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Überraschungskandidat
Der Sozialdemokrat Carsten Schneider wird der neue Ostbeauftragte der Bundesregierung
Carsten Schneider ist zweifelsfrei ein Ostdeutscher. Und damit eine Minderheit in den Spitzenämtern des Kabinetts von Olaf Scholz. Dass der Thüringer Finanzpolitiker sich nun als Ostbeauftragter um die Belange der ostdeutschen Bundesländer kümmern soll, überrascht trotzdem – selbst führende Leute seines SPD-Landesverbands. Das zeigt, wie diese Personalie ausgehandelt worden sein muss: Im engsten Berliner Machtzirkel und einigermaßen losgelöst von den ostdeutschen Landesverbände der SPD. Anders lässt sich kaum erklären, dass mit Schneider nun ein zwar aus Erfurt stammender, aber seit vielen Jahren in Berlin fest verwurzelter Machtpolitiker aus dem konservativen Lager der Sozialdemokraten diese Position ausfüllen soll – und nicht etwa der Sachse Martin Dulig, der nicht nur sächsischer Wirtschaftsminister ist, sondern auch Ostbeauftragter der Sozialdemokraten auf Bundesebene.
Schneider selbst mag zwar gelegentlich am späten Abend durch die Erfurter Kneipen streifen. Politisch hat sich der 45-Jährige längst in Berlin eingerichtet. Für die Thüringer Landespolitik zeigte er in der Vergangenheit allenfalls noch ein freundliches Interesse. Als er 2017 als Nachfolger Andreas Bauseweins für den Thüringer SPD-Vorsitz ins Spiel gebracht wurde, winkte er ab.
In den Bundestag gewählt wurde der gelernte Bankkaufmann zum ersten Mal im Jahr 1998. Seither hat er sich einen über Parteigrenzen hinweg respektierten Ruf als Finanzpolitiker erarbeitet. In der letzten Bundesregierung war er als Parlamentarischer Geschäftsführer der Bundestagsfraktion eine wichtige Stütze für das Funktionieren der Großen Koalition unter Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Als besonderer Fürsprecher des Ostens oder des ländlichen Raums ist der Vater zweier Kinder dabei nie aufgefallen.
Für Schneider spricht trotz alledem, dass er sehr wahrscheinlich das fortsetzen wird, was sein Amtsvorgänger Marco Wanderwitz (CDU) stets getan hat: eine klare und unmissverständliche Haltung gegenüber der AfD und ihren Unterstützern einzunehmen. Schon 2015 hatte Schneider gewarnt, der Thüringer AfD-Fraktionsvorsitzende Björn Höcke bereite einen Nährboden für rechtsextreme Gewalt.
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