- Ratgeber
- Einrichtungsbezogene Impfpflicht
Was gilt und was dürfen Arbeitgeber rechtlich wirklich tun?
ETL-Rechtsanwälte zur (angeblichen) Impflicht ab 16. März 2022
Ins Blickfeld rückt daher das Infektionsschutzgesetz (IfSG), denn dort ist in § 20a IfSG die besagte einrichtungsbezogene Impfpflicht geregelt. Aber angesichts des unklaren Gesetzestextes stellen sich vor allem Arbeitgeber die Frage, was sie jetzt tun müssen.
Vorweg: Eine wichtige Unterscheidung § 20a IfSG wird irrtümlich mit einer Impflicht in Verbindung gebracht. Dass das nicht richtig ist, soll nachfolgend erklärt werden. Dennoch stimmt es, dass § 20a IfSG mittelbar dazu führt und auch nach dem Willen des Gesetzgebers dazu führen soll, dass sich Menschen, soweit bislang noch nicht geschehen, gegen das Coronavirus impfen lassen. Das betrifft einstweilen Personen, die bereits in einer der im Gesetz geregelten »Einrichtungen« tätig sind. Was eine solche »Einrichtung« ist, enthält § 20a Abs. 1 IfSG.
Was besagt das Impfpräventionsgesetz?
Die Bundesregierung hat kurz nach Amtsantritt ein neues Impfpräventionsgesetz beschlossen. Das sieht erstmals auch eine Corona-Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen (Personen in (Zahn-)Arztpraxen, Kliniken, Rettungsdiensten, Pflege- und Behinderteneinrichtungen) vor. Diese Impfpflicht soll ab 16. März gelten. Personen, die in diesen Einrichtungen tätig sind, müssen bis zum 15. März 2022 geimpft oder genesen sein (im Sinne der COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmeverordnung).
Welche Folgen hätte eine 3G-Regel?
Beschäftigte in Präsenz am Arbeitsplatz, die weder eine Impfung noch einen Genesenen-Status haben, müssen sich täglich auf Corona testen lassen. Arbeitgeber müssen laut Arbeitsschutzverordnung allen Beschäftigten, die nicht im Homeoffice arbeiten, mindestens zweimal in der Woche Coronatests anbieten. Diese Tests sind Voraussetzung, damit sie zu ihrem Arbeitsplatz dürfen.
Wie ist hier die rechtliche Lage?
Peter Meyer, Fachanwalt für Arbeitsrecht, hält es für vorstellbar, dass diejenigen, die sich den Tests verweigern, mit einer Abmahnung oder im Wiederholungsfall sogar mit einer Kündigung rechnen müssen, weil ein Pflichtverstoß vorliegt. Aber er sieht wesentliche Fragen ungelöst: Was passiert, wenn Arbeitgeber bei Kontrollen nicht die erforderlichen Unterlagen vorweisen können? Dürfen Arbeitgeber zeitweise erfahren, welche Beschäftigten geimpft sind?
Was fordern Arbeitgeber?
Eine 3G-Regel am Arbeitsplatz mache nur mit einem Auskunftsrecht Sinn. Komme der Arbeitnehmer seiner Nachweispflicht nicht nach, werde er nicht mehr beschäftigt werden können, sagen die Arbeitgeber. Es gelte dann der Grundsatz: Ohne Leistung kein Lohn. Offen sei auch, wer die Kosten für die Tests übernimmt. Die Tests sollen vom Staat bezahlt werden, weil »sonst eine organisatorische und auch finanzielle Überforderung vieler Arbeitgeber« drohe.
Ist 2G-Regel am Arbeitsplatz denkbar?
Arbeitsrechtler halten die Umsetzung für äußerst schwierig. Wenn ein Arbeitnehmer nicht arbeiten darf, weil er von seinem Recht Gebrauch macht, sich nicht impfen zu lassen, wäre indirekt »die Beschäftigungsmöglichkeiten gekappt«, was unverhältnismäßig wäre. Der DGB warnt davor, unverhältnismäßig in die Grundrechte der Beschäftigten einzugreifen. So sei eine Auskunftspflicht von Beschäftigten über ihren Corona-Impfstatus abzulehnen. dpa/nd
Zudem ist hinsichtlich der in einer dieser Einrichtungen tätigen Arbeitnehmer aber zu unterscheiden zwischen einem Arbeitnehmer, der schon vor dem 15. März tätig ist - nachfolgend »Alt-Arbeitnehmer« genannt - und solchen Mitarbeitern, die nach dem 15. März ihre Tätigkeit im Rahmen einer Neueinstellung beginnen werden, hier »Neu-Arbeitnehmer« genannt. Letztere sind in der rechtlichen Handhabung einfacher zu beurteilen.
Es ist einigermaßen rechtlich gesichert, dass Neu-Arbeitnehmer ohne den durch das Gesetz geforderten Immunitätsnachweis in den benannten Einrichtungen nicht tätig werden dürfen. Das heißt konkret: Eine solche Person kann nach dem 15. März ohne einen ausreichenden Nachweis der Immunität nicht (neu) eingestellt werden.
Wie aber ist die Situation für Alt-Arbeitnehmer? Dort ist die rechtliche Beurteilung - anders als bei den Neu-Arbeitnehmern - in weiten Teilen unklar.
Nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) gibt es keine Impfpflicht
Tatsächlich ist es so: Eine »echte« Impfpflicht gibt es in Deutschland aktuell nicht. Der viel zitiere Gesetzestext, insbesondere § 20a IfSG, erwähnt das Wort »Impfpflicht« folgerichtig nicht ein einziges Mal. Die Norm ist mit den Worten »Immunitätsnachweis gegen Covid-19« überschrieben. Nach § 20a IfSG ist niemand gezwungen, sich gegen das Coronavirus impfen zu lassen. Das fordert das Gesetz an keiner Stelle. Es mag sein, das ein Ungeimpfter ab dem 16. März 2022 nicht mehr in bestimmten Einrichtungen tätig sein darf und seinen Vergütungsanspruch verliert, das steht auf einem anderen Blatt.
Erst einmal bleibt festzuhalten: Eine Pflicht derjenigen, die etwa in einer Pflegeeinrichtung, Arztpraxis oder Krankenhaus tätig sind, sich bis zu einem bestimmten Datum impfen zu lassen, gibt es nicht! Einen Impfzwang postuliert das Gesetz nicht. Niemand muss befürchten, dass er gegen seinen Willen, womöglich unter Anwendung körperlichen Zwangs geimpft wird.
Was sieht das Gesetz bis zum Ablauf des 15. März vor?
Der § 20a IfSG sieht vor, dass »Personen«, also Arbeitnehmer wie auch Arbeitgeber bis zum Ablauf des 15. März 2022 über einen gültigen Immunitätsnachweis verfügen müssen. Wenn wir an dieser Stelle die sogenannte Kon-traindikation, also die Unverträglichkeit einer Impfung gegen das Coronavirus einmal außen vor lassen, bleiben nur zwei Möglichkeiten, den geforderten Immunitätsnachweis zu erbringen:
erstens entweder eine vollständige Impfung gegen COVID-19 nachzuweisen oder zweitens einen Genesenennachweis zu erbringen. Wer als geimpft bzw. genesen sein anzuerkennen ist, ergibt sich recht einfach aus den Ausführungen des Robert-Koch-Instituts auf dessen Website. Der verlangte Immunitätsnachweis muss bis zu dem besagten Datum »der Leitung der jeweiligen Einrichtung oder des jeweiligen Unternehmens« vorgelegt werden. Erfolgt der Nachweis nicht fristgemäß, muss insbesondere der Arbeitgeber schnellstmöglich eine Mitteilung machen, und zwar grundsätzlich an die örtlich zuständige Gesundheitsbehörde.
Die Nachricht an die Behörde hat die betreffenden Personen zu benennen, mithin sind - so sieht es das Gesetz ausdrücklich vor - personenbezogene Daten zu übermitteln, so dass die Behörde die Personen, die keinen oder einen nicht ausreichenden Nachweis erbracht haben, identifizieren kann. Im Anschluss daran wird die Behörde voraussichtlich die ihr bekannt gewordenen Personen auffordern, ihr gegenüber, also der Behörde gegenüber den geforderten Nachweis zu erbringen.
Geschieht das nicht innerhalb einer angemessenen Frist, kann (nicht muss!) die Behörde der Person untersagen, die jeweilige Einrichtung zu betreten oder gar dort tätig zu werden. Gerichtliche Schritte gegen eine solche behördliche Anordnung haben keine aufschiebende Wirkung. Bis hierhin ist das Gesetz einigermaßen klar, aber ...
Was regelt das Gesetz nach dem 16. März rechtlich alles nicht?
Soweit die Dinge wie vorangehend dargestellt noch einigermaßen nachvollziehbar aus dem Gesetzestext hervorgehen, bleiben eine ganze Reihe praxisrelevanter Fragen bedauerlicherweise ungeklärt:
Was gilt ab 16. März hinsichtlich derjenigen Personen, die bis dahin den geforderten Immunitätsnachweis nicht vorgelegt haben? Dürfen diese Menschen bis zum Ausspruch eines behördlichen Betretungs- und Tätigkeitsverbots weiterarbeiten? Wenn nein, wie steht es um die an sich durch den Arbeitgeber geschuldete Vergütung? Drohen Strafen? Darf/muss der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis kündigen? Fragen, die das Gesetz entweder gar nicht oder nicht eindeutig beantwortet.
Keine Kündigungspflicht für ungeimpfte Arbeitnehmer
Eine Pflicht zur Kündigung ungeimpfter Arbeitnehmer gibt es nicht! Der § 20a IfSG ist ein gutes Beispiel für ein schlecht gemachtes Gesetz. Aber man muss den Gesetzgeber auch in Schutz nehmen. Es kann nicht die Aufgabe des IfSG sein, darüber zu befinden, unter welchen Voraussetzungen der Arbeitgeber aus dem fehlenden Immunitätsnachweis eines oder mehrerer Arbeitnehmer arbeitsrechtliche Konsequenzen zieht.
Um es klar zu sagen: Das Gesetz schreibt keinem Arbeitgeber vor, ungeimpfte Arbeitnehmer zu kündigen, sondern verbietet lediglich die Einstellung eines (Neu-)Arbeitnehmers, der über keinen ausreichenden Immunitätsnachweis verfügt. Wie mit den Alt-Arbeitnehmern zu verfahren ist, lässt das Gesetz offen. Insbesondere gibt es keine »Kündigung nach Infektionsschutzgesetz«.
Gibt es eine zulässige Beschäftigung von Alt-Arbeitnehmern über den 16. März 2022 hinaus? Die wahrscheinlich alles entscheidende Frage ist die nach der gegebenenfalls auch nur vorübergehenden Weiterbeschäftigung von Alt-Arbeitnehmern nach dem 16. März. Hier ist eines wiederum klar: Das Gesetz klärt diese Frage nicht! Nicht in § 20a IfSG und auch nicht in § 73 IfSG.
Bußgeldvorschriften bleiben bis zur Klärung durch Gesetzgeber unklar
Der § 73 IfSG befasst sich mit Bußgeldvorschriften, die im Zusammenhang mit Verstößen gegen das IfSG stehen. Auch insoweit lassen sich dem Gesetz eindeutige Antworten zu der aufgeworfenen Frage nicht entlocken. Wer im Internet oder anderswo recherchiert, wird widersprüchliche Antworten finden, was ein sicherer Hinweis darauf ist, dass jedenfalls der Gesetzeswortlaut (leider) nicht ergiebig ist.
Die Frage bleibt rechtlich gesehen bis zu einer Klärung durch den Gesetzgeber oder durch angerufene Gerichte einstweilen unbeantwortet. Das gilt übrigens auch für die Frage, ob der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über den 16. März hinaus ohne Arbeitsleistung vergüten muss, wenn sich der Arbeitgeber entscheiden sollte, den Arbeitnehmer, der keinen Immunitätsnachweis eingereicht hat, (einstweilen) nicht weiter beschäftigen zu wollen.
Der Autor ist Rechtsexperte der ETL-Gruppe in Köln, siehe auch unter koeln@etl-rechtsanwaelte.de
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