Weißes Gold für den Superzyklus

Steigende Preise der Industriemetalle gefährden den Klimaschutz

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 3 Min.

Der raue Wind der Märkte bläst der Energiewende heftig entgegen. Kostensteigerungen durch Klimapolitik und explodierende Öl- und Gaspreise belasten private Haushalte - Experten sprechen schon von »Greenflation«. In den vergangenen Monaten haben zudem die Weltmarktpreise für zentrale Rohstoffe stark zugelegt, insbesondere für Industriemetalle.

Nach dem Einbruch im April 2020, ausgelöst durch den ersten globalen Lockdown in der Corona-Pandemie, sind die Rohstoffpreise deutlich über das Vorkrisenniveau gestiegen. Der HWWI-Index für Industrierohstoffe legte im Vergleich zu Dezember 2019 um mehr als 70 Prozent zu und erreichte im Mai 2021 erstmals sein Zehnjahreshoch. Seither bewegen sich die Preise auf dieser Höhe.

Claudia Wellenreuther, Rohstoffexpertin des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts (HWWI), fragte denn auch bereits in der Fachzeitschrift »Wirtschaftsdienst«, ob diese enormen Preissteigerungen allein eine Auswirkung der Corona-Pandemie und damit von kurzer Dauer seien oder ob sie den Beginn »eines neuen Rohstoff-Superzyklus« einläuten.

Verschiedene Metalle werden infolge von Dekarbonisierung und Digitalisierung in den Vordergrund rücken. »Die Hauptbestandteile in Technologien zur Erzeugung oder Speicherung von erneuerbaren Energien sind Metalle wie Kupfer, Nickel, Kobalt und Lithium«, erläutert Lukas Boer, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin.

Beispielsweise wird Kupfer zur Erzeugung von Solarenergie, Wind-, Wasser- und Bioenergie gebraucht. Nickel ist Bestandteil von Batterien und wird gleichzeitig in Anlagen zur Erzeugung von Windenergie und geothermischer Energie verbaut. Kobalt und Lithium sind Hauptbestandteile von Batterien.

Die Internationale Energieagentur in Paris hat ein Szenario skizziert, in dem die globalen CO2-Emissionen 2050 auf »netto null« fallen würden, also Emissionsneutralität herrschte. In diesem Fall würde über die nächsten 20 Jahre der Bedarf an Lithium am stärksten zulegen. Die jährliche Produktion müsste dann auf das mehr als 20-Fache steigen, die Kobaltproduktion auf das Sechsfache und die Nickelproduktion auf das Dreifache. Die ohnehin umfangreiche Kupferproduktion würde sich verdoppeln.

Nun sind seltene Metalle nicht wirklich selten. »An sich ist es kein Problem, diesen Bedarf zu fördern, da die Erdkruste genug Vorkommnisse dieser Metalle bereithält«, so Boer. Das Problem sei der knappe Zeithorizont, da diese Metalle schon heute benötigt werden. Zudem ist der Ressourcenverbrauch beim Abbau gewaltig. Bislang wird etwa Lithium unter sehr großem Wasserbedarf aus Salzseen in Chile und Argentinien gefördert. Das »weiße Gold«, wie es Investoren nennen, kommt großenteils aus Australien und China.

Künftig dürften Boliviens Salzseen stärker ins Blickfeld geraten. Dort lagern die mit Abstand größten Vorräte weltweit. Aber auch Deutschland verfügt über erhebliche Lithiumlager. Wie sensibel die Marktteilnehmer agieren, zeigt beispielhaft der Palladiumpreis, der in diesen Tagen durch die Decke geht. »Hinter dem Preissprung stehen offenbar Sorgen vor Angebotsausfällen im Falle einer möglichen Eskalation der Ukraine-Krise«, so die Commerzbank-Analysten. Denn Russland könnte als Antwort auf mögliche Sanktionen westlicher Länder den Export von Palladium einschränken oder ganz stoppen.

Für Putins Reich wären die Exportverluste eher klein, die Auswirkungen im Westen dagegen groß. Russland ist mit einem Anteil von 38 Prozent knapp hinter Südafrika der weltweit zweitwichtigste Produzent. Palladium ist ein wesentlicher Bestandteil von Katalysatoren. Die Automobilindustrie hätte dann nicht nur mit der noch andauernden Chip-Knappheit zu ringen, sondern müsste auch noch mit einem Palladium-Engpass zurechtkommen.

Metalle könnten also das Öl von morgen sein. Allerdings dürften die Bergbaukonzerne angesichts eines erwarteten Superzyklus ihre Kapazitäten drastisch ausweiten. Gleichzeitig könnte die Politik ehrgeizige Recyclingquoten festlegen und für eine effizientere Nutzung der Ressourcen sorgen, um die Förderung von Metallen und deren Preise langfristig zu begrenzen.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -