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  • Politische Krise in Libyen

Eine Regierung, zwei Premiers

Neuer Regierungschef in Libyen, der alte weicht nicht

  • Mirco Keilberth, Tunis
  • Lesedauer: 4 Min.

Für den 17. Februar wurden die Straßen in der Innenstadt von Tripolis für den Jahrestag des Aufstandes gegen Muammar Al-Gaddafi mit Fahnen geschmückt. Doch erstmals ist die Parade von bewaffneten Gruppen und Militäreinheiten an diesem Donnerstag wegen Regen und Sturm ausgefallen und soll nachgeholt werden. Stattdessen versammelten sich Dutzende Demonstranten vor dem Gebäude der Mission der Vereinten Nationen und forderten Neuwahlen, um die politische Pattsituation zu überwinden.

Zum Feiern ist in diesen Tagen sowieso nur wenigen in der Stadt zumute. Zwar ist nach Kriegsende seit mehr als einem Jahr kein Schuss mehr an der ehemaligen Frontlinie gefallen, überall lässt die Übergangsregierung von Abdelhamid Dbaiba öffentlichkeitswirksam Straßen und Parks renovieren. Doch seit das Parlament in der vergangenen Woche einen neuen Regierungschef gewählt hat, droht erneut ein Kampf um die Macht.

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Das Mandat Dbaibas war am 24. Dezember abgelaufen. Der Geschäftsmann und Multimillionär war von einer durch die Vereinten Nationen ausgewählten Kommission für ein Jahr ausgewählt worden, um Parlaments- und Präsidentschaftswahlen vorzubereiten. Doch seine auf 24 Minister aufgeblähte Regierung und ein Rekordbudget von 110 Milliarden Dinar waren erste Anzeichen dafür, dass Dbaiba andere Pläne hatte.

Da kam es gelegen, dass Milizen damit drohten, gewaltsam gegen die Wahlbüros der Wahlkommission HNEC vorzugehen, sollten Gaddafis Sohn Saif und der Kommandeur der libysch-arabischen Armee Khalifa Haftar als Präsidentschaftskandidaten antreten. HNEC-Chef Imed Saya verschob die Wahlen schließlich auf unbestimmte Zeit.

Da der seit zehn Jahren versteckt lebende Saif Al-Islam Al-Gaddafi in einigen Umfragen vorne lag, war die gesamte herrschende politische Elite über die Absage froh, sind sich Beobachter in Libyen einig. Das von den in Ostlibyen tagenden Parlamentariern beschlossene Wahlgesetz wird bis heute von Dbaiba und anderen westlibyschen Politikern als unannehmbar kritisiert, weil es dem für den Angriff auf Tripolis verantwortlichen Haftar die Kandidatur ermöglichte.

Der Premier bezeichnet auch die Wahl eines neuen Premiers als Provokation. Die Video-Aufnahmen von der Abstimmung sorgen auch in den Cafés rund um den Märtyrerplatz in Tripolis für Gesprächsstoff. Zu sehen ist Parlamentschef Agila Saleh, wie er die wenigen anwesenden Abgeordneten nach Baschagha fragt. Nach einem Blick in die Runde verkündet er nach wenigen Sekunden Einstimmigkeit. Gegenkandidat Fathi Baschagha selbst ist gar nicht anwesend: Bei der Anreise aus Kairo wurde er von libyschen Beamten an der Grenze festgehalten.

Haftars Versuch, die Hauptstadt zu erobern, könnte nun indirekt gelingen, denn mit Fathi Baschagha hat das Parlament einen seiner Verbündeten gewählt. Als Innenminister hatte der für seine Wutanfälle berüchtigte 59-Jährige versucht, die Macht des Milizenkartells in Tripolis zu brechen, und ließ in Zusammenarbeit mit den Vereinten Nationen die inhaftierten Migranten frei.

Wie sein Kontrahent Dbaiba stammt der ehemalige Reifenhändler Baschagha aus der Handels- und Hafenstadt Misrata. Über 200 Milizen haben seit der Revolution dort das Sagen, und ohne deren Eingreifen für die damalige Regierung wäre das 200 Kilometer entfernte Tripolis 2018 Haftars Armee in die Hände gefallen. Nun will Baschagha als Premierminister die ehemaligen Kriegsgegner vereinen. Mit den zwei konkurrierenden Premierministern aus Misrata ist aus der ehemaligen Ost-West-Spaltung Libyens nun eine West-West-Spaltung geworden.

»Der aktuelle Machtkampf zeigt, dass es in Libyen weniger um ideologische Konflikte als um persönliche Rivalitäten geht«, sagt Mohamed Al-Houni, ein Medienunternehmer aus Tripolis. Wie viele Libyer hofft der 56-Jährige nun, dass der Konflikt zwischen dem Parlament und den Machthabern im westlibyschen Tripolis nicht weiter eskaliert. Sowohl Baschagha als auch Dbaiba buhlen um die Gunst der Stammesältesten in Misrata.

Am Dienstag rollte ein Konvoi von 500 bewaffneten Pick-ups der Halbous-Brigade aus Misrata in Tripolis ein, um Dbaiba zu unterstützen. Der hatte in den vergangenen Wochen in Kairo und Istanbul lukrative Verträge mit türkischen und ägyptischen Firmen für Wiederaufbauprojekte abgeschlossen. Während internationale Diplomaten sich bisher neutral zeigen, schlug sich der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan öffentlich auf die Seite Dbaibas. Mit der Rede bei der nachzuholenden Revolutionsfeier will er auch die europäischen Diplomaten für sich gewinnen. Man werde im kommenden Juni die Libyer wählen lassen, steht in Dbaibas Manuskript.

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