Verschwurbelt und selbstgerecht

Franco A. schwingt große Reden, wird einer Gefängnisstrafe aber wohl kaum noch entgehen können.

  • Joachim F. Tornau
  • Lesedauer: 5 Min.

Als Franco A. wieder einmal das große Wort ergreift, stützt Staatsanwalt Hendrik Buskohl den Kopf auf die Hand und sieht plötzlich sehr müde aus. Später sinkt dem Vertreter der Bundesanwaltschaft der Kopf sogar auf die verschränkten Arme. Man kann das verstehen: Wann immer der terrorverdächtige Bundeswehroffizier in seinem Prozess vor dem Frankfurter Oberlandesgericht zu Verteidigungsreden anhebt oder, wie jetzt, zu Zeugenbefragungen, die er ganz offensichtlich besser zu beherrschen glaubt als seine Anwälte, dann wird es anstrengend. Weitschweifig, verschwurbelt, selbstgerecht. Und fast durchweg frei von konkreten Antworten auf konkrete Fragen.

Seit rund sieben Monaten wird gegen den 32-Jährigen verhandelt, zur Last gelegt wird ihm unter anderem die Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat: Franco A. soll Mordanschläge auf prominente Feindbilder der deutschen Rechten geplant haben. Er soll sich dafür illegal mit Waffen und Munition ausgerüstet haben. Und er soll sich aufwendig eine Tarnidentität als syrischer Bürgerkriegsflüchtling »David Benjamin« aufgebaut haben, um den Verdacht nach einem Attentat auf Geflüchtete lenken zu können. So steht es in der Anklage.

Es ist ein zäher, ein mühsamer Prozess, nicht nur wegen des Angeklagten und seiner wortreichen Ablenkungsmanöver. Übertriebener Eifer lässt sich weder dem Staatsschutzsenat nachsagen, der jeden der mittlerweile 21 Verhandlungstage bereits vor dem Mittagessen enden ließ, noch der Bundesanwaltschaft, die ihre eigene Anklage nur mäßig engagiert vertritt. »Keine Fragen« lauten die Worte, die von Staatsanwalt Buskohl und seiner Kollegin Karin Weingast am häufigsten zu vernehmen sind. Genervte Langeweile, auch hier.

Ein Ende des Prozesses ist nicht absehbar. Und auch nicht, welches Urteil an diesem Ende stehen könnte. Handfeste Beweise, dass der aufstrebende Oberleutnant aus Offenbach tatsächlich rechte Attentate vorbereitet hat, wurden bislang nicht zu Tage gefördert, lediglich Indizien. Es gibt Schmierzettel, auf denen der Soldat neben Alltags-To-do-Listen auch kryptische Notizen etwa über die Grünen-Politikerin Claudia Roth, über eine Sprengung des Rothschild-Denkmals in Frankfurt oder über eine »Befreiungsaktion« für die notorische Shoah-Leugnerin Ursula Haverbeck-Wetzel festhielt. Es gibt Fotos, die er in der Tiefgarage der Amadeu Antonio Stiftung in Berlin gemacht hat, laut Anklage ein mögliches Anschlagsziel.

Und es gibt Sprachaufzeichnungen, die Franco A. mit seinem Handy gemacht hat und die nahelegen, dass er entgegen seinen Beteuerungen nicht nur ein rechtsextremes Weltbild hat, sondern auch über politische Gewalt zumindest nachdachte. »Gewalt ist eine Option, Gewalt muss eine Option sein«, verkündet er da zum Beispiel. »Scheuen wir uns nicht zu töten.« Ob diese Indizien dem Gericht für eine Verurteilung wegen Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat reichen werden, sechs Monate bis zehn Jahre Haft stehen darauf, ist offen.

Franco A. bestreitet den Vorwurf vehement. Seine Zweitidentität als geflüchteter Syrer erklärt er mit einer privaten Undercover-Recherche über die deutsche Flüchtlingspolitik. Tagebuchartige Videos, die er anfangs aufnahm, scheinen das zu bestätigen. Doch warum er sein Doppelleben mehr als ein Jahr lang aufrechterhielt, das vermag er nicht schlüssig zu erklären. Vielleicht, weil ihm irgendwann einfiel, wofür sich eine solche Tarnidentität noch nutzen ließe?

Zugegeben hat der Angeklagte, dass er ein G-3-Sturmgewehr, eine Browning-Pistole und ein weiteres halbautomatisches Gewehr ohne Erlaubnis besessen hat. Außerdem mehr als tausend Schuss Munition, darunter rund 170 Patronen, die unter das Kriegswaffenkontrollgesetz fallen. Allein für den Verstoß gegen dieses Gesetz drohen dem Angeklagten ein bis fünf Jahre Gefängnis. Für die Waffen sind es jeweils mindestens sechs Monate.

Als erwiesen kann zudem gelten, dass Franco A. durch sein Doppelleben als »David Benjamin« zu Unrecht rund 10 000 Euro an Sozialleistungen bezogen hat. Auch wenn er das Geld weitgehend zurückgezahlt hat, bleibt das strafrechtlich ein Betrug. Strafmaß: bis zu fünf Jahre Haft. Nun werden Einzelstrafen im deutschen Strafrecht, anders als in den USA, nicht einfach addiert. Doch dass Franco A. der Gang ins Gefängnis erspart bleiben könnte, sollte ihm der Hauptvorwurf der Planung rechter Anschläge nicht nachgewiesen werden können, ist eher unwahrscheinlich. Nicht zuletzt wegen seines Aussageverhaltens.

Franco A. sagt nicht, von wem er die Waffen bekommen hat. Er sagt nicht, wo sie heute sind. Und ebenso wenig will er verraten, wie er an die überwiegend aus Bundeswehrbeständen stammende Munition gekommen ist. Ob er sie selbst entwendet hat oder ob ihm jemand geholfen hat. Mithin: Er mauert, um andere zu schützen. Einer milden Strafe ist das in der Regel nicht zuträglich. Mehrfach hat ihn das Gericht aufgefordert, endlich auszupacken, zu seinem eigenen Wohl. Aber Franco A. schweigt weiter, in Treue fest.

Und er beharrt auf einer Lüge, die bereits widerlegt wurde: dass er eine Pistole, die er Anfang 2017 auf dem Wiener Flughafen versteckte, am Abend zuvor zufällig beim Pinkeln in einem Gebüsch gefunden, eingesteckt und dann bis kurz vor der Sicherheitskontrolle vergessen habe. Eine DNA-Untersuchung ergab, dass Franco A. seine Spuren auch im Inneren der Waffe hinterlassen hatte, in hoher Dichte. »Dort können sie nicht einfach hingreifen«, sagte ein österreichischer Ermittler. »Nur, wenn man die Waffe auseinandernimmt.« Mit anderen Worten: Franco A. hat mit der Pistole nicht nur einmal und nicht nur zufällig hantiert.

Was er wirklich vorhatte mit dieser Waffe, warum er sie just am Tag des von der rechten FPÖ veranstalteten und von linken Protesten begleiteten Akademikerballs aus dem Versteck holen wollte - auch dazu sagt Franco A. nichts. Stattdessen erzählt er seine Geschichte vom Waffenfund beim Pinkeln so schillernd und detailreich, als hätte er sie wirklich erlebt. Das dürfte eigentlich bloß einen Schluss zulassen: Wer so zu lügen vermag, dem ist auch sonst nur schwer zu glauben.

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