Auf Autobahnen in die Klimakrise

Der neue Bundesverkehrsminister Volker Wissing zeigte bisher keine Neigung zu ökologischer Verkehrsplanung und Klimaschutz

  • Clara S. Thompson
  • Lesedauer: 4 Min.

Seit Mittwoch ist Andreas Scheuer nicht mehr Verkehrsminister. Diesen Tag sehnten viele Menschen lange herbei - und zwar nicht nur frustrierte Verkehrswende-Fans. Da liegt es nahe, dass nun alle gespannt auf Scheuers Nachfolger blicken, den FDP-Politiker Volker Wissing. Kommt unter seiner Führung endlich die Verkehrswende?

Dass bei diesem Thema etwas in Bewegung ist, zeigen Neuigkeiten aus Österreich: Die Lobau-Stadtautobahn bei Wien soll doch nicht gebaut werden. Aktivist*innen hatten seit Jahren gegen das Projekt protestiert. Zwei Tagen nach ihren Aktionstagen unter dem Motto »Lobau bleibt« und nach der Re-Evaluierung verkündete Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne), die Autobahn sei nicht mehr »zukunftsfähig« und werde deswegen auf Eis gelegt.

Clara S. Thompson
Clara S. Thompson ist Mitgründerin des Bündnisses »Wald Statt Asphalt« und bei Fridays for Future aktiv.

Was für Autofans ein Affront sein mag, ruft bei Klimaaktivist*innen ein erleichtertes »Endlich« hervor. Dass der Neubau von Autobahnen nicht mehr zeitgemäß ist, ist vielen spätestens seit den Protesten gegen die A49 im Dannenröder Wald schmerzlich bewusst. In Berlin fragen sich immer mehr Menschen, ob wirklich mehr Stadtautobahnen wie die A100 gebraucht werden.

Dass die Deutschen ihre geliebten Autos und Autobahnen nicht ohne Widerstände aufgeben werden, ist klar. Aber dennoch: Im nächsten Jahr könnte der Bundesverkehrswegeplan, der von Scheuer bisher ohne Re-Evaluierung hinsichtlich der Klimakrise stumpf abgearbeitet wurde, in Deutschland ein großes Thema werden - unter der Aufsicht des neuen Verkehrsministers Wissing. Hat er das Zeug, die deutsche Version der österreichischen Klimaschutzministerin zu werden?

Wissings Profil ist bisher vor allem eins: unklar. Noch hat sich der Weinliebhaber wenig zu seinen Plänen als Minister geäußert. Erste Hinweise gibt der Koalitionsvertrag. Dass die Bahn weitestgehend in öffentlicher Hand bleiben und mehr in die Schiene investiert werden soll, klingt schon mal vielversprechend. Ein eher schlechtes Zeichen ist aber, dass sich Scheuer ein bisschen zu viel über seinen Nachfolger gefreut hat.

Wir müssen glücklicherweise mit unseren Spekulationen nicht völlig um Dunklen tappen: Von 2016 bis zum Mai 2021 war er rheinland-pfälzischer Minister für Wirtschaft, Verkehr und Landwirtschaft. Und Weinbau. Frisch im Amt, hatte er seinerzeit ehrgeizige Pläne, wollte die »Verkehrsinfrastruktur verbessern«, Landstraßen ausbauen und Lückenschlüsse wie bei der A1 fertigstellen. Statt für Fahrräder setzte er sich leidenschaftlich für Lang-Lkw ein, vollzog gern den ersten Spatenstich bei Autobahn-Baustellen. So bei der A61. 2018 erklärte er noch, dass es bei dem A61-Projekt keine Kostenexplosion geben werde, alles verlaufe nach Plan. Inzwischen haben sich die Kosten für die Autobahn auf 1,4 Milliarden Euro fast verdoppelt. Was alles in Kauf genommen wird, um Platz für 10 000 Autos mehr auf einer Autobahn zu haben.

Kein Projekt aus seiner Amtszeit ist wohl umstrittener als der geplante Ausbau der A643, die durch das Naturschutzgebiet Mainzer Sand führen soll. Während SPD, Grüne und Linke sich für die Freigabe der Standstreifen der bisherigen Autobahn für den Verkehr einsetzen, fordern CDU, FDP und AfD den sechsspurigen Ausbau der Autobahn durch das Naturschutzgebiet. Im Oktober eskalierte der Streit, und der Mainzer CDU-Kreisverband twitterte: »Tofu kommt nicht mit der Straßenbahn in den Supermarkt. A643 ausbauen!«, was der Partei viel Spott einbrachte.

Deutschland hat nach China, den USA, Kanada und Spanien das fünftlängste Autobahnnetz der Welt. Trotzdem sind laut Bundesplanung rund 850 neue Autobahnkilometer vorgesehen. Dafür sollen Wälder abgeholzt und Lebensräume zerstört werden. Aber Emissionen im Verkehrsbereich müssen dringend sinken, damit Deutschland seine Klimaziele erreicht. Und mehr Autostraßen verursachen mehr Verkehr. So steht es auch in dem 145 Seiten langen Evaluierungsgutachten des österreichischen Klimaministeriums zur Lobau-Autobahn.

Und Volker Wissing? Dem ist es wichtig »beim A643-Ausbau Gas zu geben« und das Projekt »wieder in die Spur bringen«. Er hoffe auf das baldige Baurecht für den sechsspurigen Ausbau der A643. Einen Baustopp für Autobahnen und Bundesstraßen hält er für unverantwortlich.

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