Die Lithium-Extraktion sorgt für irreversible Schäden

Die Umweltrechtsanwältin Verónica Gostissa über die hohen sozialen und ökologischen Kosten des Rohstoffabbaus in Argentinien

  • Jürgen Vogt, Buenos Aires
  • Lesedauer: 3 Min.

Für viele Menschen in Mitteleuropa ist ein Salzsee eine ausgetrocknete menschenleere weiße Wüstenlandschaft. Wie sehen Sie das?

Salzseen wie der Salar del Hombre Muerto sind Feuchtgebiete. Sie speisen sich aus den abfließenden Schnee- und Gletscherwässern der Andenkordillere oder aus Flüssen. Das macht sie zu wichtigen Wasserreserven. Auf der Puna-Hochebene ist das Klima sehr trocken, Regen fällt kaum. Der größte Teil des Salar del Hombre Muerto gehört zur Provinz Catamarca im Nordwesten Argentiniens.

Verónica Gostissa
Verónica Gostissa
Verónica Gostissa ist eine auf Umweltrecht spezialisierte Rechtsanwältin.

Das Bild von der menschenleeren Wüstenlandschaft ist nicht richtig. Tatsächlich leben hier rund 1800 Menschen. Schon seit über 10 000 Jahren ist die Region um den Salar del Hombre Muerto vom indigenen Volk der Kollas bewohnt. Deren verschiedene Gemeinschaften ähneln sich in ihrer Kultur, Religion und Wirtschaftsform, alles ist an die extremen Bedingungen angepasst. Ihr Leben ist eng mit der Natur und dem Klima verbunden.

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Seit über 20 Jahren wird Lithium aus dem Salar del Hombre Muerto extrahiert. Welche Auswirkungen lassen sich belegen?

1997 hat das US-Unternehmen Livent, damals noch unter dem Namen Minera de Altiplano, mit der Erkundung der Lithiumvorkommen im Salar begonnen. Kurze Zeit später wurde mit der Extraktion der lithiumhaltigen Salzsole angefangen. In riesigen Becken unter der stets scheinenden Sonne verdampft das Wasser der Sole. Für den Gewinnungsprozess verbraucht das Unternehmen in 15 Tagen die Wassermenge, die dem Jahresverbrauch aller Menschen in der Region Antofagasta de la Sierra entspricht. Die Kosten der Extraktion sind minimal. Dafür sind die einstmals breiten und grünen Uferzonen entlang des Flusses Trapiche inzwischen ausgetrocknet. Ein Schaden, der selbst von den lokalen Behörden des Umweltministeriums als irreversibel eingestuft wurde. Dazu kommen die negativen Folgen für die Viehwirtschaft der Gemeinschaften wie etwa das Austrocknen der Weideflächen.

Die Nachfrage nach Lithiumbatterien ist in jüngster Zeit nochmals kräftig gestiegen. Mit welchen Folgen für die Region?

2018 hat Livent eine Verdreifachung der Lithiumgewinnung angekündigt. Um die dafür notwendige Wassermenge zu bekommen, wurde der Bau eines Aquäduktes zum Río Los Patos notwendig. Das ist der wichtigste Fluss, der in den Salar del Hombre Muerto mündet. Das Aquädukt führt über indigenes Land. Zum Bau hätten die Gemeinschaften vorab befragt werden müssen. Das wurde nicht eingehalten.

Wie wird die weltweite Nachfrage nach Lithium vor Ort wahrgenommen?

Für uns ist es ein Dreieck aus nationalen und provinziellen Regierungen, den transnationalen Firmen und den Sicherheitskräften. Egal ob staatlich oder privat, alle arbeiten zusammen, damit die Extraktion reibungslos vorangeht und Proteste klein gehalten werden können. Es gab kam schon zu Gerichtsverfahren und polizeilicher Verfolgung gegen Aktivistinnen und Aktivisten und indigene Autoritäten. Das Ziel ist es, Angst zu verbreiten, weil es immer mehr Widerstand gegen den Vormarsch der Unternehmen gibt. Schlimm ist, dass die Plünderung von Gemeinschaftsgütern in den Ländern des Südens mit der notwendigen Energiewende im Norden zum Klimaschutz legitimiert wird. Was global als grüne oder saubere Energienutzung propagiert wird, verursacht lokal hohe soziale und ökologische Kosten.

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