Außer Rand und Band

Was tun, wenn dank stockender Lieferketten das Weihnachts-Paket nicht rechtzeitig geliefert wird? Geschichten aus der nd-Redaktion

  • Lesedauer: 13 Min.

Der Riss

WARNUNG steht in riesigen Buchstaben auf dem Aushang im Hausflur, in dem ein Bewohner oder eine Bewohnerin zu Protokoll gibt, dass in der Vergangenheit immer wieder bestellte Ware verschüttgegangen sei. Nun sei ein Paket zwar angekommen, aber aufgerissen worden. »Da wurde jetzt eindeutig eine Grenze überschritten. Das ist eine Straftat. Beim nächsten Mal bringe ich das Ganze zur Anzeige«, schreibt die anonyme Person an die »lieben Nachbarn« und schließt mit den Worten: »Ich möchte euch hiermit warnen und dem Täter sagen: du stehst unter Beobachtung.«

Spaß und Verantwortung

Olga Hohmann versteht nicht, was Arbeit ist und versucht, es täglich herauszufinden. In ihrem ortlosen Office sitzend, erkundet sie ihre Biografie und amüsiert sich über die eigenen Neurosen. dasnd.de/hohmann

Man könnte jetzt leicht gereizt fragen: Woher willst du wissen, wo und wie sich die Verpackung den Riss zugezogen hat? Vielleicht ist irgendwo ein Missgeschick passiert. Überhaupt: Lass doch deine Pakete in den 160 Schritte entfernten Shop liefern anstatt hier schlechte Laune zu verbreiten! Aber lassen wir das.

Interessant ist, dass die Person die verschwundenen Bestellungen nur nebenbei erwähnt und ausrastet, als ein Paket zwar beschädigt ist, aber angekommen ist. Die mitveröffentlichten Beweisfotos deuten klar darauf hin, dass sich die Ware noch in der Verpackung befand. Man könnte also froh sein, dass das gewünschte Produkt trotz Rohstoffmangel hergestellt wurde und auf seiner Reise nach Berlin nicht im Suezkanal steckengeblieben ist. Vielleicht ist der Wutausbruch in Gestalt des Aushangs eine Art Übersprungshandlung: Beim Blick auf den lädierten Karton ist der Person schlagartig klargeworden, dass noch mehr Zeug, und sei es noch so edel, auch nicht glücklich macht. Da ist ja was dran. Gerade an Weihnachten.

Wir erinnern uns an eine Bibelstelle, in der – etwas abgewandelt – steht: Und wenn ich alle Produkte besäße, die es bei Amazon gibt, hätte aber der Liebe nicht, wäre ich eine lärmende Pauke. Wir wünschen liebevolle Festtage. Eva Roth

Von Athen bis Feucht

Probleme mit Paketlieferungen sind lehrreich: Bleibt eine Sendung entlang der langen Kette aus Logistikzentren hängen, lernen Empfänger*innen Orte kennen, die in keiner Geografiestunde auf diesem Planeten relevant wären. Meine unfreiwillige Neuentdeckung auf der Landkarte trägt den Namen Feucht. Das klingt zwar nach dem hinterletzten Winkel am Rande irgendeiner Provinz, ist in Wahrheit aber eine kleine mittelfränkische Gemeinde direkt vor den Toren Nürnbergs. Laut Lobpreisung der lokalen Industrie- und Handelskammer beherbergt Feucht das »schnellste Paketzentrum Deutschlands«. Behauptet zumindest jener Mensch auf der IHK-Website, der den Laden im Auftrag von DHL schmeißt. Was er selbstlobend nicht erwähnt: Feucht kann unzuverlässig sein. Sehr unzuverlässig. Zumindest wenn es um meine Warensendung aus Griechenland geht.

Dem »schnellsten Paketzentrum Deutschlands« gelang es vor wenigen Jahren, das gleiche Päckchen aus Athen drei Mal hintereinander nicht an seinen Bestimmungsort Berlin, dafür aber auf mehrere Europareisen zu schicken. Nach fünf Monaten ging es unauffindbar mutmaßlich im mittelfränkischen Nirgendwo verschollen. Inhalt: die Schallplatte einer norwegischen instrumentalen Black-Metal-Band. Erstpressung, geringe Stückzahl, schwer zu bekommen, offiziell längst vergriffen. Für Nerds wie mich, die musikalisch auf absolute Subnischengenres stehen, ein materialisierter Sammlertraum. Dieser platzte, weil in Feucht vielleicht schnell, aber in meinem Fall offenbar fehlerhaft gearbeitet wurde.

Traurige Pointe: Als das Vinyl im zweiten Versuch nach vielen Wochen wieder beim inzwischen ebenso entnervten Händler in Athen landete, wäre es am Ende billiger gewesen, die Schallplatte persönlich abzuholen. Pakete aus Griechenland nach Deutschland sind teuer, ein Hin- und Rückflug mit einem Billigflieger dagegen erschreckend günstig. Weil solchen Wahnsinn in Zeiten der Klimakrise aber kein noch so begehrtes Liebhaberstück rechtfertigt, bekam der Händler den Auftrag: Schick die Platte bitte ein drittes Mal auf Reisen. Sie kam nie an. Robert D. Meyer

Ein Klavier, ein Klavier

Erinnern Sie sich an den Loriot-Sketch mit dem Klavier-Geschenk von Mutter Panislowski aus Massachusetts? Der Sohn möchte den Moment der Anlieferung per Videokamera festhalten und studiert mit Frau, Kindern und Möbelpackern einen Text ein, der mit dem Satz endet: »Ein Klavier, ein Klavier – Mutter, wir danken dir!« Natürlich geht ständig etwas schief, und die Szene muss immer neu gedreht werden, bis alle genervt sind. Wir dagegen hätten Zeit gehabt, einen solchen Dreh bis ins kleinste Detail vorzubereiten. Ungeahnt viel Zeit sogar.

Los ging es im August 2020, es war der erste Corona-Sommer. Meine Tochter wollte sich ihren lang gehegten Wunsch erfüllen, das alte Keyboard der Firma Y. (Name ist der Redaktion bekannt) mit seinem zunehmend nervenden Synthetikklang durch ein digitales Piano der Firma Y. mit echtem Klaviersound zu ersetzen. Beim Gang ins Klavierstudio war schnell klar, welches Modell es sein musste, denn der Klang war einfach umwerfend. Bei der Bestellung hatten wir Bedenken, dass es viel zu früh geliefert würde – da Eltern und Verwandte es mitfinanzierten, sollte es als Weihnachtsgeschenk zum Fest bei uns sein. Der Klavierhändler beruhigte uns: Mit zwei, drei Monaten müsse man rechnen, bis wieder ein Container aus Fernost ankomme.

Unsere Bedenken erwiesen sich tatsächlich als unbegründet. Es wurde November, nichts tat sich. Es wurde Dezember, nichts tat sich. Der Klavierhändler sagte, es sei nicht absehbar, wann mit der Ankunft zu rechnen sei. Ein Blick ins Internet verriet, dass das gute Stück nirgends in Deutschland lieferbar war. Weihnachten in großem Stil fiel ohnehin flach. Im Frühjahr wollten wir es dann doch mal genauer vom Klavierexperten wissen. Angeblich würden sich große Branchen wegen des Booms nach dem Lockdown wichtige Vorprodukte unter den Nagel reißen, so dass die wirtschaftlich unbedeutende Klavierbranche in die Röhre schaue. Später teilte er uns mit, er habe gehört, ein Zulieferbetrieb sei abgebrannt. Wirklich aufgelöst wurde das Mysterium nie: Irgendwie ist es aber beruhigend, dass die Globalisierung mit ihren ständig verfügbaren Daten in Echtzeit auch ihre Geheimnisse hat.

Dann wurde es Sommer, die zurückgewonnenen Freizeitmöglichkeiten brachten uns auf andere Gedanken. Ein Leben ohne Klavier schien genauso gut wie eines mit Klavier. Als im August 2021 der Anruf kam, die Ware sei da und könne morgen geliefert werden, dachten wir erst an einen Betrügeranruf, bevor der Groschen fiel. Den Termin mussten wir erstmal verschieben, bis die stolze Klavierbesitzerin Zeit hatte und im etwas chaotischen Zimmer Platz schuf.

Der Rest war völlig unspektakulär. Lieferung, Aufbau, erste Musikübungen. Die Vorfreude war irgendwann verloren gegangen. An einen Videodreh der Anlieferung für die Verwandtschaftssponsoren dachte ebenfalls niemand mehr. Und dann war auch das Besorgen der höhenverstellbaren Klavierbank in Vergessenheit geraten, wie bei Loriot. Wir haben sie neulich bestellt – als Weihnachtsgeschenk 2022 oder 2023. Kurt Stenger

Rarität

Ich mache keine Geschenke. Jedes Jahr sage ich das Anfang Dezember und mache mir weiter keine Gedanken. Doch dann rückt Weihnachten näher. Ich reagiere gut auf Erwartungsdruck und mit jeder Freundin, die ihre Weihnachtseinkäufe erwähnt, werde ich unsicherer. Sollte ich nicht doch etwas verschenken? Zumindest meine kleine Nichte sollte doch wohl etwas bekommen? Und dann ist sie da, die Lieferspirale. Denn wenn erst einmal sie etwas bekommt, dann ist es ja auch irgendwie nicht schön, wenn die anderen ... Sie wissen schon.

Geschenke sind eine heikle Sache. In meiner Familie sind wir zu ehrlich für Geschenke oder zu unterschiedlich oder eine ungute Kombination aus beidem. Im Teenageralter bekam ich einmal einen Discman geschenkt, war aber unzufrieden damit und machte daraus keinen Hehl. Was mir nicht passte, weiß ich nicht mehr. Seither bekomme ich nur noch Geld. Doch nicht nur ich bin schlecht darin, die erwartete, beziehungsweise angemessene, Reaktion zu zeigen. Eines Winters machte ich mir die Mühe, eine Mütze für meinen Vater zu häkeln. Die Wolle war blau (männlich genug), warm (praktisch genug) und sie reflektierte (mehr als man erwarten kann). Aber: Ihm gefiel die Farbe nicht, und das sagte er mir unverblümt ins Gesicht. Ich muss zugeben, vielleicht war es nicht einfach blau, sondern eher türkis. Seither nahm ich mir vor, meinem Vater nichts mehr zu schenken, auch kein Geld. Ein anderes Mal wichtelten wir per Zufallsprinzip und auch hier: Mein Vater würfelte so lange, bis sein eigenes Päckchen wieder vor ihm stand.

Mein Vater schenkt nichts und will nichts geschenkt. Das einzige, was ich je von ihm persönlich geschenkt bekommen habe – abgesehen von selbstgeernteten Erdbeeren und Tomaten – ist ein roter Stein, den er auf dem Acker aufgelesen hatte. Und darüber habe ich mich wirklich sehr gefreut. Also merken Sie sich: Schenken Sie einfach nichts und über die Jahre freuen sich die Menschen über die kleinsten Kleinigkeiten. So können Ihnen auch Lieferschwierigkeiten nicht das Geringste anhaben. Ulrike Wagener

Kein Ofen, viele Kekse

Die alljährliche Kleckerei in der Weihnachtsbäckerei machte bei mir dieses Jahr eine Pause. Wenn auch nicht ganz überraschend, fing plötzlich mein Backofen mit Baujahr 1986 im September an zu stinken und ging schließlich gar nicht mehr an. Nur das Gas der Einbaukombinationen aus Elektro-Ofen und Gasherd floss wie gewöhnlich. Es war der Beginn einer Tortur, die mich hoffen lässt, so bald erst mal keinen Backofen mehr kaufen zu müssen.

Zunächst konnte ich mir aus dem heutzutage überschaubaren Angebot an diesen Kombinationen ein Gerät aussuchen und hatte sogar Glück – es war vorrätig. Nur hielt das Glück nicht lange an. Nachdem der Handwerker die vielen Kilos in den dritten Stock geschleppt hatte, machte er mich auf ein viel schwererwiegendes Problem aufmerksam: meine Arbeitsplatte aus Stein. In diese müsste er zum Anbringen des Gasherds nämlich sechs Löcher bohren. Preis pro Loch: 60 Euro. Zudem könne er das eigentlich gar nicht. Das Gerät ging also zurück zum Händler und ich suchte mir ein neues aus. Nein, zwei neue, separate Geräte, deren Montage wohl anders funktioniert, so der Handwerker. Auf diese warte ich nun seit acht Wochen – dank der Lieferkettenprobleme.

Dem Keks-Konsum tat das allerdings keinen Abbruch, die Lieferketten der weihnachtswütigen Hobby-Bäcker*innen reißen wohl nie. Bei Adventstreffen und in Paketen wird man mit Vanillekipfel, Zimtsternen, Kokosmakronen und Mürbeteiggebäck überschüttet. Zudem ist die Vorweihnachtszeit die des fröhlichen Beisammenseins – ob mit Familie oder Freund*innen, und es wäre schon ein komischer Zufall, wenn niemand von denen einen funktionierenden Ofen hätte. So kam ich Anfang Dezember zum Backen köstlicher Toffee-Kekse und zu einer Erkenntnis: Ein Leben ohne Backofen, zumindest eine Zeit lang, ist nicht so problematisch, wie anfangs gedacht. Und die wirklich wichtigen Lieferketten sind derzeit auch ganz andere: die der Corona-Impfstoffe. Birthe Berghöfer

Die Havanna-Krise

Für Zigarrenraucher war es eine Hiobsbotschaft. Man habe aufgelistet, welche der begehrten Havannas noch vorrätig seien, schrieb ein großer deutscher Zigarren-Onlineshop an seine Kunden. Und was die Inventur ergab, war enttäuschend: Von fast 300 kubanischen Zigarrensorten waren eine Woche vor Weihnachten nur noch 52 verfügbar. In hiesigen Zigarrenläden herrschen quasi Verhältnisse wie in einem kubanischen Kaufhaus.

Dass die Tabak-Lieferkette gestört ist, ist schon seit Längerem bekannt. Doch nun spitzt sich die Lage zu. Was soll Alt-Kanzler Gerhard Schröder an Silvester rauchen?
Aficionados, wie sich Zigarrenliebhaber*innen selbst nennen, fachsimpeln schon seit einiger Zeit, wer schuld am Schlamassel ist, wer das Produkt von der sozialistischen Karibikinsel, das die Herzen genussverliebter Kapitalisten höher schlagen lässt, so verknappt. Je nach ideologischem Standpunkt gibt es unterschiedliche Erklärungen. Die einen machen einen neuen Typ von Raucher verantwortlich: den neureichen Chinesen, der kubanische Zigarren kauft wie deutsche Mittelständler. Andere schieben es schlicht auf die kubanische Planwirtschaft.

Dritte sagen, es sei wie bei anderen Lieferketten auch: Corona. Außerdem mache das US-Embargo, das unter Donald Trump nochmal verschärft wurde, es dem sozialistischen Inselstaat wahnsinnig schwer, internationalen Handel zu treiben. Und, last but not least: Der deutsche Zigarrenraucher bunkere eben nicht nur Klopapier, sondern auch Montecristos und Cohibas.

Was auch immer stimmt, die Folgen bleiben, wie sie sind: Begehrte Havannas wurden bereits rationalisiert (maximal zwei pro Kunde) oder Ausschussware verkauft (Risse am Brandende). Vor allem aber sind die wirklich teuren Havannas restlos vergriffen; was noch verfügbar ist, ist Alltagsware für ein paar Euro pro Stück. Die Lieblingszigarre von Winston Churchill, die posthum nach ihm benannte Julieta No. 2 von Romeo y Julieta, ist nicht zu haben; seit Monaten weit und breit ausverkauft ist Fidel Castros legendäre Cohiba Lancero, ebenso die »Kanzlerzigarre«, Schröders geliebte Cohiba Esplendido.
Doch Normalverdienende treiben vermutlich andere Sorgen um als die Suche nach einem Statussymbol aus Kuba. Wer kann es sich schon leisten, 40 Euro einfach so in die Luft zu blasen? Simon Poelchau

Die Macht der Kette

Als Bewohner eines wohlhabenden Landes ist man es gewohnt, Güter aus der ganzen Welt zu beziehen, alles ist nur einen Mausklick entfernt, solange man bezahlen kann. Dieses Jahr jedoch warnte der Handelsverband vor Lieferengpässen, Bestelltes könnte eventuell nicht oder nur verzögert verfügbar sein. Ursache seien Probleme der globalen Lieferketten: Knappheit an Vorprodukten und Containervolumen. Die »Lieferkette« erscheint hier als das, was die Konsument*innen mit dem Weltmarkt verbindet, was Geschenkesuchenden also das Gewünschte liefert – mehr oder weniger verlässlich.

Etwas anders hätte wohl Karl Marx diesen Sachverhalt beschrieben. Eingestiegen wäre er vielleicht mit dem berühmten Satz aus dem Manifest der Kommunistischen Partei »Das Bedürfnis nach einem stets ausgedehnteren Absatz für ihre Produkte jagt die Bourgeoisie über die ganze Erdkugel.« Ihr geht es also um die Überwindung des Raums, wobei der Kapitalismus laut Marx die Räumlichkeit »auf ein bloß zeitliches Moment« reduziert. »Eine Entfernung ist für das Kapital nur deshalb von Bedeutung, weil es Zeit braucht, sie zu überwinden«, erklärt der dänische Sozialwissenschaftler Sören Mau in seinem Buch »Stummer Zwang«. Und diese Zeit ist durch technologische Fortschritte immer weiter reduziert und verbilligt worden.

Dem Kapital geht aber nicht nur um neue Absatzmärkte, so Mau, »sondern auch um die Eindämmung der Macht des Proletariats. Mit seiner zunehmenden Mobilität verbindet das Kapital zuvor getrennte Arbeitsmärkte und intensiviert damit die Konkurrenz unter den Arbeiterinnen, wodurch sie sich leichter disziplinieren lassen.« Intensiviert wird auch die Konkurrenz der Staaten, die mit niedrigen Steuern und Sozialkosten um Investorengelder werben. »Kurzum«, so Mau, »Mobilität ist Macht und Transport- und Kommunikationsmittel sind Waffen.« Das bestätigt auf ihre Weise auch die Deutsche Bank, wenn sie davon spricht, dass »die Globalisierung ganz klar disinflationäre Effekte auf die Beschaffungskosten und die inländischen Lohnkosten hatte«. Stephan Kaufmann

Kraft der zwei Herzen

Kann sich noch jemand an die DVD erinnern? Es noch gar nicht so lange her, da war sie das Medium der Wahl im Wohnzimmer. Ein bisschen wie Kino für zu Hause. DVDs waren auch gute Geschenke zum Geburtstag oder zu Weihnachten: Einzelfilme aus der »Cinemathek« der »Süddeutschen Zeitung« oder als Boxen mit wichtigen Filmregisseur*innen: Bergman, Tati, Capra, Sander-Brahms oder Varda. Nicht zu vergessen die ganzen alten oder auch ganz neuen Serien, die es als komplette Staffeln zu kaufen gab.

Ende der Nullerjahre schenkte mir meine Frau die »John Cassavetes-Collection« mit sechs Filmen. Einer der coolen Hollywood-Oppositionellen. Die »Collection« seiner Filme gibt es heute noch zu kaufen, kostet 200 Euro. Damals war sie wesentlich günstiger zu haben: für unter 50 Euro. Ich weiß das, weil ich sie ebenfalls gekauft hatte. Und so schenkten wir uns gegenseitig unter dem Weihnachtsbaum John Cassavetes. Das gab ein großes Hallo. Wir stellten die Boxen nebeneinander unter den Baum, machten ein Foto und verschickten es an Freunde, wahrscheinlich noch als MMS mit einem Spruch wie »Weihnachten kommt es raus: Das geheime Doppelleben des John Cassavetes« oder »Die Kraft der zwei Herzen« oder so etwas ähnliches. Von den sechs Filmen der »Collection« wurden nicht alle geschaut. Heute weiß ich schon nicht mehr, guckten wir »Faces« oder »Shadows« oder beide?

Aber ich weiß noch, wie wir eine Woche später zu Silvester bei meiner Exfreundin und deren Ehemann eingeladen waren. Da wurde der Weihnachtsbaum wieder eingeschaltet und es gab Geschenke, aus alter Tradition. Meine Frau und ich überreichten eine der beiden Cassavetes-Boxen, frisch eingepackt. Und dann passierte etwas merkwürdiges: Der Ehemann jubilierte: »Ah, super, Cassavetes!« Und er bedankte sich überschwänglich bei der Ehefrau, weil er glaubte, jetzt habe sie endlich erkannt, was er zu Weihnachten wollte. John Cassavetes ist immer noch eine Macht. Christof Meueler

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