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Söhnlein brillant
POP-RICHTFEST: Die US-amerikanische Serie »Succession« ist die Mixtur aus hinterhältiger Comedy und pathetisch-entrücktem Drama-TV - und ein absoluter Geheimtipp
Was lange währt, wird endlich gut: Es dauerte volle drei Jahre, bis sich der volle Hype um »Succession«, der US-amerikanischen Serie über die fiktive Medien- und Unterhaltungsmogul-Familie Roy mit kollektivem Vaterkomplex, komplett entfalten konnte. Vor allem im englischsprachigen Raum wird die HBO-Produktion als eine der besten Formate der letzten Jahre gelobt, die Meme-Fabriken und -Foren stehen nicht still. Für einen letzten bizarren Medien-Tsunami sorgte ein abstruses Porträt im New Yorker über Schauspieler Jeremy Strong, der in »Succession« den sensiblen, ehrgeizigen, aber auch latent peinlichen Kendall Roy spielt – und im echten Leben anscheinend ähnlich hängengeblieben ist wie die von ihm porträtierte Figur.
In Deutschland spielt die Lobeshymne mit noch mehr Verspätung an: Erst seit einigen Wochen wird die Mixtur aus hinterhältiger Comedy und pathetisch-entrücktem Drama-TV von Insidern im deutschsprachigen Raum vor allem auf Social Media gefeiert und kommentiert. Dabei sollte man schnell auf den Zug aufspringen, wenn man gut unterhalten werden will – und vor allem die Feiertage bieten sich dafür hervorragend an.
Die Geschichte von »Succession« ist auch nur vermeintlich schnell erzählt: Es geht um eine milliardenschwere Familie, in der die Kinder (Kendall, Shiv, Roman und Connor Roy) gerne das Macht- und Firmen-Erbe des Vaters (Logan Roy) antreten würden. Doch dieser von Alter und Krankheit gezeichnete Patriarch weigert sich noch immer, im Familiengroßbetrieb endlich den Ruhestand anzutreten. Drumherum gibt es Generationenkonflikte und patriarchale Kleinkriege, Skandale und allerhand menschliche Scharmützel, in denen sich schwerreiche Menschen gegenseitig zerfleischen und nicht mal (Ehe-)Partner*innen davor zurückschrecken, sich im Rahmen von Gier und Besitzstandswahrung gegenseitig zu verarschen. Inspiration sollen die Macher*innen der Serie in der Familie des Medienmoguls Rupert Murdoch gefunden haben.
Die Serie »You« auf Netflix romantisiert toxische Männlichkeit und reproduziert unnötig psychische und physische Gewalt gegen Frauen mit schon fast bizarrer Storyline, findet Nadia Shehadeh.
Nebenbei muss das Medienimperium natürlich ordentlich Federn lassen. Man lernt also vor allem Dinge, die man sowieso schon weiß: Superreiche sind nicht immer clever und schon gar nicht sympathisch. Um viel Kohle anzuhäufen oder eine wichtige berufliche Position einzuheimsen, muss man weder smart noch fleißig sein, aber erben - zumindest Geld, vielleicht auch Status. Die Elite rekrutiert intern, und wenn sie auch noch so ein dysfunktionaler Sauhaufen wie Familie Roy ist, dann ist das Ganze unheimlich unterhaltsam. Die Söhne und Papa Logan sind dabei die Spitze des Eisbergs an Peinlichkeiten, während die Frauen (allen voran: Marcia Roy, gespielt von Hiam Abbas und Shiv Roy, gespielt von Sarah Snook) diejenigen sind, die zwar noch halbwegs alle Latten am Zaun, aber trotzdem nicht viel zu melden haben.
Dass der volle Hype sich jetzt so rasant entwickelt, liegt vielleicht auch daran, dass nun, wo bereits drei Staffeln vorliegen, man in das volle Ausmaß an »Binge & Cringe« eingetaucht werden kann. Wer es schafft, sich alle »Succession«-Folgen in kürzester Zeit hinter die Binde zu kippen, wird am Ende nämlich wahrscheinlich genauso verwirrt, peinlich berührt und ausgelaugt sein wie die Sprösslinge der Familie Roy. Aber auf die gute Art und Weise, nämlich der, wo man sich einreden kann, dass das eigene Leben vielleicht doch nicht so schlecht (und vor allem: gar nicht peinlich) und der eigene moralische Kompass wahrscheinlich ganz gut eingependelt ist. Die Roy-Kinder versuchen nämlich verzweifelt, einerseits den väterlichen Respekt einzuheimsen, und andererseits ihren berechtigten - und vor allem beruflichen - Platz in der Erbfolge zu sichern. Nur um immer wieder zu merken, dass beides zusammen einfach nicht unter einen Hut zu bekommen ist.
Das alles mag auf den ersten Blick weder subversiv noch innovativ klingen, aber wer sich entscheidet, den allabendlichen Fernsehabend mit dem komplett weißen und reichen Männerbünden aus »Succession« zu verbringen, wird nicht enttäuscht werden. Die eigentliche Botschaft von »Succession« lautet nämlich: Das Patriarchat stirbt nie. Und die Figur Logan Roy, der renitente Firmen- und Familienboss, der lieber verwirrt im eigenen Büro auf den Teppich pinkelt, als in den Ruhestand abzutreten, ist dafür die perfekte Symbolfigur. Bis dahin verbleiben diejenigen, die sich jetzt schon in den Fängen der Familie Roy befinden, als eingeschworener Geheimbund des Internets unter sich. »Ich wusste gar nicht, dass noch andere Leute «Succession» schauen«, las ich erst heute auf Facebook. Und weiter: »Schön, dass es Euch gibt.«
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