Plagiat oder Original?

Mit und ohne Martin Kippenberger: Das Berliner Haus am Lützowplatz zeigt Arbeiten von Götz Valien

  • Matthias Reichelt
  • Lesedauer: 4 Min.
Diese Kunstgeschichte geht weiter: Götz Valiens dritte Variante von »Paris Bar«, das er einmal im Auftrag von Martin Kippenberger malte
Diese Kunstgeschichte geht weiter: Götz Valiens dritte Variante von »Paris Bar«, das er einmal im Auftrag von Martin Kippenberger malte

Martin Kippenberger liebte großmäulige Sprüche und spielte sich gerne mit Machogehabe ins Zentrum. Die Titel seiner Werke waren provokant und manchmal genial gut: »Alkoholfolter«, »Einer von euch, unter euch, mit euch« oder »Bitte nicht nach Hause schicken«. An seiner überzeugendsten Arbeit kann auch die Westberliner Punkfrau und Polizeikommissarstochter »Ratten-Jenny« eine gewisse Autorenschaft behaupten. Sie hatte Kippenberger, der mal eine kurze Zeit Mitbetreiber des Konzertclubs SO36 gewesen war, aufgrund der dortigen Bierpreiserhöhung mit den Fäusten malträtiert. Später dokumentierte Kippenberger sein lädiertes Gesicht in einem Gemälde mit dem ironischen Titel »Dialog mit der Jugend«.

Ebenso provokant für den Kunstbetrieb war auch seine erstmals 1981 realisierte Idee »Lieber Maler, male mir« im Rahmen einer NGBK-Ausstellung, Gemälde nach seinen Vorstellungen von anderen malen zu lassen und unter seinem Namen auszustellen. Dieser konzeptuelle Griff konterkarierte bewusst die auratische Wirkung des von Künstlerhand geschaffenen Unikats, die besonders auf dem Kunstmarkt so geschätzt wird. Dem berühmtesten und teuersten Bild von Kippenberger, eine Innenansicht des legendären Berliner Restaurants Paris Bar, widmet sich aktuell eine brisante Ausstellung im Haus am Lützowplatz.

Aus Ärger darüber, dass er 1991 nicht zu der von Christos Joachimides organisierten Ausstellung »Metropolis« eingeladen war, hatte Kippenberger eigene Werke und die von ebenfalls nicht geladenen befreundeten Kollegen in der Tradition des »Salon des Refusés« in Petersburger Hängung an einer Wand der Paris Bar drapiert. Das Gemälde des Interieurs mit der von ihm gestalteten Wand hatte er bei der Firma Werner-Werbung, die große Filmmotive für Kinos herstellen, als Gemälde in Auftrag gegeben. Die Firma reichte den Auftrag weiter an den für sie arbeitenden freien Künstler Götz Valien, der das Gemälde 1992 für 1000 DM produzierte.

Das Bild überließ Kippenberger Martin Würthle, dem Inhaber der Paris Bar, als Gegenleistung für Verkostung. Würthle verkaufte es 2004 für 700 000 Euro an den Galeristen Volker Diehl, der es nach Restaurierung an Charles Saatchie veräußerte. Dieser ließ das Gemälde 2009 für 2 300 000 Britische Pfund über Christie’s versteigern, ohne dass überhaupt Valiens Name als Maler genannt wurde. Valien erfuhr dies aus der Presse und stellte öffentlich die Frage, wie es sein könne, dass ein von ihm komplett hergestelltes Werk unter einem anderen Namen versteigert würde. Zwei weitere ähnliche Gemälde von Valien existieren und nun ist die dritte Version im Haus am Lützowplatz zu sehen, die Valien selbstbeauftragt anfertigte.

Der seit 1985 in Berlin lebende aus Österreich stammende Maler hatte keinen blassen Schimmer, dass er 1992 für Kippenberger gemalt hatte. Das als Vorlage dienende Foto bekam er von seinem Arbeitgeber ausgehändigt. Die Fotografie gab die Details der Gemälde nur unzureichend wieder, weshalb Valien von der Wand im Restaurant über 30 Detailaufnahmen machte, um die Kunstwerke im Gemälde detailreicher ausstatten zu können.

Bereits in der Schilderung dieses Schaffensprozesses beginnt der Mythos. Der Kunsthistoriker Hubertus Butin behauptet in seinem 2020 erschienenen Buch »Kunstfälschung«, dass das Bild nach Kippenbergers fotografischer Vorlage und nach seinen Angaben sowie unter seiner Aufsicht angefertigt und abschließend von ihm autorisiert worden sei. Laut Valien und dem in Kunstsachen renommierten Rechtsanwalt Peter Raue, vom Haus am Lützowplatz mit einem Gutachten zur Urheberschaft beauftragt, liegen Butin wie auch der Kippenberger Estate, vertreten durch Gisela Capitain, falsch. Götz Valien habe »eigenhändig ohne jegliche Mit- oder Einwirkung von Martin Kippenberger« seine drei Paris-Bar-Bilder-Variationen geschaffen. Damit sei er »der Alleinurheber aller drei Arbeiten«. Gegen weitere Kopien und Ausstellungen dieser Werke durch Valien spräche nichts. Marc Wellmann, Leiter des Hauses am Lützowplatz, wollte sich im Vorfeld absichern, da Gisela Capitain 2009 verlauten ließ: »Würde Götz Valien die Bilder von damals heute noch einmal malen, so wären das sogar Fälschungen, mindestens aber Plagiate.« Das ist ein interessanter wie brisanter Streit über Rechtsauffassungen.

Das Werk von Valien in der gegenwärtigen Ausstellung ist handwerklich gut gemacht, allerdings pendeln seine eigenen Sujets zwischen Interieurs im Hopper-Stil, Botticelli-Kopie und süßlichem Angela Merkel-Porträt. Vielleicht wäre es ratsamer gewesen, die Ausstellung noch stärker auf die Debatte um das Urheberrecht zu fokussieren und es beim Zeigen des Paris-Bar-Bildes zu belassen. Denn vor allem aufgrund der Frage nach der Definition von Urheberschaft erhält die Ausstellung mit Recht viel Aufmerksamkeit. Außerdem bietet die Debatte auch Anlass, das Werk von Kippenberger erneut zu sichten und zu überprüfen, ob es nicht doch zu hoch bewertet wird.

Bis 27.3., Haus am Lützowplatz, Berlin. Podiumsdiskussion diesen Mittwoch um 19 Uhr: »Lieber Maler«, mit Prof. Dr. Peter Raue, Dr. Friederike Gräfin zu Brühl und Hubertus Butin, moderiert von Dr. Marc Wellmann, auch online zu verfolgen unter: www.hal-berlin.de

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