»Janez Janša ist ein Orbán, der wie Trump redet«

Slowenien ist polarisiert. Luka Mesec hofft auf starke linksliberale Bündnisse bei den anstehenden Wahlen

  • Roland Zschächner
  • Lesedauer: 9 Min.

Seit März 2020 wird Slowenien wieder von Janez Janša und seiner Slowenischen Demokratischen Partei (SDS) regiert. In diesem Frühjahr versuchte Levica mit anderen Parteien, den rechtsnationalistischen Premierminister mit einem Misstrauensvotum zu stürzen. Das misslang. Janša ist immer noch im Amt. Wann wird er fallen?
Leider müssen wir bis auf die Wahlen im April oder Mai 2022 warten. Es gibt kein Anzeichen, dass die Koalitionspartner die SDS den Rücken kehren werden. Doch für die Opposition sieht es gut aus. Laut Umfragen können die Liste Marjan Šarec, die Sozialdemokraten, die Partei von Alenka Bratušek und wir zusammen auf 50 der 90 Abgeordneten im Parlament kommen. Das wäre eine bequeme Mehrheit.

Und Sie würden sich auch an der Regierung beteiligen? Die Koalition von Premier Šarec hatten sie das letzte Mal lediglich toleriert.
Wir würden diesmal voll mitmachen.

Mit welcher Agenda?
Unsere Hauptpunkte wären Klimapolitik, Wohnen, Demokratisierung der Wirtschaft und Sozialpolitik. Das beutetet am Beispiel der Wohnungsfrage, dass wir mehr Geld ausgeben müssen, um Zehntausende neue Wohnungen zu bauen. Vor allem in den Städten mangelt es an bezahlbaren Wohnungen, besonders für junge Menschen. Beispielsweise kostet in Ljubljana ein 50-Quadratmeter-Apartment schnell 800 Euro zuzüglich der Nebenkosten, der Durchschnittslohn beträgt aber nur rund 1200 Euro.

Woran liegt das?
Reiche haben damit begonnen, Wohnungen in Ljubljana als Investition zu betrachten. Mit der Miete werden dann die aufgenommenen Kredite finanziert. Deswegen wollen wir diejenigen besteuern, die mehrere Wohnungen besitzen.

Was wären die Ideen von Levica für die Klimapolitik?
Wir würden ein Klimagesetz verabschieden, das zum Ziel hat, den CO2-Ausstoß in den nächsten Jahren deutlich zu senken. Zudem würden wir eine Aufsichtsbehörde gründen, die alle Maßnahmen der Regierung kontrolliert, damit diese Ziele umgesetzt werden.

Das bedeutet konkret?
Das Kohlekraftwerk in Velenje muss abgeschaltet werden, zudem braucht es Veränderungen beim Verkehr, denn dieser erzeugt die Hälfte der Emissionen. Neue Bahnstrecken sind dafür eine Lösung. Dann wäre es auch nicht mehr nötig, dass eine Familie mehrere Autos hat. Denkbar wäre auch ein öffentliches Netzwerk an Elektroautos. Ich kann mir vorstellen, dass es zukünftig in einem Land wie Slowenien nicht mehr notwendig sein wird, ein eigenes Auto zu haben. Und zurückkommenden zum vorherigen Punkt, durch mehr Wohnungen in den Städten müssten die Menschen nicht mehr zur Arbeit pendeln.

Was steht hinter der Idee, die Wirtschaft zu demokratisieren?
Das meint den Ansatz von Mitarbeiterunternehmen. Dafür muss es gesetzliche Regelungen geben, damit Arbeiter in kleinen und mittleren Unternehmen diese übernehmen und in Genossenschaften überführen können, wenn der Eigentümer in Rente geht. Das wäre ähnlich zur Idee der Arbeiterselbstverwaltung im sozialistischen Jugoslawien, aber mit dem Unterschied, dass die Unternehmen damals gesellschaftliches Eigentum waren. Das war ein schwacher Begriff. Wir würden das nun klar formulieren: Die Firmen gehören den Arbeitern.Ein solches Gesetz könnte zudem angewendet werden, wenn ein multinationaler Konzern das Land verlässt und Hunderte oder Tausende Menschen vor die Tür setzt.

Im Juli votierte die Mehrheit der Slowenen in einem Referendum gegen ein von der Regierung eingebrachtes Wassergesetz. Wie schätzen Sie das Ergebnis ein?
Es war ein totales Desaster für Janša. Er wollte damit die Regularien für Flüsse, Seen und andere Gewässer lockern. Vorgesehen war unter anderem, dass auch in Trinkwasser-Schutzgebieten umweltschädliche Industrien angesiedelt werden können. Dagegen organisierte sich die Zivilgesellschaft. Auch eine Privatisierung von Stränden war geplant, was bislang untersagt ist. Mit 87 Prozent unterlag die Regierung. Es gab nicht einen Ort, wo sie die Mehrheit hatte.

Levica sprach von einem demokratischen Erwachen. Ist nun ein Mittel gegen Janša gefunden worden?
Volksabstimmungen scheinen nun sexy zu sein in Slowenien. Für die Bürger gibt es nur wenige Mittel, um die Regierung zu Fall zu bringen. Klar, man kann demonstrieren, aber die Anti-Regierungsproteste gibt es nun schon seit mehr als einem Jahr und sie ist noch immer im Amt. Man kann auch auf Facebook schimpfen – was jeder tut. Aber Janša ist immer noch da. Das Referendum gegen das Wassergesetz war gut, um an der Wahlurne zu zeigen, dass man die Schnauze voll hat.

Gründe dafür gibt es viele. Unter anderem kommen immer wieder Korruptionsskandale an die Öffentlichkeit. Viele drehen sich auch um das Gesundheitssystem und sind mit der Coronapandemie verbunden. Wie hängt beides zusammen?
Wir haben in Slowenien ein zweigliedriges Gesundheitssystem. Neben der öffentlichen Krankenkasse gibt es einen privaten Sektor. Diese freiwilligen Zusatzversicherungen decken die Kosten ab, die von der staatlichen Versicherung nicht übernommen werden; sie sind somit in gewisser Weise auch obligatorisch. Während der Lockdowns war auch das Gesundheitssystem heruntergefahren, selbst dringende Eingriffe wurden verschoben. Die 37 Euro für die privaten Versicherungen mussten aber trotzdem weiterbezahlt werden. Die Regierungen hat es also den Versicherungen erlaubt, einen großen Profit einzufahren. Nun nutzen sie das Geld, um private Kliniken zu bauen. Dann gibt es noch die Fälle um die medizinische Ausstattung wie Masken und Schnelltests. An der Vergabe dieser Aufträge haben vor allem diejenigen Millionen Euro verdient, die mit der regierenden SDS verbunden sind.

Es wurde auch darüber berichtet, dass Ärzte aus der Pandemie Profit geschlagen haben. Wie das?
Als das Gesundheitssystem im Lockdown war, waren viele Ärzte zu Hause. Dann entschied die Regierung, dass es schlecht für das Image ist, wenn die Mediziner nicht im Einsatz sind. Deswegen wurde ihnen angeordnet, wieder an ihren Arbeitsplatz zu gehen, dafür bekamen sie eine Zulage. Die Ärzte gingen also wieder zur Arbeit, ohne etwas zu tun. Gleichzeitig haben einige Ärzte noch ein anderes Schlupfloch genutzt: Diejenigen im öffentlichen Dienst können auch bei privaten Kliniken arbeiten. So haben sich Orthopäden während der Pandemie bei ihrem Arbeitsplatz angemeldeten, doch gingen sie dann zu privaten Einrichtungen. Dort verdienten sie natürlich viel mehr.

Und was passierte, als der Skandal öffentlich wurde?
Der Wachmann der Klinik wurde entlassen, weil er die Ärzte nicht richtig kontrolliert haben soll. So wurde der Mensch mit der geringsten Bezahlung dafür verantwortlich gemacht, dass die mit den höchsten Gehältern das Gesundheitssystem ausgenommen haben.

Wie ist die aktuelle Corona-Lage in Slowenien?
Laut Statistiken haben wir in Europa das Land mit den meisten Infektionen pro Kopf. Zwar fallen momentan die Fallzahlen wieder, doch verschärft die Regierung die Maßnahmen. Für fast alles gelten nun die 3G-Regeln. In den vergangenen Wochen gab es Proteste gegen diese Maßnahmen. Im September versammelten sich Tausende Menschen vor dem Parlament, sie warfen Steine und Feuerwerkskörper gegen die Polizei, einige Scheiben gingen auch zu Bruch.

Wer sind die Teilnehmenden dieser Proteste?
Das sind gewöhnliche Leute, die keine einheitliche politische Führung haben. Sie sind gegen die Corona-Maßnahmen und viele von ihnen wollen sich auch nicht impfen lassen. Ich denke, es handelt sich bei ihnen vor allem um Menschen aus der Arbeiterklasse, die das Vertrauen in das System verloren haben und für die ihr Körper der letzte Ort der Freiheit ist. Sie haben dabei die Vorstellung von Freiheit, mit dem eigenen Körper tun und lassen zu können, was sie wollen. Der Körper ist für sie somit das Letzte, was sie verteidigen können. Das Problem ist, dass diejenigen, die nun gegen das Impfen Stimmung machen, zu denen auch einige bekannte Nationalisten gehören, von der Arbeiterklasse gehört werden. Ungefähr 30 bis 40 Prozent der Bevölkerung haben kein Vertrauen in die Impfung. Es besteht sogar die Möglichkeit, dass sich um diese Frage eine neue Partei gründen könnte.

Unabhängig davon, dass die Partei an der Regierung ist, wie stark ist die SDS?
Es ist ein Staat im Staat. Es ist die einzige Partei in Slowenien, die mit den populären Fernsehsendern Nova24 und Planet sowie verschiedenen Onlineportalen über eigene Medien verfügt. Hinzu kommt, dass Parteichef Janša Anhänger hat, die ihn schon ihr ganzes Leben unterstützen und dies auch weiterhin tun werden. So bekommt er 20 bis 25 Prozent bei jeder Wahl – egal, was er auch tut.

Alles scheint sich um die Person Janša zu drehen …
Janša erfindet sich immer wieder neu. In den 90er-Jahren war er Sozialdemokrat, in den Nullerjahren erklärte er sich zum Konservativen, dann wurde er 2004 zum Neoliberalen, um danach ein Neokonservativer zu werden. Nun ist er ein Orbán, der wie Trump redet. Außerdem hat Janša von sich selbst das Bild eines Nationalhelden kreiert, der Slowenien vom unterdrückerischen, kommunistischen Jugoslawien befreit habe. Doch für die Menschen, die nicht seine Anhänger sind, ist Janša ein lügender und manipulativer Politiker.

Im Frühjahr gewann das linksgrüne Bündnis Možemo (Wir können es) in Zagreb bei den Kommunalwahlen und stellt nun dort den Bürgermeister. Gibt es eine Wiederbelebung der Linken im ehemaligen Jugoslawien?
Ich bin sehr optimistisch, auch was die Aussichten von Možemo betrifft. Nächstes Jahr haben wir in Slowenien drei Abstimmungen: die Lokal-, Parlaments- und Präsidentschaftswahlen. Diesmal haben für uns die Kommunalwahlen die Priorität. Deswegen wollen wir so viel wie möglich von Možemo lernen.

Was planen Sie?
Levica hat rund 15 lokale Gliederungen und deckt damit fast das ganze Land ab. Das Problem ist aber, dass wir dort nicht überall aktiv sind. Wir wollen nun, dass unsere Anhänger andere Menschen mobilisieren, um so lokale Strukturen zu schaffen. Wir fahren seit Anfang September durchs Land und sprechen mit unseren Mitgliedern darüber, mit welchen Initiativen sie sich zusammentun und welche Themen sie aufgreifen können. Unsere Botschaft ist: Wartet nicht, dass etwas von der Parteispitze kommt, blickt euch um und findet heraus, womit ihr mobilisieren könnt. Ziel ist es, ein landesweites Netzwerk zu haben. In Ljubljana sind wir gut vernetzt. Hier findet man in den Bars an jedem Tisch jemanden, der zumindest mit Levica sympathisiert. Doch im restlichen Land ist das nicht so. Der einzige Weg, das zu ändern, ist, die Menschen dort auf lokaler Ebene zu erreichen und zu verbinden, damit sie sich engagieren.

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