• Berlin
  • Soziale Folgen Corona-Pandemie

Enttäuscht, zerrüttet, gestresst

Brandenburger Familien erleben in der Pandemie zwangsläufig mehr Gemeinschaft und sehen sich in vielem allein gelassen

  • Claudia Krieg
  • Lesedauer: 4 Min.

Die Erinnerung trügt: Eine Stresssituation zu bewältigen heißt nicht, dass sie spurlos an einem vorübergeht. »Die Betreuung meines dreijährigen Kindes versus Homeoffice war nahezu unmöglich und es enttäuscht mich, dass das Land das von uns erwartet und gefordert hat.«

Dies ist nur eine Elternstimme von über 1600 Teilnehmer*innen an der Studie »Meine Familie, Corona und Ich«, die Projektleiterin Alexandra Schmidt-Wenzel am Mittwoch im Gesundheitsausschuss des Brandenburger Landtags vorstellt. Die Studie, eine Kooperationsforschung der Landesarbeitsgemeinschaft der Familienverbände im Land Brandenburg (LAGF) und des Fachbereichs Sozial- und Bildungswissenschaften der Fachhochschule Potsdam, zeigt die Ergebnisse einer Befragung, die im August und September des vergangenen Jahres durchgeführt wurde.

Sie belegt, wie tiefgehend die Erfahrung zu bewältigender Herausforderungen und Widrigkeiten im Rahmen der pandemiebedingten Einschränkungen vor allem für Familien mit Kindern war. Die Erhebung, so Schmidt-Wenzel, zeige auch, wie grundlegend das Erlebte noch nachwirkt.

»Die Folgen der Pandemie werden uns noch beschäftigen, wenn die Inzidenzen längst bei null sind«, sagt dazu Matthias Milke von der LAGF. Die über 1600 ausgefüllten Fragebögen spiegelten ein großes Bedürfnis, sich mitzuteilen, so Milke. Auch wollten die Teilnehmenden gehört werden, »vor allem von den Entscheidern in der Landespolitik«.

»Es ist eine komplexe Untersuchung geworden«, sagt Projektleiterin Schmidt-Wenzel. Sie stelle aufgrund der Teilnehmenden vor allem die Perspektive von Frauen dar, die mit 85 Prozent deutlich die Mehrheit bildeten. Der Großteil sei zum Zeitpunkt der Befragung zwischen 30 und 49 Jahre alt gewesen (85 Prozent), der überwiegende Anteil lebt laut eigenen Angaben in einer Partnerschaft (80 Prozent), darunter ein Viertel in sogenannten Patchworkfamilien. 15 Prozent sind alleinerziehend. Nahezu alle Teilnehmer*innen sind berufstätig und Eltern von Kindern im Alter zwischen sechs und 13 Jahren oder älter und waren damit von Homeschooling betroffen.

Dementsprechend wurden die größten Belastungen auch in den Bereichen Berufstätigkeit, Kinderbetreuung und Homeschooling wahrgenommen. Dabei erlebte die überwiegende Zahl der Eltern nicht nur die einzelnen Bereiche als besondere Belastung, sondern auch deren Vereinbarkeit miteinander. »Homeschooling und Dauerbetreuung kannten wir nicht«, erinnert Schmidt-Wenzel.

Eine Frau erklärt, sie habe »die Betreuung von zwei Kindern zu 95 Prozent allein übernommen, damit mein Mann, der einen Großteil des Familienbudgets verdient, in Ruhe im Homeoffice arbeiten konnte«. Eine »hoffnungslose Überlastung als alleinerziehende Berufstätige von zwei Kindern« gab eine andere Teilnehmerin zu Protokoll. Angesichts der Unberechenbarkeit der Situation sowie fehlender Möglichkeiten zur Planung und Organisation der neuen Anforderungen gelang es den meisten Familien nur unter größter Anstrengung, den grundlegenden Bedürfnissen aller Familienmitglieder gerecht zu werden.

Knapp die Hälfte der Befragten erlebte sich als psychisch enorm belastet bis hin zu erkrankt. Es sei zu deutlich mehr Konflikten innerhalb der Familie und der Paarbeziehung gekommen. Fast alle Eltern habe die Sorge um die seelische Gesundheit ihrer Kinder beschäftigt sowie deren weitere Bildungschancen, die sie im Zuge von Homeschooling gefährdet sahen. »Statt Hobbys und Sport stundenlanger Medienkonsum« beklagt eine Teilnehmerin mit Blick auf ihren Sohn während des Lockdowns. Eine andere beschreibt, wie ihre Tochter die Sorge entwickelt habe, ihren Eltern könne »etwas Schlimmes passieren, das kannten wir vor der Pandemie nicht«. 90 Prozent der Befragten wünschen sich daher mehr Organisation im Bereich Schule und Bildung.

Allerdings nahm etwa die Hälfte der Befragten auch positive Effekte auf das Familienleben wahr. Bei aller Herausforderung erfuhr zumindest etwa ein Viertel der Teilnehmenden einen Zuwachs an Verbundenheit untereinander. Auch der Kontakt und die Unterstützung durch Verwandte sowie nahestehende Personen im sozialen Umfeld half fast allen Familien, krisenhafte Momente zu bewältigen. Hingegen spielten Beratungs- und andere Unterstützungsangebote eine nachgeordnete Rolle, obwohl der Bedarf nach Hilfe und Entlastung enorm groß gewesen sei.

»Wichtig war mir, dass es meinen Kindern gut geht, und sie haben die Pandemie bisher sehr gut überstanden. Was das mit uns als Eltern gemacht hat, ist die andere Frage«, erklärt die schon eingangs zitierte Mutter des Dreijährigen.

Man müsse Eltern dringend zur Selbstsorge ermuntern, sagt Matthias Milke: »Jetzt müssen die Akkus aufgeladen werden.«

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