- Politik
- Rätsel um Spionageverdacht
Geheimdienstchef im Knast
Skandal in Dänemark - Justiz ist um Geheimhaltung bemüht und bedroht sogar Journalisten
Die Gefahr der Spionage gegen Dänemark habe in den letzten Jahren zugenommen, vermeldeten dänische Medien am Donnerstag und verwiesen auf einen Bericht des Inlandsgeheimdienstes PET. Der untersteht dem Justizministerium und warnt vor allem vor Russland, China und dem Iran. Begehrt seien Informationen aus den Bereichen der Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik sowie alles, was im Zusammenhang mit Energie und Rohstoffen stehe, heißt es. Insbesondere dänische Politiker und Beamte zentraler Behörden seien Ziel fremder Neugier.
Diese Warnung löste nicht viel Erstaunen aus. Und eigentlich stellt man sich seit Anfang der Woche in Dänemark eine ganz andere Frage. Sie lautet: Warum hat Lars Findsen eine Anklage wegen Hochverrats am Hals? Der Mann, geboren 1964 in der Nähe von Hull in England, wollte eigentlich Bootsbauer werden, studierte dann aber und machte Karriere beim Inlandsgeheimdienst PET, wurde dessen Chef. Dann nahm er im Chefsessel des Forsvarets Efterretningstjeneste (FE) Platz. Das ist der Nachrichtendienst des Militärs, der zugleich für die Auslandsspionage des Königreiches verantwortlich ist.
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Der 57-Jährige galt als umgänglich, schien nicht verschlossen, versprach bisweilen sogar mehr Transparenz. Und nun das! Laut Medienberichten war er über Monate hinweg von Agenten seines einstigen, für Spionageabwehr zuständigen Geheimdienstes PET beobachtet und abgehört worden.
Erst seit Wochenbeginn weiß die Öffentlichkeit überhaupt von dem sich anbahnenden Skandal. Am Montag musste Findsen vor einem Gericht in Kopenhagen erscheinen. Dort setzte er durch, dass zumindest sein Name genannt und so seine Inhaftierung öffentlich wurde. Doch was ihm genau vorgeworfen wird, blieb hinter den verschlossenen Türen des Verhandlungsraumes. Man hört nur, dass er streng klassifizierte Informationen weitergereicht haben soll. »Alles Wahnsinn«, soll der Beschuldigte wartenden Journalisten noch zugeraunt haben, doch dass die dänische Justiz den seit Jahrzehnten eigentlich »vergessenen« Paragrafen 109 des Strafgesetzes bemüht, scheint ein Indiz für eine doch gewichtige Straftat zu sein. Findsen ist mit 12 Jahren Haft bedroht.
Bis zu diesem Montag war niemandem aufgefallen, dass der oberste Spionagechef des Landes bereits seit gut einem Monat aus dem Verkehr gezogen war. Das erklärt sich simpel: Der Geheimdienstchef war bereits seit August 2020 beurlaubt. Ein Kontrollausschuss hatte damals aufgedeckt, dass der FE seinen Zugang zu nah gelegenen Überseeinternetkabeln ausgenutzt und den Kollegen des US-Geheimdienstes NSA jahrelang Mail- und Handydaten geliefert hatte. Das war zwischen 2012 und 2014. Das glaubt man bislang und überträgt die Verantwortung dafür dem damaligen FE-Chef Thomas Ahrenkiel.
Der sollte nach Ablösung durch Findsen ausgerechnet Botschafter in Berlin werden. Dabei hat der FE auch die Kommunikation der damaligen deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), ihres Außenministers und heutigen Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier sowie des damaligen Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück (beide SPD) ausgespäht. Auch führende Politiker in Frankreich, Schweden und Norwegen wurden auf diese Weise attackiert.
Wohl nicht nur als Beifang fingen FE und NSA massenhaft Daten dänischer Bürger ein. Das vor allem hatte - nachdem ein unbekanntes »Vögelchen« gegenüber Reportern des Dänischen Rundfunks gesungen hatte - die Aufsichtsbehörden in Dänemark alarmiert.
Während man in Deutschland nach der Kanzlerin-Schelte (»Ausspähen unter Freunden, das geht gar nicht...«) rasch wieder zum Tagesgeschäft überging, erschienen in Dänemark seit der Suspendierung Findsens immer wieder aufsehenerregende Storys über das Innenleben des FE und dessen gesetzlich kaum zu kontrollierende Kooperation mit ausländischen, insbesondere US-Partnern. Insider in Dänemark fragen sich: Hat womöglich ein ausländischer Partner deshalb die Notbremse gezogen, weil sie Findsen als Tippgeber verdächtigten? Mitte 2020 enthüllten Whistleblower zudem, dass der FE mit Hilfe des NSA-Programms XKeyscore auch dänische Behörden wie das Außenministerium und das Finanzministerium ausspionierte. Warum? Antworten stehen aus.
Sicher ist, dass es der Kooperation zwischen Diensten nicht gut tut, wenn so ein Skandal - wie jetzt geschehen - die Öffentlichkeit erreicht. Dass die dänische Justiz jetzt aber auch Journalisten mit Strafen bedroht, könnte zum Bumerang werden. Man beruft sich auf Quellenschutz. So heißt es im Dänischen Rundfunk, man könne die Kollegen ja gerne zum Gespräch einladen, doch außer deren Namen werden man nichts erfahren.
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