Kein Freispruch erster Klasse für Offizier Marcel B.

Bundeswehr leitet keine Disziplinarmaßnahmen gegen ehemaligen »Leiter Social Media« nach Likes für rechte Inhalte ein

  • Daniel Lücking
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Anschuldigungen, die nach einem Bericht des NDR-Recherchemagazins »Panorama« im Juli 2020 gegen den Stabsoffizier und Social-Media-Experten Marcel B. im Raum standen, waren immens. Digitale Spuren seiner Aktivitäten führten teils in den Bereich der als rechtsextrem eingestuften »Identitären Bewegung« und zeigten teils Schnittmengen mit dem Verein »Uniter«, der vom ehemaligen Soldaten des Kommandos Spezialkräfte KSK André S., auch »Hannibal« genannt, gegründet wurde. Auftritte von Marcel B. vor der völkischen Burschenschaft Cimbria München und beim Studienzentrum Weikersheim waren ebenso thematisiert worden.

Das Verteidigungsministerium versetzte B. umgehend in einen anderen Stadtteil Berlins, distanzierte sich von dem Referenten, der als »Leiter Social Media« aufgetreten war. In der vergangenen Woche vermeldete die »Zeit« die Entlastung von Marcel B., der längst in einem »Spiegel«-Interview eingeräumt hatte, durch sein Verhalten in sozialen Medien »kein gutes Vorbild für andere Soldaten« gewesen zu sein. Unter anderem gefielen B. auch Folterdarstellungen, die Waterboarding-Praktiken zeigen.

Spaß und Verantwortung

Olga Hohmann versteht nicht, was Arbeit ist und versucht, es täglich herauszufinden. In ihrem ortlosen Office sitzend, erkundet sie ihre Biografie und amüsiert sich über die eigenen Neurosen. dasnd.de/hohmann

Marcel B. sei ein Offizier auf Sinnsuche, so der »Zeit«-Autor. Die Leitbilder, die die Bundeswehr als Lehre aus der NS-Diktatur geschaffen hat, und vor allem die Grundsätze der Inneren Führung, sehe B. als nicht mehr zeitgemäß an. »Ein Soldat muss mit Emotionen geimpft sein, wenn er im Kampf das Optimale leisten soll, wenn er sich und seine Kameraden schützen muss«, äußert B. im überdeutlich pathetischen Artikel. Pathos, Heldentum, all das fehle der Bundeswehr, beklagt B. und sorgt damit für reichlich Anschlussfähigkeit nach rechts.

Auch an der Bundeswehr-Universität in Hamburg hatte B. für das Kämpferethos geworben. Das Militär sei mit der pluralistischen Gesellschaft nicht gleichsetzbar. Der Anspruch »Armee in der Mitte der Gesellschaft« könne nicht grundsätzlich erfüllt werden. Eine kämpfende Armee könne »nicht ganz in der Mitte der Gesellschaft stehen«. Kaum zwei Monate nach dem Vortrag im März 2018 , hatte B. mit einer als Guerilla-Marketing-Aktion gefeierten Falschinformationskampagne Front gegen die Zivilgesellschaft auf dem Bloggertreffen Republica in Berlin gemacht.

In der Truppe gibt es Soldat*innen , die das Verhalten von B. mit Befremden zur Kenntnis nehmen. Es gehe B. nicht darum, die Armee voranzubringen. Der »Kämpferkult«, den er in Aufsätzen und Vorträgen quasi befördere, führe nur dazu, »dass Soldaten verrohen und demokratische Werte verloren gehen«. Sie möchten unerkannt bleiben, denn B. genieße mittlerweile innerhalb der Strukturen, die sein Verhalten disziplinar ahnden oder politisch kritisieren könnten, hohes Ansehen. Die von ihm geschaffene Kampagne »Wir gegen Extremismus« sichere ihm Rückhalt.

Offenkundig, denn neben Verteidigungsministerin Christine Lambrecht und der Vorsitzenden des Verteidigungsausschusses Marie-Agnes Strack-Zimmermann posieren auch Vertreter von Militärverbänden mit dem Schlagwort. Das eigentliche Ziel: Die Armee soll divers und positiv dastehen.

Auf den vorgeblich privaten, quasi ausnahmslos mit dienstlichen Inhalten bestückten Social-Media-Kanälen von B. geht es fragwürdig zu. Kürzlich hatte er den Klarnamen des Bundeswehrkritikers Patrick J. via Twitter weiterverbreitet. J. hatte viele rechtsradikale Verdachtsfälle an den Militärischen Abschirmdienst gemeldet und wird online dafür angefeindet. Durch die Verbreitung des Namens, setzt B. ihn einer großen Gefahr aus.

Auf nd-Anfrage wollten weder der B. unterstützende Reservistenverband noch der Deutsche Bundeswehrverband, wo B. zweiter Vorsitzender ist, sein Verhalten kommentieren. Im Verteidigungsministerium (BMVg) ist die Verunsicherung groß. Ob die Befürwortung der Darstellung von Folterpraktiken mit den Anforderungen an Soldat*innen vereinbar sei, wollte ein BMVg-Sprecher nicht beantworten. Auch Hinweise auf eine Beteiligung an digitaler Belästigung würden allenfalls »entgegengenommen und sorgfältig geprüft«. B. sieht sich weiterhin angegriffen.

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