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CIA-Experimente an dänischen Waisen
Fernsehdokumentation enthüllt grausame Psychoversuche mit Heimkindern
Per Jonny Wennick wird demnächst 73 Jahre alt. Der freundliche weißhaarige Mann mit dem Dreitagebart lebt in Kopenhagen. Dort hat er Theaterwissenschaften studiert. Seit 1974 arbeitet er für das staatliche dänische Fernsehen. In rund 80 zum Teil ausgezeichneten Dokumentationen spürte er fremden Schicksalen nach. Nun ist er – so der Titel seines um die Jahreswende gezeigten zweiteiligen Filmes – auf der »Jagd nach mir selbst«.
Woran sich der Autor erinnert und was sich zusätzlich recherchieren lässt, ist schockierend. Mit drei Jahren wurde Per Wennick in die Obhut eines Waisenhauses gegeben. Elf Jahre seines Lebens verbrachte er dort. Wärme oder Geborgenheit spürte er nicht. Dafür Angst. Als er elf Jahre alt war, fragte man ihn, ob er etwas »Spaßiges« ausprobieren möchte. Man bot dem Jungen ein paar Kronen, brachte ihn in den Keller eines Kopenhagener Krankenhauses, setzte ihn auf einen Stuhl, stülpte ihm Kopfhörer über. Daraus drangen laute Geräusche – entsetzliche Schreie wechselten mit Phasen absoluter Ruhe. Die Auswirkungen auf das Kind wurden aufgezeichnet.
Olga Hohmann versteht nicht, was Arbeit ist und versucht, es täglich herauszufinden. In ihrem ortlosen Office sitzend, erkundet sie ihre Biografie und amüsiert sich über die eigenen Neurosen. dasnd.de/hohmann
Wennick verdrängte diesen Lebensabschnitt aus dem Gedächtnis – bis er vor rund drei Jahren auf einem Filmfestival in Amsterdam den US-Dokumentarfilm »Three Identical Strangers« (Drei identische Fremde) sah. Inhalt: geheime Forschungen, bei denen man Drillinge nach der Geburt trennte und in Familien aus unterschiedlichen sozialen Schichten unterbrachte, um das Verhältnis zwischen Vererbung und Umwelteinfluss in Bezug auf psychische Erkrankungen zu analysieren.
»Alarmglocken begannen in mir zu läuten. Ich dachte sofort an die Studien, an denen ich in meiner Kindheit teilgenommen hatte«, erzählt Wennick nun selbst vor der Kamera. Er fand den Mut, »in meine Geschichte einzutauchen«, forschte nach und fand heraus, dass gleich ihm weitere dänische Kinder Teil einer Langzeitstudie waren, die in den frühen1960er Jahren begann. Dabei ging es um Vererbung und Umwelteinflüsse in Bezug auf Schizophrenie. 207 dieser Kinder hatten Mütter, die unter Schizophrenie litten. Weitere 104, zu denen der spätere Filmemacher zählte, waren »Vergleichskinder«. Die Idee für das Forschungsprojekt stammt von einem US-amerikanischen Psychologen namens Zarnoff A. Mednick. In den 1960er Jahren war er Professor an der University of Michigan und bewies später in einer – laut Wikipedia – »bahnbrechenden Studie«, dass »antisoziales Verhalten eine genetische Komponente hat, zumindest in Bezug auf Eigentumsdelikte«.
Warum aber forschte der Mann, dem im Netz »Pionierarbeit« attestiert wird, nicht in seinem Heimatland? Weil es in den USA kein Melderegister gibt, das es ermöglicht hätte, die Probanden über Jahrzehnte zu verfolgen. In Dänemark geht das. Mednick tat sich mit Fini Schulsinger, einem Psychiater am Krankenhaus von Kopenhagen, zusammen. Es gibt eine unter anderem von Mednick verfasste Zusammenfassung der Forschungsergebnisse aus dem Jahr 1993. Zitat: »Über 90 Prozent der ursprünglichen 207 Hochrisiko- und 104 Niedrigrisikopersonen wurden seit der Erstbeurteilung erfolgreich nachverfolgt. Zum Zeitpunkt der letzten Bewertung (1989) waren die Probanden durchschnittlich 42 Jahre alt.« In der Tat scheint nachweisbar: Wann immer ein in der Jugend so missbrauchter Däne ärztliche Hilfe in Anspruch nahm, wurde die psychiatrische Klinik davon informiert.
Mednick arbeitete nicht auf eigene Rechnung, und auch nach Dänemark floss Geld. Sponsor war ein Human Ecology Fund, der – wie man inzwischen weiß – ein Konstrukt des US-Geheimdienstes CIA war. Die interessierte sich speziell die Themen Gedankenkontrolle und Gehirnwäsche. Codewort: MKULTRA-Projekt. Waren die dänischen Waisen Teil dieses Programms? Wennicks Anfragen bei der CIA blieben unbeantwortet.
Auch wenn derartige Forschungen 1973 angeblich eingestellt wurden – sie verstießen eindeutig gegen den sogenannten Nürnberger Kodex. Anlass für diese 1947 beschlossene ethische Richtlinie für medizinische, psychologische und andere Experimente an Menschen waren »Forschungen« von Nazi-Ärzten, die die Alliierten zu Recht als Verbrechen gegen die Menschlichkeit einstuften. Bei Menschenversuchen sei eine freiwillige Zustimmung der Versuchspersonen »unbedingt erforderlich«, verlangt der Kodex und unterstreicht: Probanden dürften nicht »durch Gewalt, Betrug, List, Druck, Vortäuschung oder irgendeine andere Form der Überredung oder des Zwanges« genötigt werden.
Eine wichtige Frage lautet: Wussten dänische Behörden von den Experimenten? Tatsache sei, so Wennick, dass die 1977 von Schulsinger verteidigte Doktorarbeit durch das Justizministerium als geheim eingestuft wurde. Nachdem der Dokumentarfilmer auf 36 Kisten mit Material über das Forschungsprojekt gestoßen war, beantragte er formgerecht Einsicht. Er bekam sie aber nicht, denn aus Datenschutzgründen mussten die Unterlagen umgehend geschreddert werden.
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