Nicht alle sind Nazis!

Normale Bürger sollten nicht gleich in die rechte Ecke gestellt werden, nur weil sie Mordpläne gegen Politiker schmieden, findet Andreas Koristka

In meiner Kindheit kam es vor, dass bei den herbstlichen Laternenumzügen Heranwachsenden auch Fackeln gereicht wurden. Selbstverständlich geschah dies unter Aufsicht der Freiwilligen Feuerwehr. So ergab sich ein stimmungsvolles Gesamtbild. Es wurden schöne Lieder gesungen und Kinderaugen leuchteten. An die Fackelmärsche der SA fühlte sich dadurch kaum jemand erinnert. Und wenn doch, dann konnte man seinen Unmut darüber nicht per Twitter in die Welt tragen.

Heutzutage sieht das leider alles ganz anders aus. Fackelmärsche haben ein gewisses Geschmäckle bekommen – selbst in Sachsen. Seitdem das politische Personal des Freistaats daheim von Zeit zu Zeit von fackeltragenden Kritikern der Corona-Maßnahmen besucht wird, mehren sich die Stimmen derer, die darin »Nazimethoden« sehen.
Auch die publik gewordenen Mordpläne gegen den sächsischen Ministerpräsidenten lassen scheinbar darauf schließen, dass sich faschistische Gruppen zusammenrotten. Aber Obacht! Nicht jeder, der Michael Kretschmer mit einer Armbrust ermorden möchte, nicht jeder, der sich gern in den Reichsfarben kleidet und Attila Hildmann auf Telegram folgt, ist deswegen gleich ein Nationalsozialist oder hat gar ein geschlossen faschistisches Weltbild. Solche Personen pauschal als Nazis zu verunglimpfen, wäre falsch!

Der Autor

Andreas Koristka ist Redakteur des Satiremagazins »Eulenspiegel«.

Ganz im Gegenteil, die Gründe für die Mordpläne der Bürgerinnen und Bürger können mannigfaltig sein. Ist es nicht vorstellbar, dass der eine oder die andere sogar aus gänzlich unpolitischen Motiven handelt? Doch bevor man sie plausibel darlegen lässt, dass sie lediglich von blutrünstiger Mordlust beseelt sind, schwingen einige lieber die Nazikeule.

Diese ist in Deutschland zum wahren Totschlagargument geworden. Mit Nazivorwürfen treibt man ganz normale Bürger, die nichts weiter als den Tod des sächsischen Ministerpräsidenten herbeisehnen und aktiv daran beteiligt sein möchten, geradezu in die rechte Ecke. So funktioniert aber kein vernünftiger gesellschaftlicher Dialog, bei dem man dem anderen zuhört, seine Sichtweisen ernst nimmt und Kompromisse sucht. Dabei kann man nur im Dialog auf Augenhöhe Menschen überzeugen! Viele von denen, die einem Politiker nach dem Leben trachten, könnten sicherlich davon überzeugt werden, künftig nur noch danach zu streben, es bei ein paar zünftigen Morddrohungen zu belassen.

Das wäre ein Erfolg der Zivilgesellschaft, der dazu beiträgt, dass die Menschen in unserem Land nicht weiter auseinander driften. Wir müssen wieder lernen, Gegenargumente wahrzunehmen, ohne sie moralisch zu bewerten und die betreffenden Personen zu brandmarken. Wir müssen verhindern, dass sich die Menschen im Lande wegen der Diskursverengung radikalisieren. Wir sollten jetzt auf alle zugehen, egal, wen sie zerstückeln wollen! Denn was bietet sich in der Weihnachtszeit besser an, als mit seinen Mitmenschen ins Gespräch zu kommen, sich das Handy aus der Hand schlagen und durch gezielte Tritte das Jochbein brechen zu lassen?

Wie hat es der Pegida-Soziologe Werner Patzelt neulich so schön ausgedrückt: »Langfristig sollten wir alle zu einem entspannteren, vernünftigeren Umgang beim politischen Diskutieren kommen und nicht mehr unseren ganzen Ehrgeiz daransetzen, den anderen als möglichst schlimm und böse, idealerweise als Nazi darzustellen.«

Wohl war. Deshalb denken Sie immer daran: Fackelträger sind Menschen wie du und ich. Tragen wir durch unsere Gelassenheit dazu bei, dass Fackelmärsche wieder zu dem werden, was sie letztlich immer waren: ganz normale Fackelmärsche. Und ein letzter Satz, der in einer solchen Betrachtung nicht fehlen darf: Die radikalen Linken sind mindestens genauso schlimm.

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