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Landespolitik lässt sich nicht blicken
Mahnwache gegen Obdachlosigkeit mobilisiert viel Unterstützung, nur nicht aus der Stadtregierung
Am Samstagvormittag steht eine kleinere Gruppe von etwa zwanzig Menschen vor dem Roten Rathaus, die Sachen sind gepackt, sie warten auf die Autos zum Rücktransport. Eigentlich sollte noch eine Abschlussrede stattfinden, doch am nasskalten Morgen hatte man sich dazu entschlossen, lieber den Abbau zügig über die Bühne zu bringen. Einige Interessierte stehen nun etwas enttäuscht dabei, sie hätten gerne den Abschluss der Mahnwache gesehen. So kommen sie stattdessen direkt mit den Aktivist*innen sowie wohnungs- und obdachlosen Menschen ins Gespräch, die sich trotz widriger Wetterbedingungen für ein würdiges Leben aller Menschen in der Stadt einsetzen.
»In der Nacht von Donnerstag auf Freitag hat es so gestürmt, dass ein Pavillon direkt weggeweht wurde. Aber darum geht es ja auch bei der Mahnwache: zu zeigen, wie schwierig das Leben für Menschen auf der Straße ist«, sagt Steffen Doebert vom Bündnis gegen Obdachlosigkeit, das die Aktion auf die Beine gestellt hat. Mehrere Hundert Menschen haben laut Doebert zwischen Donnerstag und Samstag an der Mahnwache teilgenommen. »So groß wie dieses Jahr war es noch nie. Ich hoffe, dass die Aufmerksamkeit weiter wächst, solange sich nichts ändert und es notwendig bleibt«, sagt er.
Teil des Bündnisses ist auch Aktivist Matze. Er selbst war lange obdachlos, bekam erst vor Kurzem eine Wohnung. »Wenn ich eine Wahl gehabt hätte, wäre ich dort nie eingezogen. Es ist eine Ein-Raum-Wohnung, aber ich möchte nicht alleine wohnen«, sagt er. Viel lieber wäre er zum Beispiel in das kürzlich besetzte und nun für Wohnungslose beziehbare Haus in der Habersaathstraße gezogen, denn dort gebe es eine lebendige Hausgemeinschaft. »Aber ich weiß auch, dass ich dort jederzeit auftauchen kann und herzlich aufgenommen werde«, sagt Matze.
Zur Unterstützung der Mahnwache ist am Samstag auch Fazima von der Schlafplatzorga gekommen. »Wir vermitteln Schlafplätze an Geflüchtete und alle anderen, die dringend einen brauchen«, erzählt sie. Wenn zum Beispiel in Wohngemeinschaften für eine Weile ein Zimmer frei ist, könne es Menschen angeboten werden, die keine eigene Wohnung mieten können. »Wir bauen dabei solidarische Netzwerke auf. Menschen, die illegalisiert werden, brauchen gleichen Zugang zu Ressourcen und Unterstützung«, sagt Fazima. Steffen Doebert freut sich sehr darüber, dass das Bündnis gegen Obdachlosigkeit in diesem Jahr besonders viele Themen sozialer Gerechtigkeit anspricht. »Es ging natürlich viel um Obdachlosigkeit und Wohnungslosigkeit, aber auch um Rassismus und Polizeigewalt, und irgendwie gehört am Ende alles zusammen«, so der Aktivist.
Nur eines habe gefehlt: interessierte Politiker*innen. »Es ist einfach gar niemand aus der Stadtpolitik vorbeigekommen. Ich hätte mir von einer linken Regierung erwartet, dass sie sich blicken lassen. Für wen machen die denn überhaupt Politik, wenn nicht für uns, die Menschen der Stadt?«, fragt Doebert. Denn gerade eine Mahnwache, die aus gutem Grund direkt vor dem Roten Rathaus stattgefunden habe, hätte die beste Gelegenheit für Gespräche geboten, mit Aktivist*innen wie mit »Selbstvertreter*innen«, die Wohnungs- und Obdachlosigkeit aus eigener Erfahrung kennen - »auf Augenhöhe«, betont Doebert.
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