Für den Klimaschutz steigen die Mieten

Infrastrukturministerium schließt Klimabündnis mit Wohnungsunternehmen und Stadtwerken

  • Andreas Fritsche, Potsdam
  • Lesedauer: 4 Min.

69 Prozent der Wärmeenergie, die für die Innenstadt von Prenzlau benötigt wird, stammt schon aus erneuerbaren Quellen. Für das gesamte Stadtgebiet sind es 38 Prozent. Auch dieser Wert liege noch über dem Bundesdurchschnitt, sagt Harald Jahnke, Geschäftsführer der Stadtwerke Prenzlau. Eine geothermische Heizzentrale sei in Planung.

Deutschland soll im Jahr 2045 klimaneutral sein. »Wir reden hier gerade einmal von 23 Jahren, die uns dafür bleiben«, rechnet Brandenburgs Infrastrukturminister Guido Beermann (CDU) vor. Er hält das gesetzte Ziel für »ambitioniert«. Um es zu erreichen, muss mehr Energie aus erneuerbaren Quellen erzeugt werden - und von dieser Energie darf nicht mehr so viel verschwendet werden. Bei Wohnhäusern bedeutet das unter anderem: Modernste Heizungsanlagen und fast perfekt isolierte Fassaden werden gebraucht.

Beispiele für Wärmewende im Wohnungsbestand

In Gransee wurden bis zum Jahr 2015 Wohnblöcke der kommunalen Wohnungsbaugesellschaft GeWo in der Straße des Friedens durch einen privaten Anbieter geheizt, mit dem ein Wärmeliefervertrag abgeschlossen war. Hohe Preise, hoher Verbrauch und eine schlechte Klimabilanz veranlassten dazu, den Vertrag zu kündigen und sich selbst zu kümmern, wobei die Stadtwerke von Zehdenick helfen. Zunächst behilft man sich mit einem Gaskraftwerk. Für die Ausbaustufen sind Solaranlagen vorgesehen und auch ein Heizkraftwerk, das Holzhackschnitzel verfeuert.

In Wittstock/Dosse hat die Stadt die Wärmeversorgung vor einigen Jahren rekommunalisiert und das so organisiert, dass der Wechsel zum Vertragsende mitten in der Heizperiode erfolgen konnten. Es wurde ein Blockheizkraftwerk gebaut und das Wärmenetz erneuert. Es wurden auch Wohnungen saniert, Balkone angebaut und das Umfeld verbessert. Die zuvor vernachlässigte Röbeler Vorstadt ist nun wieder ein beliebtes Quartier.

In Neuruppin entstehen bei dem Neubauprojekt »An der Pauline« seit dem Jahr 2014 rund 80 Wohneinheiten für die Wohnungsbaugenossenschaft »Karl Friedrich Schinkel«, die - mit Solar- und Speichertechnik versehen - fast energieautark ist.

In Senftenberg errichteten die Stadtwerke im Jahr 2016 auf dem Alten Laugkfeld auf 2,1 Hektar eine der größten Solarthermieanlagen Deutschlands. Diese erzeugte im ersten Jahr 4,1 Gigawattstunden Wärmeenergie. af

Was das betrifft, haben die Wohnungsbaugenossenschaften und die kommunalen Wohnungsunternehmen in den vergangenen 30 Jahren schon viel getan, findet Maren Kern. Sie ist Vorstand im Verband der Berlin-Brandenburgischen Wohnungsunternehmen (BBU), in dem neben einigen privaten Wohnungsunternehmen vor allem die kommunalen und die Genossenschaften organisiert sind. Acht Milliarden Euro haben die Mitgliedsunternehmen seit 1990 bereits investiert und damit den CO2-Ausstoß ihrer Mietwohnungsbestände um 80 Prozent gesenkt, berichtet Kern. Die Folge davon: Auf sie entfallen nur noch zwei Prozent der Treibhausgas-Emissionen in Brandenburg. Nun werde es darum gehen, auch diese zwei Prozent noch zu beseitigen.

Maren Kern und Infrastrukturminister Beermann unterzeichnen am Montag im Potsdamer Bürgerhaus am Schlaatz einen Vertrag über ein »Klimabündnis Stadtentwicklung«. Auch Harald Jahnke setzt seine Unterschrift unter das Papier. Er tut das in seiner Funktion als Vorsitzender der Landesgruppe Berlin-Brandenburg im Verband kommunaler Unternehmen. In der Landesgruppe versammeln sich 51 kommunale Unternehmen, darunter viele Stadtwerke. Zusammen beschäftigen sie 17 000 Mitarbeiter, machen im Jahr fünf Milliarden Euro Umsatz und investieren eine Milliarde.

»Das Thema Wärmewende steht in allen Brandenburger Kommunen auf der Tagesordnung«, erklärt Infrastrukturminister Beermann. »Wir müssen uns mit dieser Herausforderung, die Wärmeversorgung auf erneuerbare Energien umzustellen und die Gebäude effizienter zu machen, breit aufstellen und alle vorhandenen Kräfte bündeln.« Deshalb die Kooperationsvereinbarung seines Ressorts mit den beiden Verbänden. Es sollen Modellprojekte angeregt werden, die nach Aussage von Maren Kern »ganz wichtig sind für einen zusätzlichen Erkenntnisgewinn«. Das Klimabündnis Stadtentwicklung will noch dieses Jahr einen Wettbewerb »Vision CO2-neutrales Quartier« ausloben.

Geplant ist, Wohnungsunternehmen auszuzeichnen, die sich besonders ehrgeizige Ziele setzen, den Energieverbrauch bei der Fernwärme und den CO2-Ausstoß zu senken. Städte und Gemeinden sollen dabei unterstützt werden, die Treibhausgasemissionen nach Bereichen zu erfassen und Klimaschutzmaßnahmen zu überwachen. Für eine Beratungsstelle stellt das Infrastrukturministerium 100 000 Euro jährlich zur Verfügung.

Diese Summe wird aber bei Weitem nicht ausreichen, die Klimaneutralität in der gesetzten Frist von 23 Jahren zu erreichen. »Bund und Land müssen finanziell unterstützen, die Unternehmen können das nicht allein stemmen«, sagt Maren Kern. Auch die Mieter müssten einbezogen werden.

Das aber bedeutet, dass die Mieten steigen sollen, um den Klimaschutz zu bezahlen. Es besteht keine Hoffnung, dass sich die Investitionen in Energieeffizienz durch eine Senkung der Betriebskosten vollständig wieder hereinholen lassen. Auf Nachfrage bestätigt Maren Kern dann auch, dass die Mieter »unter dem Strich ein bisschen mehr bezahlen müssen«. Wie viel, das lasse sich nicht einmal schätzungsweise sagen. Schließlich hänge es nicht zuletzt davon ab, in welcher Höhe Fördermittel gewährt werden.

Prinzipiell ist es so, dass die ersten einfachen Wärmedämmungen noch nicht so viel gekostet haben und trotzdem schon zu einer hohen Energieersparnis führen. Um die Dämmung der Wohnungen noch weiter zu verbessern, sind dann viel höhere Investitionen notwendig, die aber nur noch vergleichsweise geringe Energiespareffekte zeitigen.

Beim BBU weiß man, dass es immer Wunschdenken gewesen sei, dass sich Investitionskosten für die Energieeffizienz und Einspareffekte die Wage halten könnten. Am Ende musste schon immer in die Tasche gegriffen werden, heißt es.

Während Brandenburg insgesamt von der Klimaneutralität noch weit entfernt ist, gibt es im Bundesland aber schon etliche klimaneutrale Quartiere. Als besonders vorbildlich gilt in dieser Hinsicht die Stadt Rheinsberg, die sich bereits in den 1990er Jahren einer nachhaltigen Entwicklung verschrieben hat. Das Holzheizkraftwerk der Stadtwerke erzeugt seit damals Fernwärme komplett aus erneuerbaren Quellen. Die Wohnungsbestände der kommunalen Wohnungsgesellschaft Rewoge sind vollständig an dieses Fernwärmenetz angeschlossen.

Im Jahr 2020 wurde begonnen, Solaranlagen zu installieren, um 350 Wohnungen mit Ökostrom zu versorgen. 62 Prozent des Strombedarfs können aus dieser Quelle abgedeckt werden. Das spart jährlich 230 Tonnen CO2. »Das Vorhaben wird noch weiter ausgebaut, ist allerdings jetzt schon das größte Mieterstromprojekt im Land Brandenburg«, heißt es in einem 16-seitigen Heftchen mit guten Beispielen. Es wird bei der Unterzeichnung der Kooperationsvereinbarung ausgeteilt. Minister Beermann plant eine Sommerreise, um sich solche guten Beispiele anzuschauen.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.