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Arbeitszeitexzesse im Krankenhaus
Der Marburger Bund will die Leistungen der Krankenhausärzte anerkannt und besser entlohnt wissen
»Gegen 2 Uhr konnte ich nicht mehr stehen. Eine Schwester hat mir dann einen Stuhl hingeschoben, und ich habe den frisch operierten Patienten im Sitzen zugenäht«, erzählt ein Arzt eines kommunalen Krankenhauses in Berlin. Er will seinen Namen lieber nicht in der Zeitung lesen, doch so wie ihm geht es vielen seiner Kolleginnen und Kollegen. »Arbeitszeitexzesse« nennt das Christian Twardy bei der Pressekonferenz des Marburger Bundes am Dienstag. Twardy ist Verhandlungsführer des Ärzte-Berufsverbandes bei den derzeitigen Tarifgesprächen mit der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) und bringt die Anwesenden auf den aktuellen Stand der Verhandlungen.
»Ich bin nicht optimistisch, dass die Arbeitgeber die Chance, die wir ihnen bieten, nutzen werden«, sagt er nüchtern. Der Marburger Bund fordert für die rund 55 000 Ärztinnen und Ärzte in kommunalen Kliniken Verbesserungen bei den Bereitschaftsdiensten und Rufbereitschaften sowie eine Gehaltserhöhung von 5,5 Prozent. Die Forderungen seien darauf gerichtet, die vereinbarten Regelungen zur Begrenzung von Bereitschaftsdiensten, zur rechtzeitigen Dienstplanung und zur Arbeit an Wochenenden besser handhabbar zu machen.
»Die Ärztinnen und Ärzte sind höchst flexibel, um rund um die Uhr an sieben Tagen in der Woche den medizinischen Betrieb am Laufen zu halten. Aber diese Flexibilität braucht klar definierte Grenzen«, betont Twardy. Der VKA wirft er vor, immer nur auf die Notwendigkeit flexiblen Personaleinsatzes hinzuweisen und sich sonst nicht zu bewegen. Dieser Stoßrichtung folgt auch die Kritik des stellvertretenden Vorsitzenden des Marburger Bundes, Andreas Botzlar. »Was wir von den Arbeitgebern bisher bekommen haben, sind keine Verbesserungsvorschläge, sondern Verwässerungsvorschläge«, sagt er sarkastisch. Und Twardy ergänzt: »Offenbar ist die Arbeitgeberseite noch immer nicht mit dem Problembewusstsein ausgestattet, das für eine Einigung am Verhandlungstisch notwendig ist.«
Die VKA stelle sich demnach immer noch auf den Standpunkt, eine trennschärfere Begrenzung von Bereitschaftsdiensten würde die Arbeit an Krankenhäusern deutlich erschweren. Richtig sei laut Marburger Bund aber das Gegenteil: Eindeutige, verbindliche und leichter handhabbare Regelungen schafften Rechtsklarheit und führten zu mehr Arbeitszufriedenheit. »Daran sollten die Arbeitgeber auch ein Eigeninteresse haben, denn die Zukunftsfähigkeit von Krankenhäusern hängt ganz maßgeblich von den Arbeitsbedingungen ab, die sie Ärztinnen und Ärzten bieten«, betont Twardy. Mit ein paar Korrekturen hier und da sei es nicht mehr getan.
Doch nicht mal dazu ist die VKA offenbar bereit, folgt man ihrer Argumentation zur Arbeitsbelastung von Ärztinnen und Ärzten. Diese stützt sich auf Grunddaten des Statistischen Bundesamtes und zweier daraus ermittelter Indikatoren. »Beide Indikatoren zeigen für die Ärztinnen und Ärzte in öffentlichen Krankenhäusern eine geringere Belastung an als in Häusern freigemeinnütziger und privater Träger«, heißt es dazu vonseiten der Arbeitgeber. Die Anzahl der pro Berichtsjahr zu versorgenden Fälle habe in den vergangenen Jahren in öffentlichen Krankenhäusern mit durchschnittlich 106,9 je Vollkraft-Ärztin bzw. -Arzt deutlich unter der durchschnittlichen Fallzahl in freigemeinnützigen (140,5) und privaten Häusern (131,9) gelegen.
Der Vergleich mit freigemeinnützigen und privaten Krankenhäusern zur Verschleierung der Arbeitsüberlastung durch die VKA lässt wenig Hoffnung auf Verbesserung. Dennoch fordert Andreas Botzlar vom Marburger Bund kurz vor der dritten Verhandlungsrunde in dieser Woche: »Die kommunalen Arbeitgeber müssen sich endlich aus ihrer starren Defensive herauswagen. Nur dann können Ergebnisse erzielt und eine Verschärfung des Tarifkonflikts vermieden werden.« Die Vorsitzende der Ärztegewerkschaft, Susanne Johna, weist in ihrem Statement am Dienstag auch auf den ihrer Meinung nach »ruinösen Verdrängungswettbewerb« zwischen den Krankenhäusern hin. Dieser führe letztlich dazu, dass Patientinnen und Patienten nicht mehr adäquat versorgt werden könnten.
Beim Thema Impfpflicht positioniert sich der Marburger Bund konsequent auf der Pro-Seite. »Wir haben schon im November eine Corona-Impfpflicht nach dem Vorbild des Masernschutzgesetzes gefordert. Also eine viel stärkere Verpflichtung als die jetzt umgesetzte einrichtungsbezogene Corona-Impfpflicht«, so Johna. Das am 1. März 2020 in Kraft getretene Masernschutzgesetz beinhaltet als Teil des Infektionsschutzgesetzes eine Impfpflicht einschließlich Geldstrafen und Kita-Verbot bei Nichteinhaltung.
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