Weniger Kreißsäle in Schleswig-Holstein

Hebammen schlagen Alarm, die Versorgung werde schlechter

  • Dieter Hanisch, Eckernförde
  • Lesedauer: 3 Min.

Die wohnortnahe geburtshilfliche Versorgung wird in Schleswig-Holstein immer schlechter. In Ratzeburg hat gerade ein Kreißsaal geschlossen, in Eckernförde droht die dauerhafte Schließung, und auch für Preetz wurde zuletzt darüber diskutiert. Landesweit haben in den letzten 15 Jahren zehn von einst 28 Kreißsälen geschlossen.

Mit einem Brandbrief an Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) haben nun die Hebammen das Thema auf die Agenda im Landtagswahlkampf gehoben. Die SPD-Landtagsfraktion teilt die Sorgen und hat in Anlehnung an den gerade im Bund beschlossenen Ampel-Koalitionsvertrag einen Forderungskatalog zur Absicherung der Geburtshilfe als Grund- und Regelversorgung vorgelegt. Im Kieler Gesundheitsministerium sieht man hingegen keinen Handlungsbedarf und verweist auf die Erfüllung der Vorgaben des Gemeinsamen Bundesausschusses, wonach ein Anfahrtsweg von 40 Minuten in die nächste Entbindungsklinik zumutbar sei.

Spaß und Verantwortung

Olga Hohmann versteht nicht, was Arbeit ist und versucht, es täglich herauszufinden. In ihrem ortlosen Office sitzend, erkundet sie ihre Biografie und amüsiert sich über die eigenen Neurosen. dasnd.de/hohmann

Für den in Sachen Geburtshilfe engagierten Elternverein Mother Hood ist das eine willkürliche Vorgabe ohne wissenschaftliche Grundlage. In Eckernförde demonstrierten am Samstag rund 2500 Menschen für den Erhalt der der Imland-Klinik samt Geburtsstation. Der Kreistag als zuständiges politisches Gremium will an diesem Montag über deren Zukunft abstimmen.

Wegen millionenschwerer Defizite soll der Leistungskatalog der Standorte Rendsburg und Eckernförde großteils zusammengeführt werden. Die Geburtshilfe in Eckernförde würde dieser von der Klinikleitung vorgeschlagenen Zentralisierung zum Opfer fallen.
Auf der Demonstration benannte die Landesvorsitzende des Hebammenverbandes, Anke Bertram, als Ursache vor allem ökonomische Interessen. Ein System, in dem immer weniger Kreißsäle immer mehr Frauen am Geburtstermin »durchtakten« würden, gehöre »in die Tonne«. Bertram appellierte an die Bundespolitik, die Fallpauschalen im Gesundheitswesen abzuschaffen – ein Aufruf, mit dem sie bei der schleswig-holsteinischen Bundestagsabgeordneten der Linken, Cornelia Möhring, offene Türen einrennt. »Geburten sind nicht planbar oder werden dies nur, wenn in den normalen Verlauf eingegriffen wird. Deshalb brauchen wir ein anderes, ein bedarfsgerechtes Finanzierungssystem«, fordert Möhring.

Zur Kreißsaal-Schließung am DRK-Krankenhaus in Ratzeburg argumentiert man mit einer rückläufigen Geburtenrate unter 300 Entbindungen pro Jahr und fehlenden Belegärzten. Nach drei ausgeschiedenen Geburtshilfe-Gynäkologen sei man laut Krankenhausleitung personell nicht mehr in der Lage gewesen, den Kreißsaal weiter zu betreiben. Für das vom Kreis Plön als Träger betriebene Krankenhaus in Preetz spricht die Geburtsratenstatistik zwar ebenfalls gegen eine noch lang anhaltende Zukunft des Kreißsaals, doch der Hauptausschuss des Kreistages hat sich in der Vorwoche einstimmig für den Erhalt der Geburtshilfe ausgesprochen.

Ausgerechnet in der aktuellen Zukunftsdiskussion ist das Image der Eckernförder Geburtshilfestation durch einen Todesfall vom 17. November erschüttert worden: Ein Neugeborenes kam mutmaßlich durch Sauerstoffmangel ums Leben. Die Klinikleitung hat bis auf weiteres einen Aufnahmestopp verfügt, weil staatsanwaltliche Ermittlungen laufen, ein abschließender Obduktionsbericht aber noch nicht vorliegt. Mitte Januar wurde zudem bekannt, dass in den vergangenen zwei Jahren in Eckernförde möglicherweise 60 Geburten stattgefunden haben, die wegen eines erhöhten gesundheitlichen Risikos für Mutter und Kind eigentlich in eine medizinisch höher qualifizierte Geburtsklinik hätten überwiesen werden müssen.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -