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Russlands skeptische Helfer

OVKS-Bündnis: In Ländern wie Kirgistan stößt die Entsendung von Friedenstruppen nach Kasachstan auf Kritik

  • Birger Schütz
  • Lesedauer: 4 Min.

Die Geschwindigkeit war bemerkenswert: Nur wenige Stunden nach der ersten Ausrufung des Bündnisfalls in der Geschichte der Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit (OVKS) landete eine Vorhut russischer Fallschirmjäger am Donnerstagmorgen in Kasachstan. Das Land wird von den größten Protesten seit seiner Unabhängigkeit 1991 erschüttert. Die Soldaten sind Teil eines sogenannten Friedenskontingents, mit dem die OVKS die Lage in dem zentralasiatischen Land »stabilisieren und normalisieren« will, wie es in einer Erklärung der von Russland dominierten Organisation heißt. Insgesamt 70 Truppentransporter flogen aus Russland bis zum Freitag ein. Der Kriegsreporter Alexander Koz geht von mittlerweile etwa 3000 russischen Soldaten in Kasachstan aus.

Doch nicht alle an dem Bündnis beteiligten Staaten - zu dem neben Russland und Kasachstan auch Armenien, Kirgistan, Tadschikistan und Belarus gehören - hatten es so eilig. In einigen Ländern traf die Entscheidung zur Beteiligung an der Mission in Kasachstan sogar auf offene Empörung.

So zum Beispiel in Kirgistan, dem südöstlichen Nachbarn von Kasachstan. Vor dem Parlament in der kirgisischen Hauptstadt Bischkek demonstrierten am Donnerstag etwa 50 Aktivisten gegen eine Beteiligung ihres Landes an der OVKS-Mission. Sie trugen Plakate mit Aufschriften wie »Ein Kirgise schießt nicht auf einen Kasachen!«, »Macht unsere Soldaten nicht zu Interventen« und »OVKS - Hände weg von Kasachstan!«, berichtet die kirgisische Nachrichtenseite Kloop. Kirgistan stehe vor einer historischen Entscheidung, so die Protestierenden. Daher müssten zur anstehenden Parlamentsdebatte über den Antrag zur Entsendung eigener Truppen auch Aktivisten als Beobachter zugelassen werden. Die Abgeordneten müssten sich einer Entsendung kirgisischer Militärs nach Kasachstan widersetzen - und auch den Austritt aus der OVKS in Betracht ziehen. Kirgistan und Kasachstan seien unabhängige Staaten, der OVKS dagegen ein Projekt Wladimir Putins.

Ähnlich sahen das anscheinend elf Parlamentsabgeordnete, die gegen den Kabinettsantrag zur Beteiligung an der OVKS-Mission stimmten - und somit verhinderten, dass der Antrag das notwendige Quorum bekam. Das Parlament vertagte die Entscheidung daraufhin auf den Freitag. Präsident Sadyr Dschaparow warb daraufhin emotional um Zustimmung und appellierte an die Abgeordnete, auf »billige PR-Aktionen« zu verzichten. »Wir schicken unsere Soldaten nicht, um auf unsere protestierenden kasachischen Brüder zu schießen«, schrieb er auf Facebook. »Im Gegenteil, wir senden sie, um bei der Sicherung der Stabilität zu helfen.« Das kirgisische Kontingent werde ausschließlich zur »Bewachung strategischer Objekte« eingesetzt. In keinem Fall würden die Soldaten gegen Protestteilnehmer eingesetzt. Am Freitagmittag stimmt das Parlament daraufhin der Entsendung von 150 Soldaten nach Kasachstan zu.

Auch im bettelarmen Tadschikistan gab es kritische Stimmen. Doch in dem autoritär regierten Land beschränkte sich der Protest auf die sozialen Netzwerke. Hunderte teilten den Post »Ich bin gegen die Entsendung tadschikischer Truppen nach Kasachstan«. Ein Blogger schrieb auf Facebook: »Die OVKS soll vor externen Aggressoren schützen, nicht vor dem Zorn der Bevölkerung auf die korrupte Regierung, denn jede Korruption führt zur Unzufriedenheit der Bevölkerung.« Auf die Entscheidung des tadschikischen Parlaments hatten diese Stimmen keinen Einfluss. Es veröffentlichte am Freitag auf seiner Webseite den Beschluss zur Entsendung von 200 Soldaten, die nicht direkt gegen Demonstranten eingesetzt werden sollen. Allerdings dürfte die Entscheidung Präsident Emomali Rachmon persönlich getroffen haben. Wie die unabhängige Nachrichtenagentur Asiaplus schreibt, hatte die Pressestelle des Parlaments kurz zuvor bestätigt, dass sämtliche Abgeordnete bis zum 10. Januar im Arbeitsurlaub seien und Sitzungen nicht stattfänden.

In Belarus hatte Machthaber Alexander Lukaschenko schon am Donnerstag die Entsendung von bis zu 300 Soldaten nach Kasachstan angekündigt. »Wir sind übereingekommen, dass wir uns an der Friedensmission beteiligen und den Menschen helfen sollten«, zitiert ihn die russischen Nachrichtenagentur Interfax. Die belarussische OVKS-Friedenstruppe hat eine ständige Stärke von 100 Mann und kann bei Bedarf auf 300 Personen aufgestockt werden. Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja kritisierte in einem Interview mit dem Radiosender Euroradio.fm, Lukaschenko verfüge nach den von ihm gefälschten Wahlen weder über die Legitimität noch das Recht, die Entsendung von Truppen zu beschließen. Lukaschenko opfere Belarussen für die »Simulation von Stabilität in der Region«. Der Einsatz sei eine gewalttätige Einmischung in die Angelegenheiten eines anderen Staates. Das belarussische Volk sei gegen die Entscheidung. »Die Kasachen haben das Recht, ihr Schicksal selbst zu bestimmen«, so Tichanowskaja. Sie hoffe auf einen friedlichen Dialog zwischen Demonstranten und kasachischen Behörden.

Wenig war dagegen aus Armenien zu hören. Dessen Präsident Nikol Paschinjan befindet sich in einer paradoxen Situation: Selbst durch eine Revolution 2018 an die Macht gekommen, leitet er als derzeitiger OVKS-Vorsitzender nun formal die Koordination des Einsatzes gegen die Protestierenden in Kasachstan. Zudem hatte die Organisation einen Hilferuf Paschinjans im Bergkarabachkrieg gegen Aserbaidschan im vergangenen Sommer zurückgewiesen. Dessen ungeachtet beschloss das armenische Parlament am Donnerstag die Entsendung von 70 Soldaten zum Schutz strategischer Objekte. Ein Einsatz gegen Protestierende ist nicht vorgesehen.

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