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Mehr als bezahlbar ist
Gewerkschaften stimmen dem Koalitionsvertrag weitgehend zu, sehen aber Bedarf zum Nachschärfen
Der neue Koalitionsvertrag liegt vor. Die Reaktion aus den Gewerkschaften ist positiv, vor allem an fehlenden Konkretisierungen gibt es aber auch Kritik. Für den DGB Berlin-Brandenburg ist ein Anliegen umgesetzt, das seit Jahren auf der Forderungsliste weit oben steht: die Einrichtung einer Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Fälle von Union Busting (englisch, »Gewerkschafts-Zerstörung«).
An dieser Stelle gehe der Berliner Koalitionsvertrag Hand in Hand mit der Bundesebene, sagte DGB-Chef Christian Hoßbach gegenüber »nd«. Union Busting soll künftig per Bundesgesetz als Offizialdelikt behandelt werden. Eine Straftat ist es zwar schon jetzt, aber die Norm krankte daran, dass in den seltensten Fällen angezeigt und auch ermittelt wurde. Mit der Einstufung als Offizialdelikt, muss die Staatsanwaltschaft nun von Amts wegen ermitteln, wenn sie Wind von einem Vergehen bekommt. Es sei aber wichtig, »dass beides aufgegriffen wird: neben der Behinderung der Betriebsratswahlen auch die Behinderung der Betriebsratstätigkeit«.
Grünes Union Busting. Simon Poelchau über die neuesten Vorwürfe der Bahn gegen die GDL
Bei der Ausbildungsplatzabgabe habe sich der DGB Konkreteres gewünscht. »Ausbildungsgarantie und Ausbildungsplatzabgabe sollen kommen, das klingt erst mal gut, ist aber noch kein abgestimmtes Gesamtkonzept«, sagte er.
Sebastian Riesner, Geschäftsführer der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) in Berlin und Brandenburg, begrüßte besonders, dass die neue Berliner Koalition eine Bundesratsinitiative zur Erleichterung der Allgemeinverbindlichkeit ankündigt.
Unzufrieden ist die NGG mit der fehlenden Konkretisierung des »Neustart«-Programms, das die werdende Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) im Sommer angekündigt hatte. »Mit dem Programm soll von der Pandemie betroffenen Branchen, wie Gastgewerbe, Einzelhandel oder Kultur auf die Beine geholfen werden. Das ist gut, aber es fehlt die Regelung, dass die Gewerkschaften bei der Entscheidung über Mittelvergaben beteiligt sind«, sagte Riesner. Es gehe ihm darum, dass die Vergabe an Kriterien wie etwa die Tarifbindung geknüpft ist.
IG Metall-Landeschef Jan Otto war als Experte für Industrie und Wirtschaft an den Verhandlungen beteiligt - gemeinsam mit Vertreter*innen anderer Gewerkschaften. Er begrüßt es, dass der Steuerungskreis Industrie verstetigt wird, den Michael Müller (SPD) als Regierender ins Leben gerufen hatte, um Gewerkschaften, Wissenschaft und Wirtschaft an einen Tisch zu holen.
Otto bemängelt, dass die Unternehmensförderung strengeren Regeln hätte unterliegen können. »Wenn sich ein Start-up in Berlin gründet oder neu ansiedelt und Fördermittel dabei helfen, ist das eine gute Sache. Wenn das Unternehmen dann wächst und nur Mindestlohn zahlt, dann ist es nicht in Ordnung, weiter Fördergelder zu geben.«
Verdi-Landesbezirksleiter Frank Wolf lobte den angekündigten Ausbau des ÖPNV. Der BVG fehlten indes die Infrastruktur und das Personal. »Da muss eine Stange Geld investiert werden - wir finden, an der richtigen Stelle«, sagte er. Dass Berufspendler*innen nicht vorkämen, sei eines von vielen noch unklaren Details im Koalitionsvertrag. Viele Gewerkschaftsforderungen fänden sich im Koalitionsvertrag wieder. »Dazu gehört vor allem die Abkehr von der Sparpolitik früherer Jahre«, so Wolf. Die Koalition habe sich viel vorgenommen, vielleicht weit mehr als leistbar sei und ganz bestimmt mehr, als bezahlt werden könne. Projekte wie eine Verwaltungsreform, das Reparieren der öffentlichen Verwaltung oder die Digitalisierung kosteten viel Geld. »Daher befürchten wir, dass unterm Strich für viele der angekündigten Vorhaben das Geld nicht ausreicht.«
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