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DGB will beim Strukturwandel mitreden

Der Deutsche Gewerkschaftsbund will die »Revierwende« in den Kohleregionen mitgestalten

  • Hendrik Lasch
  • Lesedauer: 4 Min.

Der Abschied geht auf einmal sehr schnell. Viele Jahrzehnte hat die Braunkohle die Lausitz geprägt. Die Tagebaue haben Dörfer zerstört, aber auch für Arbeitsplätze und Einkommen gesorgt. Nun soll womöglich schon in acht Jahren Schluss sein: Der Ausstieg aus der Kohle, so hat die neue Berliner Koalition beschlossen, soll »idealerweise« bereits 2030 erfolgen.

In der Lausitz und den anderen deutschen Revieren steht damit ein Strukturwandel an. Erste Vorhaben sind bereits beschlossen: die Ansiedlung großer Forschungsinstitute, der Ausbau von Bahntrassen, aber auch die Sanierung von Kitas und Kultureinrichtungen in der Region. Allerdings: Für Aufbruchstimmung hat das nicht gesorgt. »Die Menschen im Revier sind sehr unzufrieden«, sagt Dana Dubil, DGB-Chefin in Ostsachsen: »Sie fühlen sich zu wenig gehört und mitgenommen.«

Spaß und Verantwortung

Olga Hohmann versteht nicht, was Arbeit ist und versucht, es täglich herauszufinden. In ihrem ortlosen Office sitzend, erkundet sie ihre Biografie und amüsiert sich über die eigenen Neurosen. dasnd.de/hohmann

Der DGB will das ändern. Im Dezember gab es den Auftakt für das Projekt »Revierwende«, das zunächst bis 2024 laufen soll. Man wolle die »Ideen, Wünsche und Vorstellungen der Betroffenen« sammeln und in den Prozess einbringen, sagt Anne Neuendorf, DGB-Vize in Sachsen. In den Kohlerevieren in Lausitz, Mitteldeutschland und im Westen der Republik werden dazu jeweils zwei Büros eingerichtet. Sie sollen »Anlaufstelle für alle sein, die sich angesprochen fühlen«, sagt Neuendorf: Kumpel, Beschäftigte in Zulieferfirmen, Bewohner der Region. »Wer Ideen hat, ist hier an der richtigen Adresse«, sagt die Gewerkschafterin.

In der Lausitz wird es Büros in Cottbus und Görlitz geben. Letzteres leitet Katrin Treffkorn, die bisher als wissenschaftliche Mitarbeiterin und Projektmanagerin an der Hochschule Zittau-Görlitz arbeitete und am Institut für Transformation, Wohnen und soziale Raumentwicklung (TRAWOS) Umbruchsentwicklungen und Teilhabeprozesse untersuchte. Sie hält es für entscheidend, dass die betroffenen Menschen den Wandel selbst mitgestalten können. »Wenn man das Gefühl hat, man wird nur von anderen gestaltet, sorgt das für Widerstände gegen notwendige Veränderungen«, sagt sie. Ohnehin stecken die Erinnerungen an den Umbruch nach dem Ende der DDR, der im Lausitzer Revier viele Jobs kostete und zu starker Abwanderung führte, den Menschen noch in den Knochen. Jetzt müsse es darum gehen, »ihre Ideen, Zeit und Vorstellungskräfte für gute Arbeit und gutes Leben in einer Lausitz ohne Braunkohle einzubeziehen«.

Kein fertiges Rezept für einen gelingenden Strukturwandel

Beim DGB betont man, kein fertiges Rezept für einen gelingenden Strukturwandel des Reviers zu haben. Die Büros könnten aber Schnittstelle sein und neue Netzwerke knüpfen: zwischen Beschäftigten, Wissenschaftlern, Förderinstitutionen und der Politik. »Es geht darum, Ideen zu entwickeln, die in Kollegen schlummern«, sagt Dubil – so wie beim Testzentrum für Eisenbahntechnik TETIS, das bei Niesky entstehen könnte und auf eine solche zurückgeht. Auch ein Konzept zum Batterierecycling in der Lausitz wurde entwickelt. Um weitere Ideen zu befördern, könnten im Rahmen der »Revierwende« Coachings und Werkstätten ausgerichtet oder Machbarkeitsstudien in Auftrag gegeben werden. Befördert werden soll auch der Austausch zwischen den Revieren, in denen der Umbruch unter sehr unterschiedlichen Voraussetzungen stattfindet. Oberste Prämisse sei, »dass auch tarifliche Industriearbeitsplätze hier gehalten werden«, sagt Neuendorf.
Wie das gelingen soll, ist noch zu wenig zu erkennen, kritisiert nicht nur der DGB. Die bisher zur Förderung ausgewählten Projekte ließen »nicht erkennen, dass hier besonders zielgerichtet gehandelt wird«, sagte Joachim Ragnitz, Chef des Dresdner ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung. Das Institut hat bislang bewilligte Vorhaben in Brandenburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt untersucht. Das Fazit: Die meisten dienten der Verbesserung der allgemeinen Lebensbedingungen, aber nicht der Ansiedlung von Unternehmen. Geld gibt es etwa für Kitas, Straßenlampen oder Radwege, nicht aber für Firmenansiedlungen. Ragnitz mahnt dringend zum Umsteuern: »Sonst droht die Umwandlung der Wirtschaft in den betroffenen Gebieten zu scheitern.«

Das sieht man beim DGB ähnlich. Dubil kritisiert, für den Strukturwandel seien zwar Leitbilder erarbeitet worden, auch unter Beteiligung von Arbeitnehmern. In Sachsen spielten diese aber bei der Entscheidung über Fördergelder keine Rolle mehr: »Die Menschen bekommen den Eindruck, ihre Mitarbeit wird nicht ernst genommen.« Für die Vergabe der Fördergelder gebe es zwar Kriterien, zu denen auch die Schaffung von Arbeitsplätzen gehöre. Die Entscheidungen würden aber nicht transparent getroffen. In den dafür zuständigen Regionalen Begleitausschüssen sind die Gewerkschaften nur beratend vertreten, hätten aber gern Stimmrecht, sagt Neuendorf. Der DGB hatte kürzlich auf einer Lausitzkonferenz den Bund aufgefordert, die Regularien zur Vergabe der Fördergelder zu überarbeiten. Die Regierungschefs von Sachsen und Brandenburg hatten das Anliegen unterstützt.

Unabhängig von solchen Entscheidungen in Berlin treiben die Gewerkschafter die »Revierwende« in den Kohlerevieren voran. Das entsprechende Büro in Görlitz geht im Januar in Betrieb, sagt Katrin Treffkorn. Ende Januar werden in Klausuren die ersten Schwerpunkte definiert. Danach muss es an die Arbeit gehen. Schließlich geht der Abschied von der Kohle in der Lausitz auf einmal sehr schnell.

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