Linkes Dreierlei: bewegen, regieren und helfen

Sich auf das bewegungsaffine Milieu zu verengen, ist keine Perspektive für die Linkspartei

  • Alexander King
  • Lesedauer: 4 Min.

Die Berliner Linke hat Ja gesagt zur Koalition mit SPD und Grünen. Es ist gut, dass die Zustimmung deutlicher ausgefallen ist, als viele erwartet hatten. Die Abgeordneten und Senatsmitglieder der Linken werden den Rückhalt ihrer Genossen benötigen in der Auseinandersetzung um strittige, aber notwendige Weichenstellungen.

Wenn wir wollen, dass die S-Bahn wirklich kommunalisiert wird, wie im Koalitionsvertrag vorgesehen ist, müssen wir dafür sorgen, dass Betrieb und Instandhaltung nicht im Zuge des aktuellen Ausschreibungsverfahrens an private Konzerne vergeben werden. Wenn wir Deutsche Wohnen & Co. enteignen wollen, wie es uns die Berliner im Volksentscheid aufgetragen haben, müssen wir das verabredete Verfahren auch gegen den Widerstand der Koalitionspartner durchsetzen. Das wird schwer genug. Für beides brauchen wir den Druck der Straße.

Der Autor
Alexander King ist seit der jüngsten Wahl Mitglied der Linke-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus. Von 2016 bis 2021 war er Bezirksvorsitzender der Linken Tempelhof-Schöneberg.

Die Linkspartei in Berlin ist als Partnerin von Initiativen und Bewegungen anerkannt. Das ist wichtig, denn Fortschritt wird oft von ihnen angestoßen und vorangetrieben. Aber damit er politische Realität werden kann, ist es hilfreich, wenn die Partei auch Teil der parlamentarischen Mehrheit ist – und damit des Senats. Und noch etwas anderes muss Die Linke sein: ansprechbar auch dort, wo (noch) keine Bewegung ist. Deshalb ging es in der Abstimmung über die Senatsbeteiligung auch darum, was für eine Partei die Linke sein und für wen sie da sein will. Hätte sich die Linkspartei gegen die Senatsbeteiligung entschieden, hätten uns vielleicht einige Aktivisten zugesprochen. Aber die meisten Wähler hätten dafür kein Verständnis gehabt.

Es ist ein Problem, wenn sich politischen Akteure des Mitte-Links-Spektrums (und zunehmend auch Die Linke) strategisch immer stärker an den Interessen und Handlungsoptionen eines bestimmten Milieus ausrichten. Die Ergebnisse dieser Entwicklung sehen wir bereits: Wir freuen uns über den wachsenden Zuspruch unter Bewohnern des innenstadtnahen Altbaugürtels, unter Jungen und akademisch Gebildeten, unter den Hochpolitisierten und gut Informierten, die für Bewegungen, Initiativen, Projekte und Demos mobilisierbar sind. Und auch ich finde es gut, dass wir hier immer mehr Mitstreiter finden.

Aber die Kehrseite sieht so aus: Wir verlieren in den Außenbezirken (in Ost und West), unter Arbeitern, unter Menschen mit formal niedriger Bildung. In dem Maße, in dem sich Die Linke als Bewegungspartei versteht und wir Regierungspolitik und Parlamentarismus zugunsten von Aktivismus hintanstellen, wird sich diese milieumäßige Verengung weiter zuspitzen. Das mag dort eine verlockende Strategie sein, wo das dazu passende Milieu stark verankert ist. In meinem Bezirk Tempelhof-Schöneberg, in dem 60 Prozent der Wähler außerhalb des S-Bahn-Rings leben und das neue urbane Milieu nicht so verbreitet ist, ist das keine Option. Im Wahlkampf hatte sich mein Bezirksverband einen Slogan der KPÖ Graz ausgeliehen: Helfen statt reden. Das kann auch heißen: helfen, eine Demo anzumelden. Aber nicht nur. Wir brauchen alle Einflussmöglichkeiten, um möglichst vielen helfen zu können.

Berufstätige Familienväter und -mütter haben zwischen Büro oder Fabrik, Stau auf dem Tempelhofer Damm, Wochenendeinkauf und Kinderbetreuung wenig Zeit oder Lust, eine Bewegung auf die Füße zu stellen. Auf vielen Webseiten der Linken finden sie Fotos von jungen Menschen auf Demos, mit Transparenten und Hochhalteschildern. Und Videos, in denen sie dazu aufgefordert werden, auf die Straße zu gehen. Doch sie erwarten von der Linkspartei etwas anderes: konkrete Unterstützung und dass wir ihre Interessen in die Entscheidungsprozesse auf Bezirks- und Landesebene einspeisen.

Ohne Beteiligung an diesen Entscheidungsprozessen sind wir für die Leute nicht interessant. Das ist erst recht dort ein Problem, wo wir, wie in den meisten Westbezirken, auch nicht im Bezirksamt vertreten sind. Dazu kommt der Bedeutungsverlust auf Bundesebene nach der Bundestagswahl. Was bleibt: reden statt helfen. Dass wir mit reiner Bewegungsorientierung bei den Wahlen 2026 wieder zulegen könnten, halte ich für unwahrscheinlich. Ich glaube eher, dass uns viele Leute bis dahin dann gar nicht mehr auf dem Schirm haben würden.

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