Trauer um David Sassoli

EU-Parlamentspräsident war in Italien auch als Journalist populär

  • Anna Maldini, Rom
  • Lesedauer: 3 Min.

David Sassoli, der in Florenz geboren wurde, aber seit längerem im Dorf Sutri nördlich von Rom lebte, hatte in Italien einen hohen Wiedererkennungswert. Jahrelang arbeitete er im öffentlich-rechtlichen Fernsehen und mit verschiedenen Nachrichtensendungen, die er im Laufe der Zeit moderierte, war er mit seiner ruhigen Art immer ein »gerngesehener Gast« in den Wohnungen zwischen Bozen und Palermo. Die Tatsache, dass er »irgendwie links« war, war niemandem entgangen, aber parteipolitisch engagiert wirkte er nicht, obwohl er Mitglied der Demokratischen Partei war. 2009 wechselte Sassoli dann vom Journalismus in die Politik und wurde mit über 400 000 Stimmen ins Europaparlament gewählt.

Als er sich 2013 innerhalb seiner Partei in einer Vorwahl für das Amt des Bürgermeisters von Rom bewarb, waren sich eigentlich alle sicher, dass er das Rennen machen würde. Tatsächlich gewann aber ein krasser Außenseiter, der Arzt Ignazio Marino, der allerdings nur zwei Jahre später von seiner eigenen Partei wieder »abgesägt« wurde. Denn, so freundlich und kompromissbereit Sassoli auch gewesen sein mag: Anders als Dr. Marino war er nie jemand, der wirklich gegen den Strom schwamm.

Das heißt aber nicht, dass er keine Prinzipien gehabt hätte. Er war katholisch und sah in der Soziallehre der Kirche sein Fundament. Vor allem in den letzten Monaten seiner Amtszeit als Präsident des Europäischen Parlaments - sein Mandat wäre in wenigen Wochen abgelaufen - hat er sich immer wieder mit klaren Worten für das eingesetzt, was er als unverzichtbare Grundlagen und Werte der EU sah: Solidarität und Gerechtigkeit. Sassoli verurteilte die Staaten, wie zum Beispiel Polen, die ihre Grenzen für die Migranten schließen, die oft lebensgefährliche Reisen von Tausenden von Kilometern in Kauf nehmen, um politischer Verfolgung, Hunger und Elend zu entgehen. Für ihn lag die Schuld nicht allein bei den jeweiligen nationalen Regierungen, sondern auch und vor allem bei einer nicht kohärenten EU-Politik, die viel sagt und wenig tut. Diese Grenzen, an denen diese Menschen stranden, so sagte er noch vor wenigen Wochen, sind die Grenzen »zwischen Moralität und Immoralität, zwischen Menschlichkeit und Unmenschlichkeit«.

Sassoli war von der Wichtigkeit des europäischen Zusammenhalts fest überzeugt. »Europa ist dafür da, dass es uns allen besser geht«, sagte er immer wieder. Und er pochte auf die Rolle des Europaparlaments, das das wirkliche Herz der Gemeinschaft sei. Unter seinem Vorsitz verabschiedete »sein« Parlament eine Reihe von Resolutionen - auch in Sachen Migration -, die die politische Führung der EU immer wieder ignorierte. Sassoli war davon überzeugt, dass sich das Parlament gegenüber der Zivilgesellschaft öffnen müsse. Zu den Sitzungen lud er zum Beispiel Obdachlose oder andere Personen ein, die nicht genügend Gehör erhalten. Unvergessen bleibt seine Verneigung vor Bebe Vio, eine Fechterin, die wegen einer schweren Krankheit beide Arme verloren und trotzdem bei den letzten paralympischen Spielen für Italien eine Goldmedaille gewonnen hatte.

Über seine Krankheit gab es die verschiedensten Gerüchte: Vor allem Impfgegner wollten in seiner Lungenentzündung und Immunschwäche eine Folge der Vakzination gegen das Coronavirus sehen. Das Dementi dieser »haarsträubenden Theorie« war eine der letzten Botschaften, die David Sassoli von seinem Krankenbett aus verbreitet hat.

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