Ab Juli 2022 voraussichtlich ein Plus - aber mit Bremse
Rund um die Rente
Gute Nachrichten für die rund 21 Millionen Rentner*innen: Ab 1. Juli 2022 sollen die Renten voraussichtlich im Osten um 5,3 Prozent und im Westen um 4,6 Prozent steigen. Die Rentenerhöhung fällt damit 0,8 Prozentpunkte niedriger aus als nach dem Rentenversicherungsbericht erwartet. Dort wurden Erhöhungen von 5,9 (Ost) und 5,2 (West) Prozentpunkten prognostiziert.
Grund dafür ist die Wiedereinführung des Nachholfaktors. Dieser sorgt dafür, dass bei sinkenden Löhnen in einer Krise die Renten nicht gekürzt werden müssen. Steigen die Löhne wieder, soll der Nachholfaktor sicherstellen, dass die nicht umgesetzte Rentenkürzung rechnerisch ausgeglichen wird. Der Nachholfaktor war 2008 zum Ausgleich für die Rentengarantie eingeführt, aber 2018 ausgesetzt worden.
Die Anpassung gilt für alle Altersrenten, für Erwerbsminderungs- und Hinterbliebenenrenten, für gesetzliche Unfallrenten sowie für die Renten der Landwirte aus der landwirtschaftlichen Rentenkasse. Die endgültige Entscheidung über das Rentenplus fällt im nächsten Frühjahr, wenn die genauen Zahlen der Lohnstatistik vorliegen.
Rentenwert von Ost und West wird angepasst
Ab 1. Juli 2022 wird der nächste Schritt gemacht, um den Rentenwert Ost an den im Westen geltenden Rentenwert anzugleichen: Von derzeit 97,9 Prozent steigt der Ost-Rentenwert dann auf 98,6 Prozent des Westwerts. Jeweils zum 1. Juli der Folgejahre wird er dann weiter um jeweils 0,7 Prozentpunkte angepasst, bis 2024 die Rente in allen Bundesländern einheitlich berechnet wird. So sieht es das Rentenüberleitungs-Abschlussgesetz vor, das zum 1. Juli 2018 den ersten Schritt zur Anpassung eingeläutet hatte.
Im Gegenzug soll die jetzige höhere Bewertung der Löhne für die Rentenberechnung im Osten - ebenfalls in sieben Schritten - abgesenkt werden. Mit dieser höheren Bewertung wird derzeit bei der Berechnung der Renten ein Ausgleich dafür geschaffen, dass die Ostlöhne im Schnitt niedriger sind.
Der aktuelle Rentenwert bestimmt, wie viel monatliche Rente Versicherte erhalten, wenn sie für ein Kalenderjahr Beiträge aufgrund des Durchschnittseinkommens zahlen. Das heißt: Der aktuelle Rentenwert ist der in Euro ausgedrückte Wert eines Entgeltpunktes in der gesetzlichen Rentenversicherung. Zurzeit sind das 34,19 Euro im Westen und 33,47 Euro im Osten. Um die Rentner regelmäßig an der Lohnentwicklung in Deutschland zu beteiligen, wird der aktuelle Rentenwert zum 1. Juli eines jeden Jahres entsprechend angepasst. Da die Durchschnittseinkommen im Osten bislang unter denen im Westen liegen, gibt es derzeit noch den aktuellen Rentenwert (Ost), der gemäß der Lohnentwicklung in Ostdeutschland angeglichen wird.
Für Frührentner weiterhin höherer Hinzuverdienst
Knappes Personal in systemrelevanten Berufen, Engpässe wegen Erkrankungen oder Quarantäneanordnungen aufgrund der Corona-Pandemie: Mit einer befristeten Anhebung der Hinzuverdienstgrenze für Rentner, die ihr reguläres Rentenalter noch nicht erreicht haben, hatte der Gesetzgeber Anreize fürs Weiterarbeiten oder die Wiederaufnahme der Arbeit gesetzt. Statt 6300 Euro durften sie im Jahr 2021 46 060 Euro hinzuverdienen. Diese Sonderregelung, die ursprünglich Ende 2021 auslaufen sollte, hat der Bundestag jetzt bis Ende 2022 verlängert. Das bedeutet: Frührentner dürfen weiterhin 46 060 Euro hinzuverdienen, ohne dass ihre vorgezogene Altersrente gekürzt wird.
Sowohl Altersrentner, die neu in Rente gehen, als auch diejenigen, die bereits länger eine vorgezogene Altersrente erhalten, können mehr verdienen, ohne sich um eine Kürzung der Rente sorgen zu müssen.
Wer nach dem Erreichen der Regelaltersgrenze in Rente geht (aktuell: mit 65 Jahren und 9 Monaten für Jahrgang 1955), darf seinen Verdienst ohne Rentenabzüge behalten.Mit dem regulären Hinzuverdienstdeckel will der Gesetzgeber verhindern, dass die Summe aus Frührente und Hinzuverdienst höher als das jeweils höchste Einkommen aus den letzten Jahren ausfällt. In den Jahren der Sonderregelung, also 2020, 2021 und nun auch 2022, ist dies jedoch möglich.
Keine Änderungen gibt es hingegen bei den Hinzuverdienstregelungen für Erwerbsminderungsrenten oder bei der Anrechnung von Einkommen auf Hinterbliebenenrenten.
Steuersätze: Einkommensgrenzen steigen
Die Einkommensgrenzen für alle Steuersätze steigen im nächsten Jahr um 1,17 Prozent. Damit wird die Inflationsrate des Jahres 2021 quasi in den Steuertarif eingepreist. Mit dieser Rechtsverschiebung des Einkommensteuertarifs, die allen Steuerzahlern zugutekommt, soll der Effekt der sogenannten »kalten Progression« ausgeglichen werden. Diese würde ansonsten bewirken, dass Lohn- und Gehaltssteigerungen in Verbindung mit der Inflation zumindest teilweise durch eine höhere Steuerbelastung aufgezehrt würden.
Grundfreibetrag: Mehr Einkommen steuerfrei
Der Grundfreibetrag in der Einkommensteuer steigt 2022 für Ledige auf 9984 Euro - das ist ein Plus von 240 Euro gegenüber 2021 (9744 Euro). Verheirateten stehen 19 968 Euro zu (2021: 19 488 Euro), 480 Euro mehr.
Der Grundfreibetrag bezeichnet den Betrag, bis zu dem das Einkommen Lediger oder gemeinsam veranlagter Ehepartner steuerfrei bleibt. Dieses Existenzminimum wird also steuerlich nicht angetastet. Damit haben Arbeitnehmer etwas mehr Geld, da der Fiskus ab Januar 2022 erst bei Einkommen über dem neuen Grundfreibetrag Steuern abzieht.
Im selben Umfang erhöhen sich die Beiträge, bis zu denen Steuerzahler Unterhalt für nahe Angehörige als außergewöhnliche Belastungen abziehen können. Maximal 9984 Euro sind da ab 2022 (2021: 9744 Euro) drin.
Durch die Verschiebung der Eckwerte des Einkommensteuertarifs nach rechts ist beispielsweise auch der Höchstsatz von 45 Prozent erst ab einem zu versteuernden Einkommen von 277 826 Euro im Veranlagungszeitraum 2022 zu zahlen (2021: 274 613 Euro).
Der Spitzensteuersatz von aktuell 42 Prozent greift 2022 ab einem jährlich zu versteuernden Einkommen von 58 597 Euro (2021: 57 919 Euro). Der Spitzensteuersatz ist in dieser Höhe pro hinzuverdientem Euro zu zahlen. Zusammenveranlagte Ehegatten haben für das gemeinsame Einkommen die doppelten Einkommensgrenzen.
Unverändert bleibt hingegen der steuerliche Kinderfreibetrag, der das Existenzminimum des Kindes sichert: Dieser beträgt weiterhin 8388 Euro (je Kind für beide Elternteile). Der Kinderfreibetrag setzt sich zusammen aus 2928 Euro für den Betreuungs-, Erziehungs- und Ausbildungsbedarf sowie 5460 Euro für das sächliche Existenzminimum des Kindes.
Das Finanzamt rechnet aus, ob das Existenzminimum des Kindes durch das Kindergeld bereits gedeckt oder ob der Kinderfreibetrag für die Eltern günstiger ist. In diesem Fall wird der Kinderfreibetrag dann automatisch im Einkommensteuerbescheid berücksichtigt und das Kindergeld quasi als Vorauszahlung betrachtet. Vor allem bei höheren Einkommen ist die Steuerersparnis durch den Kinderfreibetrag meist höher.
Plus und Minus bei Renten- und Krankenversicherung
Ab 1. Januar 2022 steigt die Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung (Ost) auf 6750 Euro im Monat (2021: 6700 Euro). In den alten Ländern sinkt sie auf 7050 Euro im Monat (2021: 7100 Euro). Bis zur Beitragsbemessungsgrenze ist das Einkommen eines Beschäftigten beitragspflichtig, alles darüber ist beitragsfrei.
In der knappschaftlichen Rentenversicherung (Ost) steigt sie auf 8350 Euro im Monat (2021: 8250 Euro). Die Beitragsbemessungsgrenze (West) sinkt auf 8650 Euro im Monat (2021: 8700).
Das Durchschnittsentgelt in der Rentenversicherung, das zur Bestimmung der Entgeltpunkte im jeweiligen Kalenderjahr dient, wird für das Jahr 2022 vorläufig auf 38 901 Euro im Jahr (2021: 41 541 Euro) festgesetzt.
Anders als in den vergangenen Jahren bleibt die Versicherungspflichtgrenze in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) unverändert: Sie liegt wie 2021 bundesweit einheitlich bei 64 350 Euro im Jahr. Bis zur Versicherungspflichtgrenze müssen Beschäftigte gesetzlich krankenversichert sein. Wird über den Betrag hinaus verdient, ist ein Wechsel in eine private Krankenversicherung möglich.
Die Beitragsbemessungsgrenze in der GKV bleibt ebenfalls unverändert bei 58 050 Euro im Jahr. Bis zu diesem Verdienst ist das Einkommen beitragspflichtig, für darüber hinausgehenden Verdienst müssen keine Beiträge mehr gezahlt werden.
Die Rechengrößen bilden die durch die Corona-Pandemie bedingte rückläufige Lohnentwicklung ab. Die Grundlage der jährlichen Berechnung der Beitragsbemessungsgrenze West ist die Lohnzuwachsrate West. Sie lag im Jahr 2020 bei minus 0,34 Prozent.
Pflegeversicherung: Kinderlose zahlen mehr
Steigende Beiträge zur Pflegeversicherung für Kinderlose: Ab dem 1. Januar 2022 beträgt der Beitragszuschlag 0,35 Prozent (bis 31. Dezember 2021: 0,25 Prozent) - dieser ist neben dem allgemeinen Beitragssatz von 3,05 Prozent zu zahlen. Damit ergibt sich für Kinderlose ab dem vollendeten 23. Lebensjahr ein Beitragssatz von 3,4 Prozent. Den Beitragszuschlag trägt der Arbeitnehmer allein.
Kinderlose Mitglieder der sozialen Pflegeversicherung müssen seit dem 1. Januar 2005 zusätzlich zum »normalen« Beitragssatz einen Beitragszuschlag entrichten. Ausgenommen von diesem Zuschlag sind nur kinderlose Mitglieder, die vor dem 1. Januar 1940 geboren sind, Mitglieder bis zur Vollendung des 23. Lebensjahres sowie Personen, die Arbeitslosengeld II (ALG II) beziehen.
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