Überraschungskandidat

Der Sozialdemokrat Carsten Schneider wird der neue Ostbeauftragte der Bundesregierung

  • Sebastian Haak
  • Lesedauer: 2 Min.

Carsten Schneider ist zweifelsfrei ein Ostdeutscher. Und damit eine Minderheit in den Spitzenämtern des Kabinetts von Olaf Scholz. Dass der Thüringer Finanzpolitiker sich nun als Ostbeauftragter um die Belange der ostdeutschen Bundesländer kümmern soll, überrascht trotzdem – selbst führende Leute seines SPD-Landesverbands. Das zeigt, wie diese Personalie ausgehandelt worden sein muss: Im engsten Berliner Machtzirkel und einigermaßen losgelöst von den ostdeutschen Landesverbände der SPD. Anders lässt sich kaum erklären, dass mit Schneider nun ein zwar aus Erfurt stammender, aber seit vielen Jahren in Berlin fest verwurzelter Machtpolitiker aus dem konservativen Lager der Sozialdemokraten diese Position ausfüllen soll – und nicht etwa der Sachse Martin Dulig, der nicht nur sächsischer Wirtschaftsminister ist, sondern auch Ostbeauftragter der Sozialdemokraten auf Bundesebene.

Schneider selbst mag zwar gelegentlich am späten Abend durch die Erfurter Kneipen streifen. Politisch hat sich der 45-Jährige längst in Berlin eingerichtet. Für die Thüringer Landespolitik zeigte er in der Vergangenheit allenfalls noch ein freundliches Interesse. Als er 2017 als Nachfolger Andreas Bauseweins für den Thüringer SPD-Vorsitz ins Spiel gebracht wurde, winkte er ab.

In den Bundestag gewählt wurde der gelernte Bankkaufmann zum ersten Mal im Jahr 1998. Seither hat er sich einen über Parteigrenzen hinweg respektierten Ruf als Finanzpolitiker erarbeitet. In der letzten Bundesregierung war er als Parlamentarischer Geschäftsführer der Bundestagsfraktion eine wichtige Stütze für das Funktionieren der Großen Koalition unter Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Als besonderer Fürsprecher des Ostens oder des ländlichen Raums ist der Vater zweier Kinder dabei nie aufgefallen.

Für Schneider spricht trotz alledem, dass er sehr wahrscheinlich das fortsetzen wird, was sein Amtsvorgänger Marco Wanderwitz (CDU) stets getan hat: eine klare und unmissverständliche Haltung gegenüber der AfD und ihren Unterstützern einzunehmen. Schon 2015 hatte Schneider gewarnt, der Thüringer AfD-Fraktionsvorsitzende Björn Höcke bereite einen Nährboden für rechtsextreme Gewalt.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.