Ein Erfolg für die Gewerkschaft, eine Demütigung für Starbucks

In Buffalo stimmen Arbeiter für die Gründung des ersten Betriebsrats in einer Filiale des Unternehmens

  • Anjana Shrivastava
  • Lesedauer: 4 Min.

Arbeiter in einem Starbucks-Café in Buffalo im Bundesstaat New York haben einen Fuß in die Tür des Starbucks-Imperiums gesetzt: die Belegschaft der Filiale in der Elmwood-Straße hat in den vergangenen Tagen einen Betriebsrat gewählt, wie Donnerstagabend bekannt wurde. Als Teil von der Gewerkschaft United Workers stellt der Betriebsrat die erste organisierte Belegschaft in den USA in der Geschichte des 50 Jahre alten Kaffeeunternehmens dar.

In einer zweiten Filiale in Buffalo unterlag die Gewerkschaft, die Belegschaft stimmte gegen einen Betriebsrat. In einer dritten Filiale wurde vorläufig kein Ergebnis von der US-Arbeitsbehörde festgestellt, da die Gewerkschaft sieben Gegenstimmen als illegitim ablehnt: Starbucks soll Arbeiter von anderen Filialen eingeschleust haben, die gegen einen Betriebsrat stimmten.

Die Kampagne der Gewerkschaft zur Gründung eines Betriebsrats hatte nationales Interesse geweckt und Starbucks viel Mühe und Geld gekostet. Im Vorfeld der Wahlen versprach das Unternehmen Lohnerhöhungen von derzeit durchschnittlich 14 auf 17 Dollar die Stunde bis Sommer 2022. Gleichzeitig stellte Starbucks landesweit 70 neue Personalanwerber ein, um die Zahl der Angestellten massiv zu erhöhen. Im vergangenen Pandemiejahr stiegen die Löhne im US-Gastgewerbe generell um 6,9 Prozent an.

Damit reagiert Starbucks spät auf eine Tendenz, die den Arbeitern in Buffalo während der Pandemie längst aufgefallen war: Arbeiter sind in den USA nicht mehr so leicht zu ersetzen. »Der Hauptgrund für diese Entwicklung war die Epidemie«, erklärte die Soziologie-Professorin Erin Hatton dem »nd«: »Die Cafés waren stark unterbesetzt, die Baristas fürchteten die Ansteckung, weil es in Buffalo viele Maskenverweigerer gibt. Sie hatten das Gefühl, den Kopf hinhalten zu müssen, ohne dass der Arbeitgeber der chronischen Unterbesetzung abhalf«, sagte Hatton, die an der Buffalo-Universität lehrt.

Die »Washington Post« zitiert die Starbucks-Angestellte Alexis Rizzo, dass die von ihrem Chef immer zur Drohung angeführten Reservoirs potenzieller Arbeiter auf einmal leer seien. Dies war der Moment, in dem sich Rizzo als Fastfood-Arbeiterin zum ersten Mal nicht mehr so leicht austauschbar fühlte.

In Europa fällt Starbucks durch seine aggressive Steuervermeidung auf – in Buffalo durch den Kampf gegen Gewerkschaften. Das Top-Management unterzog Buffalo einer Art Besatzungsregime: Manager strömten nach Buffalo und arbeiteten in den Läden, um dort gegen Arbeitervertretungen zu agitieren. In den Filialen der Stadt wurden 200 Baristas neu eingestellt. Selbst der legendäre Starbucks-Vermarkter und Milliardär Howard Schultz hielt ein Seminar und bezahlte Mitarbeiter, um seinem Vortrag beizuwohnen.

Starbucks versteht sich als linksliberal, nennt seine Arbeiter stets »Partner« und bietet ungewöhnliche Zusatzleistungen wie Krankenversicherung für Teilzeitarbeiter oder kostenlose Online-Universitätsausbildung. Nach der Abstimmung sagte eine Starbucks-Sprecherin, das Unternehmen sei weiter der Ansicht, dass die Bedingungen im Unternehmen keinen Betriebsrat rechtfertigten.

Die Wahl des Betriebsrats sorgt für eine Aufbruchsstimmung: In Arizona gibt es neue Bestrebungen, in den Starbucks-Filialen der Stadt Mesa ebenfalls Betriebsratswahlen durchzuführen. Gestützt wird die Stimmung auch aus Washington, wo die Arbeitsbehörde NLRB unter Präsident Joe Biden arbeiterfreundlicher agiert als zuvor. So lehnte sie etwa das Bestreben des Starbucks-Unternehmens ab, die Hürden für die Wahl von Betriebsräten in Buffalo zu erhöhen. Im November hat die NLRB zudem wegen unzulässigen antigewerkschaftlichen Agitierens von Amazon eine Neuwahl in einem Lager des Konzerns in Alabama angeordnet.

Prominente Vertreter des linken Flügels der Demokraten wie der Senator Berni Sanders und die Abgeordnete Alexandria Ocasio-Cortez lobten den hart erkämpften Sieg der Gewerkschaften. Betriebsräte waren in den USA lange Zeit vollkommen unüblich.

Die Gewerkschaft United Workers hofft, dass ein Anfang in der Fastfood-Industrie geschafft wurde. Doch der Weg ist noch lang, auch im Laden in der Elmwood-Street. Starbucks ist bekannt dafür, Lokale schnell zu schließen. Betriebsräte sind zwar rechtlich geschützt, doch US-Recht erlaubt den Unternehmen, fast nach Belieben zu heuern und zu feuern. Ein Grund findet sich immer, einen Arbeiter für eine Fehlleistung zu entlassen oder gar eine Filiale zu schließen.

Dem Erfolg liegt harte Arbeit zu Grunde, wie etwa von Jaz Brisack: Seit zwei Jahren agitiert die Barista für die Gründung von Betriebsräten. Die Studentin wurde für ihre Schulleistungen als Rhodes Scholar ausgezeichnet, wie einst Ex-Präsident Bill Clinton. Damit hätte sie im englischen Oxford Politik und Philosophie studieren können. Dies vertagte sie aber, um in Buffalo zu agitieren, erst bei der kleinen Kette Spot-Coffee und dann beim Kaffeeriesen. Das Ergebnis der Wahl ist ein Achtungserfolg, für Starbucks eine Demütigung.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -