteuer benachteiligt sehen«, so Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter in einem Schreiben Ende Oktober an den Bundeskanzler in spe Olaf Scholz sowie an die Parteivorsitzenden von SPD, Grüne und FDP. Konkret gehe es dabei um Fälle, in denen »sich bei der Übertragung von Mieteigentum an die nächste Generation im Wege der Schenkung oder Vererbung die Schenkungs- und Erbschaftssteuer grundsätzlich am möglichen Ertragswert (Bodenwert und Gebäudeertragswert) bemisst. Ob eine Vermieterin oder ein Vermieter nach sozialen Kriterien vermietet und die Miete deutlich niedriger hält als möglich, spielt keine Rolle«, so Reiter weiter. Dies führe in manchen Fällen dazu, dass solche Vermieter aufgrund der Höhe der Erbschaftssteuer gezwungen seien, an Investoren zu verkaufen, die sich an sozialen Kriterien bei der Miethöhe nicht mehr orientierten. Es könne auch vom Bundesgesetzgeber nicht gewollt sein, sich durch die geltende Rechtslage quasi aktiv an der Verdrängung zu beteiligen.

Das Gleiche gelte im Übrigen dafür, dass die steuerliche Abzugsfähigkeit von Kosten für Vermieter als Werbungskosten nur dann möglich ist, wenn mindestens ein Mietzins in Höhe von 66 Prozent der ortsüblichen Vergleichsmiete verlangt werde. Reiter: »Auch hierdurch werden letztlich sozial eingestellte Vermieterinnen und Vermieter durch die bestehende Gesetzeslage benachteiligt. Jedenfalls bei der Vermietung außerhalb von Verwandtschaftsverhältnissen sollte diese Vorgabe überdacht werden.«

Der Münchner Stadtrat habe sich schon vor zwei Jahren mit diesen Themen befasst und einstimmig beschlossen, sich auf Bundesebene dafür einzusetzen, dass sowohl bei der Erbschafts- und Schenkungssteuer als auch bei der steuerlichen Abzugsfähigkeit Vermieter mit sozialen Vermietungskonzepten nicht mehr benachteiligt werden sollten. Aber: »Leider waren diese Ideen auf Bundesebene in der bisherigen Regierungskoalition nicht umsetzbar. Deshalb bitte ich diesbezüglich ebenfalls um Prüfung und Aufnahme in die Koalitionsgespräche.«

Und was sagt der Münchener Mieterverein zu dem Spagat zwischen der Schonung von Erbschaften sozialwissenschaftlich und den Interessen der Mieter? Der setzt auch auf die »neue Wohngemeinnützigkeit«. Dabei geht es darum, dass privaten Vermietern bei ihren Bestandswohnungen auf freiwilliger Basis die Möglichkeit eingeräumt werden soll, die Mieteinnahmen steuerfrei zu erhalten, wenn sie sich im Gegenzug bereit erklären, den Mietzins mindestens 15 Prozent unter dem nach dem örtlichen Mietspiegel berechneten Mietzins zu halten, ihre Wohnung also gegenüber dem Finanzamt als »Gemeinwohlwohnung« deklarieren.

Volker Rastätter, Geschäftsführer des Münchener Mietervereins, sieht das auch als Möglichkeit bei der Erbschaftssteuer: »Wenn gemeinnütziges Vermögen übertragen wird, etwa in Form einer Erbschaft, kann bei einer neuen Wohngemeinnützigkeit auch Steuerfreiheit gelten.« Diese neue Wohngemeinnützigkeit wäre ein wichtiger Baustein, um den Wohnungsmarkt zu beruhigen, so Rastätter weiter. Eine Wohngemeinnützigkeit habe es in Deutschland schon einmal gegeben, sie wurde aber 1989 abgeschafft.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken von Socken mit Haltung und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.
- Anzeige -

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.