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Die Richtung für Verbraucher stimmt
Viele Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung versprechen Vorteile für Verbraucher
Fast 100 verbraucherpolitische Vorhaben finden sich im Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung. »Das ist auch richtig so - denn ohne starke Verbraucherinnen und Verbraucher kann es keine starke Wirtschaft geben«, sagt dazu VZBV-Vorstand Klaus Müller. Allerdings mahnt er an, dass den Worten auch Taten folgen müssten: »Ankündigungen und Prüfaufträge allein lösen keine Probleme.«
Olga Hohmann versteht nicht, was Arbeit ist und versucht, es täglich herauszufinden. In ihrem ortlosen Office sitzend, erkundet sie ihre Biografie und amüsiert sich über die eigenen Neurosen. dasnd.de/hohmann
Zu den konkreten Versprechen der Koalitionäre gehören unter anderen ein Recht auf Reparatur und eine längere Gewährleistung für Produkte, die man lange benutzt. »Das spart Geld und ist ein Beitrag für mehr Klimaschutz«, sagt Müller. Gut sei auch, dass Verbraucherinnen und Verbraucher künftig leichter zu ihrem Recht kommen sollen, indem die EU-Verbandsklage verbraucherfreundlich umgesetzt und das wichtige Instrument der Musterfeststellungsklage reformiert werde.
Wichtig ist VZBV-Vorstand Müller jedoch zu betonen, dass die private Altersvorsorge dringend reformiert werden müsse. »Dass es hierzu eben nur Prüfaufträge im Koalitionsvertrag gibt, ist eine herbe Enttäuschung. Damit das Leben im Alter gesichert ist, müssen die Menschen ihr Geld sicher und rentabel anlegen können, am besten in einem öffentlich organisierten Fonds und nicht in unrentablen Versicherungen«, fordert Müller.
Dagegen finden das im Koalitionspapier angekündigte E-Rezept, die Kartenzahlung an E-Ladesäulen und der Arbeitgeberzuschuss zur Betriebsrente bei den Verbraucherschützern Anklang. Für gut befunden wird auch das geplante erweiterte Einwegpfand und dass es in Zukunft mehr Rückgabemöglichkeiten für Alt-Elektrogeräte geben soll. Der Anhebung des CO2-Preises zum Zwecke eines besseren Umweltschutzes steht der VZBV neutral gegenüber.
Der CO2-Preis steigt Anfang des neuen Jahres von 25 auf 30 Euro pro Tonne. Das verteuert Benzin um 1,5 Cent pro Liter, Heizöl und Diesel werden 1,6 Cent pro Liter teurer. Ebenfalls dem Umweltschutz soll die Ausweitung des Einwegpfands auf alle Getränkedosen und PET-Flaschen dienen. Die Ausnahmen für bestimmte Getränke fallen ab 1. Januar 2022 weg. Spätestens ab Juli 2022 können außerdem Alt-Elektrogeräte unter bestimmten Bedingungen auch in Supermärkten und Discountern zurückgegeben werden.
Dass im kommenden Jahr aber eben auch manches teurer wird beziehungsweise Preise bereits angehoben worden sind, ist dem Verbraucherzentrale Bundesverband dann doch ein Dorn im Auge. Neben der angekündigten Erhöhung des Spritpreises soll auch das Briefporto mal wieder teurer werden. Und die Bahn hat ihre Ticketpreise bereits am 12. Dezember erhöht. Vor diesem Schritt warnte der VZBV: »Wer an den Preisen dreht, stärkt den Autoverkehr, aber nicht das Klima. Was gebraucht wird, sind innovative Mobilitätslösungen.« Dass die neue Bundesregierung der Erhöhung der Fahrpreise bei der Bahn nicht entgegengewirkt hat, könne als eine ihrer ersten Schlappen betrachtet werden. »Nachhaltige Mobilität ist ein Schlüssel zu mehr Klimaschutz. Gleichzeitig ist Mobilität Teil der Daseinsvorsorge. Sie ist Voraussetzung für gleichwertige Lebensverhältnisse und muss bezahlbar sein«, fasst Müller Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit zusammen.
Die Preissteigerungen der Deutschen Bahn zum Fahrplanwechsel Mitte Dezember sowie die angekündigten Tariferhöhungen im Nahverkehr machen deren Nutzung nicht nur teurer, sondern erschweren für viele auch den Umstieg auf öffentliche Verkehrsmittel. Aus Verbrauchersicht müssen Orte gut erreichbar sein, die für das soziale und wirtschaftliche Leben wichtig sind. Dafür sollten laut VZBV Fahrgast- und Verbraucherverbände ebenso wie Bund, Länder und Kommunen an Verhandlungen beteiligt werden.
In einigen Punkten profitieren Verbraucher und Verbraucherinnen nach Meinung des VZBV aber auch von neuen Gesetzen und Regelungen, die zu Anfang oder im Laufe des kommenden Jahres in Kraft treten - wie zum Beispiel von den sinkenden Hürden für Kündigungen bei Vertragsabschlüssen. Konkret gelten beispielsweise für Verträge, die ab dem 1. März 2022 geschlossen werden, kürzere Kündigungsfristen. Zusätzlich können Verbraucher nach der Mindestvertragslaufzeit innerhalb von einem Monat kündigen und sind etwa bei Handy- oder Energieverträgen nicht automatisch für ein weiteres Jahr gebunden. Außerdem müssen Anbieter, die den Abschluss von Laufzeitverträgen über ihre Homepage anbieten, ab 1. Juli 2022 auch einen Kündigungsbutton auf ihren Webseiten einrichten. So sollen online abgeschlossene Verträge, wie zum Beispiel eine Mitgliedschaft im Fitnessstudio oder ein Zeitschriften-Abo, schneller und leichter gekündigt werden können.
Ebenfalls positiv bewerten die Verbraucherschützer den Arbeitgeberzuschuss zur betrieblichen Altersvorsorge, etwa bei der Entgeltumwandlung für alle Verträge - bisher galt die Zuschusspflicht nur für Neuverträge, jetzt auch für Bestandsverträge. Zudem wird der Pfändungsschutz ab Januar verbessert. Nun muss nicht nur der Bedarf der Schuldner und Schuldnerinnen und deren Familien berücksichtigt werden, sondern auch der anderer Personen, die mit im Haushalt wohnen.
Damit die wichtigsten Probleme von Verbrauchern auch tatsächlich schnell gelöst werden, schlägt der VZBV ein Programm für die ersten 100 Tage der neuen Bundesregierung vor. »Die extrem hohen Energiepreise erfordern ein sofortiges Handeln«, nennt VZBV-Vorstand Müller einen der wichtigsten Punkte. Zudem würden für mehr Klimaschutz zügig kluge Ideen für einen attraktiven öffentlichen Nahverkehr gebraucht, nennt er einen weiteren. »Verbraucherinnen und Verbraucher erwarten zu Recht von der neuen Bundesregierung, dass sie Alltagsprobleme schnell angeht und konkrete Lösungen anbietet. Als Verbraucherschützer werden wir genau hinschauen, wie das gelingt«, betont Müller.
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