- Berlin
- Corona und Schulen
Berliner Amtsärzte kriegen ihren Willen
Auch an den Schulen der Hauptstadt entfällt nun endgültig die Quarantäne für Kontaktpersonen
Wie in den Berliner Kitas treten auch an den Schulen mit Beginn des zweiten Schulhalbjahres an diesem Montag neue Quarantäneregelungen für Kontaktpersonen von positiv auf Corona getesteten Schülern in Kraft. Wobei die Neuregelung eigentlich nur bedeutet, dass die Quarantäne faktisch entfällt.
Wie die Senatsbildungsverwaltung den Schulleitungen am Freitagnachmittag mitteilte, werden bei positiven Schnelltestergebnissen in der Schule nur noch die betreffenden Schüler einer Lerngruppe nach Hause in die sogenannte Isolation geschickt. Alle anderen gehen, sofern sie symptomfrei sind, weiterhin jeden Tag zur Schule, werden aber an fünf aufeinanderfolgenden Unterrichtstagen getestet. »Test to Stay« nennt sich das Verfahren: Testen, um zu bleiben.
Eine ähnliche Regelung wurde am vergangenen Mittwoch für die Kitas bekannt gegeben (»nd« berichtete). Dort wie jetzt auch an den Schulen haben damit die Gesundheitsämter ihren Willen durchgesetzt. Schon vor über zwei Wochen hatten die Ämter im Zuge der Einstellung der Kontaktpersonennachverfolgung an den Schulen darauf gedrängt, die bisherigen Quarantäneregeln über Bord zu werfen und durch tägliche Testungen zu ersetzen. Einige, aber bei weitem nicht alle Schulen zogen mit.
Nun heißt es also für alle verbindlich: Testen, um zu bleiben. Und vor allem: »Erziehungsberechtigte können ihre Kinder nicht von sich aus vorsorglich unter Quarantäne stellen.« Eine Quarantäneanordnung könne künftig nur noch von den Gesundheitsämtern ausgesprochen werden. Die sind zwar völlig überlastet - aber geschenkt. Die Strategie »sichert ein höchstmögliches Maß an Sicherheit vor Ansteckung« mit dem Coronavirus »bei gleichzeitiger weitestgehender Sicherung der Teilnahme am Präsenzunterricht«, ist sich das Haus von Bildungssenatorin Astrid-Sabine Busse (SPD) dennoch sicher.
Deutlicher Widerspruch kommt vom Landeselternausschuss. »Es gibt keine Aussage dazu, ob dieser Ansatz unter der Dominanz der Omikron-Variante tatsächlich einen wirksamen Schutz vor Folgeansteckungen durch enge Kontaktpersonen darstellt«, kritisieren die Elternvertreter in einer auf Twitter verbreiteten Stellungnahme. Die entsprechenden Entwicklungsszenarien würden aus dem Herbst 2021 stammen, als noch die Delta-Variante verbreitet war. Der Landeselternausschuss fordert die Bildungsverwaltung daher auf, »sich bei den zuständigen Stellen für die Rückkehr zur bekannten Quarantäneregelung einzusetzen«.
Problematisch an der Strategie scheint nicht zuletzt das unbedingte Vertrauen in die Qualität der Testungen vor Ort. So hält sich die Aussagekraft der Ergebnisse bei den an Berlins Schulen eingesetzten Schnelltests einer aktuellen Übersicht des Paul-Ehrlich-Instituts zufolge in Grenzen. Demnach schlagen die Tests nur bei sehr hoher Viruslast verlässlich an, bei hoher Viruslast sinkt die Sensitivität unter 40 Prozent. Trotzdem reicht für infizierte Schüler nach fünf Tagen Isolation nun ein negativer Schnelltest, um am Unterricht wieder teilnehmen zu können.
In dem am Freitag verschickten Schreiben der Bildungsverwaltung an die Schulleitungen heißt es: »Wir hoffen, dass Sie sich während der Ferientage in der vergangenen Woche gut erholen konnten und jetzt mit neuer Kraft in das zweite Schulhalbjahr starten können.« Tatsächlich dürften Beschäftigte, Schüler und Eltern weiterhin viel Kraft brauchen. In den Altersgruppen der 5- bis 19-Jährigen wurden in der Ferienwoche rund 15.000 Neuinfektionen gemeldet. Dunkelziffer unbekannt.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.