Kaum Hoffnung auf Veränderung

Andrea Nahles soll neue Chefin der Bundesagentur für Arbeit werden

Die frühere SPD-Vorsitzende und Bundesministerin für Arbeit und Soziales, Andrea Nahles, soll neue Chefin der Bundesagentur für Arbeit (BA) werden. Das haben die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) und der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) am Dienstag mitgeteilt.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund habe Nahles als Vorstandsvorsitzende der BA vorgeschlagen, so die Arbeitnehmer und Arbeitgeber in einer gemeinsamen Mitteilung. Als weitere Vorstandsmitglieder wurden vom BDA Katrin Krömer und Vanessa Ahuja vorgeschlagen. Krömer ist bisher Leiterin Personal- und Führungskräfteentwicklung bei der Deutschen Bahn, Ahuja Abteilungsleiterin im Bundesarbeitsministerium. Der Vorstand der BA soll außerdem von bisher drei auf vier Mitglieder wachsen. Daniel Terzenbach, der bereits aktuell im Vorstand ist, soll dies weiterhin bleiben. Die Personen müssen vom Verwaltungsrat gewählt werden. Auch die Bundesregierung muss noch zustimmen.

Spaß und Verantwortung

Olga Hohmann versteht nicht, was Arbeit ist und versucht, es täglich herauszufinden. In ihrem ortlosen Office sitzend, erkundet sie ihre Biografie und amüsiert sich über die eigenen Neurosen. dasnd.de/hohmann

»Mit Andrea Nahles an der Spitze, mit Dr. Katrin Krömer, Vanessa Ahuja und Daniel Terzenbach haben wir als Sozialpartner*innen ein kompetentes, führungsstarkes und hoch motiviertes Team gefunden«, erklärte die Vorsitzende des Verwaltungsrates der BA Anja Piel. »Die BA ist damit aus unserer Sicht für die großen Herausforderungen der kommenden Jahre gut gewappnet«, sagte Piel, die auch DGB-Vorstandsmitglied ist.
Nahles würde als Chefin der Bundesagentur für Arbeit Detlef Scheele (SPD) ablösen, der bald in den Ruhestand geht. Damit folgt auf den engen Vertrauten von Olaf Scholz (SPD) abermals eine enge Vertraute des neuen Bundeskanzlers auf dem Chefposten der größten deutschen Behörde.

Scheele war bis Ende 2009 unter dem damaligen Bundesminister Scholz Staatssekretär im Bundesministerium für Arbeit und Soziales. 2011 wurde er dann von Scholz – inzwischen Erster Bürgermeister in Hamburg – zum Sozialsenator der Hansestadt ernannt. Nahles hatte bis zu ihrem Rücktritt als SPD-Vorsitzende im Jahr 2019 ebenfalls eng mit Scholz zusammengearbeitet. In der Folge ihres Rücktritts aufgrund schlechter Wahlergebnisse und bröckelnden Rückhalts in der eigenen Partei gab sie auch die Leitung der Fraktion sowie ihr Bundestagsmandat zurück. Seit Sommer 2020 ist sie Präsidentin der Bundesanstalt für Post und Telekommunikation.

Die Bundesagentur für Arbeit werde in den kommenden Jahren »enorme, ja geradezu epochale Herausforderungen schultern müssen«, so BDA und DGB am Dienstag. Dazu würden die Bewältigung und Folgen der Corona-Pandemie bei der Bearbeitung von Kurzarbeitergeld ebenso gehören wie die Bewältigung von Strukturwandel, Transformation und Fachkräftemangel.

Darüber hinaus steht die Umsetzung des Ampel-Koalitionsvertrags an. Geplant ist eine Reform der Hartz-IV-Gesetzgebung; ein Bürgergeld soll die bisherige Grundsicherung ersetzen. Der BA soll künftig eine stärkere Rolle bei der Qualifizierung und dazugehöriger Beratung zukommen. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) erhofft sich, dass Betroffene mit der geplanten Reform in großem Stil aus der Langzeitarbeitslosigkeit geholt werden können.

Es gehe darum, die Jobcenter so zu reformieren, dass die Mitarbeiter dort die Zeit haben, Menschen dabei zu helfen, in Arbeit zu kommen, neue Fähigkeiten zu erlernen oder bestehende auszubauen, erklärte die Kandidatin für den Grünen-Vorsitz Ricarda Lang am Mittwoch gegenüber der Deutschen Presse-Agentur. Den Jobcentern soll laut Koalitionsvertrag mehr »Gestaltungsspielraum« gegeben werden, zugleich soll das neue Bürgergeld die Würde des Einzelnen achten und zur gesellschaftlichen Teilnahme befähigen.

Doch in der Vergangenheit hat Nahles sich nicht grade für die Belange von Grundsicherungsempfängern starkgemacht. So hatte sie beispielsweise im Frühling 2016 als Bundesministerin für Arbeit und Soziales einen Gesetzesentwurf vorgelegt, der eine Benachteiligung von Alleinerziehenden in Hartz IV vorsah. Ihnen sollte das Sozialgeld für ihre Kinder für jeden Tag gestrichen werden, an dem diese bei dem anderen Elternteil sind. Der Vorschlag hatte für viel Protest bei Opposition und Sozialverbänden gesorgt. Experten kamen zu dem Ergebnis, dass die Änderung zu einer Unterschreitung des kindlichen Existenzminimums und einer Gefährdung des Kindeswohls führen würde. Die Gesetzesänderung wäre zudem nicht förderlich dafür, mehr Zeit mit dem Elternteil zu verbringen, bei dem die Kinder nicht wohnen. Nur aufgrund der starken Kritik kam die Änderung doch nicht zustande.

Auch ein anderes Beispiel zeigt, Nahles bisherige Linie in Bezug auf Grundsicherungsempfänger. Während ihrer Zeit als Bundesarbeitsministerin hatte es einen Streit zwischen ihrem Ministerium und dem Bundessozialgericht gegeben. Der Grund: 80 Euro. Es ging um die Frage, ob volljährige Menschen mit Behinderung weniger Geld für ihren Lebensunterhalt erhalten sollen, wenn sie zu Hause bei Angehörigen wohnen. Obwohl das oberste Sozialgericht die Kürzung für nicht zulässig hielt, beharrte Nahles Ministerium auf dieser. Erst nach wochenlangem medialen Druck passte sich Nahles Ministerium dem Urteil des Bundessozialgerichts an.

Ende 2018 erklärte die damalige SPD-Parteichefin: »Wir werden Hartz IV hinter uns lassen.« Ob das eine Besserung für Grundsicherungsbeziehende bedeutet oder nur eine Abkehr vom Namen, wird nun nicht nur von der Ampel-Koalition abhängen, sondern auch von Nahles als neuer Chefin der Bundesagentur für Arbeit.

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