• Kultur
  • »Wild Card« von Tade Thompson

Alle spielen falsch

»Wild Card« von Tade Thompson ist ein Migrations-Politthriller mit satirischen Anklängen

  • Eric Breitinger
  • Lesedauer: 2 Min.

Ein Einwanderer namens Weston Kogi verdient seine Brötchen wenig glamourös: Als Wachmann steht er sich in einem Londoner Supermarkt die Beine in den Bauch. Als seine Tante stirbt, reist der Endzwanziger in seine westafrikanische Heimat zurück. Im Roman »Wild Card« heißt dieses Land Alcasia, doch es ist unschwer als Nigeria zu erkennen.

Auf der Beerdigung trifft Kogi zufällig seine Ex-Freundin Nana, die er einst hatte sitzen lassen, und einen früheren Schulkollegen, der sich einen Spaß daraus gemacht hatte, ihn zu drangsalieren. Rückkehrer Kogi will vor ihnen nicht als Loser dastehen und prahlt damit, als Detektiv bei Scotland Yard zu arbeiten. Zwei rivalisierende Rebellengruppen heuern ihn daraufhin an, um den Mord an einem geachteten Konsenspolitiker der jeweils anderen Gruppe anzuhängen. Auf seiner Jagd nach der Wahrheit begegnet Kogi brutalen Geheimdienstlern, verführerischen Frauen und Intrigen aller Art. Jeder spielt falsch, und Kogi muss aufpassen, nicht den Überblick zu verlieren - und nicht sein Leben.

Autor Tade Thompson ist in London geboren und in Nigeria aufgewachsen. Er lebt seit 1998 in England, arbeitet als Psychiater und hat sich mit Science-Fiction-Romanen einen Namen gemacht. In »Wild Card« bedient er sich der Figur des US-amerikanischen Hardboiled Detectives, eines hartgesottenen Ermittlers à la Philip Marlowe, um die Verhältnisse auszuloten. Sein Land Alcasia krankt an exzessiver Gewalt, Korruption, einem allseits akzeptierten toxischen Männlichkeitsideal und der Abwesenheit von Gemeinsinn.

»Wild Card« überzeugt als atemloser Politthriller mit satirischen Anklängen. Aber der Roman erzählt zugleich sehr realistisch von den typischen Erfahrungen vieler Migranten: dem Glücksgefühl, nach der Heimkehr an jeder Straßenecke das leckere Essen aus der Kindheit riechen zu können, der Sehnsucht nach einem neuen, ruhigen Leben und ihrem permanenten Hin und Her zwischen zwei Welten und Identitäten. Auch ein Held wider Willen wie Weston Kogi bleibt vor allem eines: ein Fremder.

Tade Thompson: Wild Card. A. d. Engl. v. Karl-Heinz Ebnet. Suhrkamp, 330 S., br., 9,95 €.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.