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Mit Körpereinsatz gegen Gewalt
Im Rahmen der Aktion »One Billion Rising« demonstrieren Menschen weltweit für die Rechte von Frauen
Jeder Mensch kennt eine Frau, die schon mal Gewalt oder sexualisierte Gewalt erlebt hat. Die Betroffenen sprechen nur selten darüber, weswegen das Ausmaß geschlechtsspezifischer Gewalt oft schwer vorstellbar ist. Laut den Vereinten Nationen wird eine von drei Frauen auf der ganzen Welt im Laufe ihres Lebens geschlagen oder vergewaltigt. Das sind eine Milliarde Frauen und Mädchen. Um darauf aufmerksam zu machen und dagegen zu protestieren, findet jährlich am 14. Februar, dem Valentinstag, die Aktion »One Billion Rising« (Eine Milliarde erhebt sich) statt.
Unter dem Motto »Rise for the Bodies of All Women, Girls & the Earth« versammeln sich daher auch dieses Jahr wieder zahlreiche Menschen weltweit. »Wir erleben die verheerenden Folgen des Patriarchats, des Imperialismus, des Kapitalismus und des Rassismus auf der Welt. Wir sehen einen zerstörerischen Machtkampf um die Körper der Frauen und den Körper der Erde«, heißt es auf der Webseite zum diesjährigen Motto. Nicht zuletzt durch die Corona-Pandemie hätten Frauen weltweit mehr Vergewaltigungen, mehr Übergriffe durch Partner, mehr Ausbeutung, mehr Verlust reproduktiver Rechte erlebt.
Olga Hohmann versteht nicht, was Arbeit ist und versucht, es täglich herauszufinden. In ihrem ortlosen Office sitzend, erkundet sie ihre Biografie und amüsiert sich über die eigenen Neurosen. dasnd.de/hohmann
»One Billion Rising« will das Bewusstsein dafür schärfen und die gesellschaftliche Einstellung gegenüber Gewalt gegen Frauen verändern. Die Kampagne soll ein Schlaglicht auf Ungerechtigkeit und grassierende Straflosigkeit werfen. Sie soll Menschen an öffentlichen Orten zusammenbringen, um sich gemeinsam zu erheben, Kraft und Solidarität zu demonstrieren und, um zu tanzen. Denn Tanz biete die Möglichkeit, Raum einzunehmen, sich gemeinsam zu bewegen, obwohl es keine festgelegte Richtung gibt, so die New Yorkerin Eve Ensler, Initiatorin der Aktion.
Die Feministin und Aktionskünstlerin ist mit ihrem 1996 erschienenen Buch »Die Vagina-Monologe« bekannt geworden, das später in Theaterinszenierungen weltweit Erfolge feierte. So lasen die Schauspielerin Whoopi Goldberg und die Sängerin Alanis Morissette aus dem Buch vor, das Gespräche mit verschiedensten Frauen sammelt. Darin geht es um Lust und Liebe, um Intimrasur und Tampons, aber auch um häusliche Gewalt und Vergewaltigung. In Deutschland war unter anderem Schauspielerin Katja Riemann mit den durchaus umstrittenen Monologen auf der Theaterbühne zu sehen.
Die Reaktionen auf das Stück sollen Ensler dazu inspiriert haben, 1998 die Bewegung »V-Day« zu starten. Das V steht dabei für Voices, Victory, Valentine und Vagina. Die Bewegung veranstaltet Benefizaufführungen der »Vagina-Monologe«, wobei teils über 250 000 US-Dollar an Spenden gesammelt wurden, für Gruppen und Organisationen gegen Gewalt und die Finanzierung von Frauenhäusern. 2011 eröffnete V-Day zusammen mit der von Friedensnobelpreisträger Denis Mukwege gegründeten Panzi Foundation und mit Unterstützung von UNICEF die »City of Joy«. Sie ist ein Zufluchtsort für Überlebende sexualisierter Gewalt in der Demokratischen Republik Kongo. Zum 15. Jahrestag des V-Day, dem 14. Februar 2013, initiierte Ensler schließlich die Kampagne »One Billion Rising«. Seitdem kommen an diesem Tag Menschen in der ganzen Welt zusammen, um sich gemeinsam gegen Gewalt gegen Frauen und Mädchen zu erheben.
In einigen afrikanischen Ländern wie Nigeria, Namibia und der Demokratischen Republik Kongo finden dieses Jahr Veranstaltung in Solidarität mit Frauen in Afghanistan statt. Die »City of Joy« etwa wolle die Erfahrungen über Auswirkungen von Krieg mit den Ereignissen in Afghanistan in Verbindung bringen, heißt es zu der Veranstaltung in der kongolesischen Stadt Bukavo. Im indischen Dvaraka legt die Sahas Foundation für Bildungsarbeit zu den Themen Gender, Sexualität und reproduktive Gesundheit einen Fokus darauf, dass es nicht okay ist, Frauen anzustarren. »Wir laden junge Frauen ein, Erfahrungen zu teilen, bei denen sie von Männern im öffentlichen Raum angestarrt wurden, wie sie sich gefühlt haben und ob sie dies anfechten oder melden konnten«, lautete die Beschreibung des Events »Stop Staring«.
»Wir werden immer mehr ...«: Renate Christians über »Omas gegen Rechts« und Zivilcourage gegen Hass und Gewalt, die sich auch gegen Frauen und Mädchen richten.
In Berlin wird am Montagabend vor dem Brandenburger Tor getanzt. Zu dem Song »Break the Chain« (»Sprenge deine Ketten«) wird nach einem Jahr im »digitalen Exil«, wie die Veranstalter*innen schreiben, diesmal mit FFP2-Masken und Abstand getanzt. Organisiert wurde der Protest vom Mädchen- und Jugendsportzentrum Centre Talma, mit Unterstützung von der Berliner Senatsjugendverwaltung und vom Landessportbund Berlin.
Die Frauenrechts- und Hilfsorganisation »Medica Mondiale« hatte angekündigt, sich bei »One Billion Rising« in Köln zu beteiligen. Deren Gründerin Monika Hauser wünscht allen Frauen, »dass sie die Energie dieses Tages mitnehmen können. Dass sie sich trauen, das Thema Gewalt gegen Frauen immer wieder anzusprechen, dass sie nicht mehr schweigen, dass sie aufstehen.«
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