Blankovollmacht für Kürzungen

Der neue Haushalt des Thüringer Landtags ist ein klassischer Kompromiss - 330 Millionen sollen eingespart werden

  • Sebastian Haak, Erfurt
  • Lesedauer: 4 Min.

Was zwischenzeitlich kaum noch als möglich galt, ist nun gelungen: Das rot-rot-grün regierte Thüringen hat einen Landeshaushalt für 2022. Und das Anfang Februar. Genauso, wie es sich vor allem Vertreter von Linken, SPD und Grünen seit dem Spätsommer 2021 gewünscht hatten. Zeitpläne und Fristen waren hin und her gewendet worden, und relativ schnell war den rot-rot-grünen Spitzen damals klar: Wenn wir uns beeilen, können wir diesen Termin schaffen, früher keinesfalls; wenn es größere Probleme auf dem Weg zu diesem Haushalt gibt, wird es später. In Thüringen hängt so etwas längst nicht mehr nur am Willen dieser drei Parteien beziehungsweise ihrer Landtagsfraktionen und ihrer Vertreter. Denn seit der Landtagswahl vom Oktober 2019 hat Rot-Rot-Grün bekanntermaßen keine eigene Mehrheit mehr.

Dass es nun doch und auch noch zu diesem Zeitpunkt geklappt hat mit dem Landeshaushalt 2022 liegt deshalb maßgeblich an der CDU, mit der sich die Minderheitskoalitionäre auf einen gemeinsamen Haushaltsentwurf geeinigt hatten - nach einer 22 Stunden dauernden Sitzung, der noch mehrere Nachverhandlungen zu bestimmten inhaltlichen Projekten gefolgt waren, die die vier Fraktionen nun gemeinsam umsetzen wollen. Oder müssen. Wie etwa die Ausrüstung der Thüringer Polizei mit Bodycams.

Einigermaßen erleichtert hatte man sich damals ob dieses Verhandlungserfolges gegeben. »Damit bekommt Thüringen wie zugesagt für das Jahr ’22 einen Haushalt, der in der ersten Sitzung des Landtages in diesem Jahr beschlossen wird«, hatte Linke-Fraktionsvorsitzender Steffen Dittes gesagt. CDU-Fraktionschef Mario Voigt hatte erklärt, aus seiner Sicht habe die Union diesen Haushalt überwiegend gestaltet. »Wir haben 80 Prozent unserer Forderungen umgesetzt.« Damit hatte er die Debatte um die Frage eröffnet, wer sich bei den entsprechenden Verhandlungen eigentlich durchgesetzt hat und wer nicht. Seit Tagen tobt die Debatte: bei Twitter, via Pressemitteilungen und am Donnerstag bei der abschließenden Debatte zum Haushalt im Thüringer Landtag auch im Plenarsaal.

Die Wahrheit ist: Dieser Haushalt ist ein klassischer Kompromiss, bei dem alle Seiten gegeben und genommen haben. Die CDU zum Beispiel hat ein Programm für Dorfläden bekommen und eine sogenannte globale Minderausgabe. Rot-Rot-Grün hat verhindert, dass die Union das Thüringer Landesprogramm für Demokratie zusammenstreicht und durchgesetzt, dass es mehr Geld für die Integration von Zugewanderten gibt. Insgesamt liegt das Haushaltsvolumen für das laufende Jahr bei etwa 11,9 Milliarden Euro.

Demokratietheoretisch freilich ist all das eine gute Sache, weil sie zeigt, dass verschiedene demokratische Fraktionen sich trotz aller politischen Unterschiede in wichtigen Fragen durchaus auf Kompromisse verständigen können und sich auch an Absprachen halten. Und das selbst dann, wenn die einen auf der Regierungs- und die anderen auf der Oppositionsseite stehen und es keine formale Verabredung zwischen ihnen gibt - so wie es etwa der sogenannte Stabilitätsmechanismus war, über den Linke, SPD, Grüne und CDU das Land im März 2020 aus einer tiefen politischen Krise geführt hatten, nachdem sich vor ziemlich genau zwei Jahren der FDP-Politiker Thomas Kemmerich mit den Stimmen von CDU und AfD zum Ministerpräsidenten des Freistaats wählen ließ. Als der Haushalt am Freitag im Landtag zur Schlussabstimmung stand, fiel deren Ergebnis genauso aus wie es verabredet beziehungsweise erwartet worden war, ohne dass es den Stabilitätsmechanismus noch gäbe: Linke, SPD, Grüne und CDU stimmten dafür, FDP und AfD dagegen.

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Allerdings verbindet sich mit diesem Landeshaushalt ein großes Aber. Eines, für das die CDU verantwortlich ist und das noch für allerhand Ärger in der Thüringer Landespolitik in diesem Jahr sorgen dürfte: eben jene, von der CDU geliebte, globale Minderausgabe, die ein Volumen von 330 Millionen hat. Dittes hat sie zuletzt mehrfach »das schlechte haushaltspolitische Instrument« genannt.

Denn im Kern haben die Abgeordneten der Landesregierung damit aufgetragen, in diesem Jahr 330 Millionen einzusparen, ohne ihr zu sagen, wo und wie sie das tun soll. So haben sie der Regierung - und indirekt der Landesverwaltung - gleichzeitig eine Blankovollmacht für Kürzungen auch an solchen Projekten ausgestellt, die den Abgeordneten besonders wertvoll sind. SPD-Fraktionsvorsitzender Matthias Hey sagt dazu: »Dieses Risiko hat die CDU genauso wie wir.«

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