- Berlin
- Bündnis 90/Die Grünen
Von Grün zu Links in Berlin-Mitte
Ingrid Bertermann hat die Ökopartei verlassen - wegen ihres Ex-Parteifreunds, des Bezirksbürgermeisters
Sie wolle einfach Politik machen »mit Menschen, die sich für eine sozialere, gerechtere Gesellschaft und vor allem für die immer weiter an den Rand und in die Armut gedrängten Menschen einsetzen«, schreibt Ingrid Bertermann, bisher Bezirksverordnete der Grünen in Berlin-Mitte, in ihrem »Abschiedsbrief« an die Partei. Von dem Ansatz der 57-Jährigen hätten sich die dortigen Grünen »in der Realität inzwischen zu weit entfernt«. Kurz vor Weihnachten trat sie aus Partei und Fraktion aus und der Linken bei. Dort wird sie auch Fraktionsgeschäftsführerin sein.
Anlass ist das Agieren ihres Ex-Parteifreundes Stephan von Dassel, der im November erneut zum Bürgermeister von Mitte gewählt wurde. Mit seiner Politik habe er sich in den vergangenen fünf Jahren an die bürgerliche Mehrheit der Gesellschaft angebiedert, »eine geringschätzige Haltung gegenüber Obdachlosen, Sexarbeiter*innen, Alkoholkonsumierenden, Feiernden, queeren Cruisern im Tiergarten« und anderen gezeigt, so Bertermann. Eine Meinung, mit der sie weder bei den Grünen noch in der Öffentlichkeit allein ist. Es krachte mehrfach ordentlich zwischen von Dassel und seiner Partei. Vor wenigen Tagen erst prangerte die Bezirksfraktion eine seiner Stellenbesetzungen an.
»Vielleicht hätte ich auch vor zwei Jahren sagen können, dass ich bei der Linken besser aufgehoben bin. Aber ich hatte bis zuletzt gehofft, dass Stephan von Dassel nicht erneut durchkommt«, sagt Bertermann zu »nd«. Auch im Kreisverband habe sich einiges weiter nach rechts verschoben. »Ich habe keine Hoffnung, dass sich daran viel ändern wird in den nächsten Jahren«, so Bertermann.
Seit 2011 ist die gebürtige Marburgerin im Bezirksparlament von Mitte, zunächst als Bürgerdeputierte, seit 2016 als Verordnete. Bereits bei der Listenaufstellung zur Bezirkswahl im Mai kritisierte sie, dass Mitglieder des linken Flügels nicht wieder dabei waren, so auch ihr Mann, der über den Bezirk hinaus bekannte Stadtentwicklungsexperte Frank Bertermann. Der wird Grünen-Mitglied bleiben, mit der Linken fremdelt der aus der DDR-Bürgerbewegung stammende Politiker.
Die Grünen fordern, dass Bertermann ihr Mandat zurückgibt. »Ich habe kein schlechtes Gewissen, mein Mandat mitzunehmen, ich persönlich mache dadurch ja keine andere Politik«, entgegnet sie. Nicolas Šustr
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