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- Lehrkräftemangel in Berlin
Verbeamtung ist kein Allheilmittel
Rainer Rutz über die Erleichterung der sogenannten Drehtürverbeamtung für Lehrkräfte in Berlin
»Jetzt rollt das Großprojekt an«, teilt die Berliner Bildungsverwaltung am Mittwoch freudig mit. Das Großprojekt - das ist die in den rot-grün-roten Koalitionsverhandlungen gegen den Willen der Linken durchgedrückte Rückkehr zur Verbeamtung der Lehrkräfte in der Hauptstadt. Und tatsächlich: Die Ankündigung, die sogenannte Drehtürverbeamtung wieder möglich zu machen, ist ein erster Schritt in diese Richtung. Lehrkräfte, die in andere Bundesländer abwandern und dort verbeamtet werden, müssen nun also keine fünf Jahre mehr ein imaginiertes trauriges Dasein in trostlosen Dorfschulen fristen, um - endlich! endlich! - in die begehrteste Stadt des Universums als Beamte zurückkehren zu dürfen. Jetzt heißt’s: Einmal hin, alles drin.
Nun ist es so, dass der übrigens längst »angerollte« Berliner Verbeamtungszug wohl ohnehin nicht mehr aufzuhalten ist. Das Vorhaben ist bekanntlich eine der »Herzenssachen« der Regierenden Bürgermeisterin Franziska Giffey und der von ihr ins Amt geholten Bildungssenatorin Astrid-Sabine Busse (beide SPD). Beide scheinen davon überzeugt, dass dem alljährlichen Schwund an ausgebildeten Lehrkräften in der Stadt vor allem mit der Rückkehr zur Verbeamtung begegnet werden kann. Da Erhebungen, warum Lehrkräfte und Lehramtsabsolventen Berlin verlassen, nachweislich fehlen, baut man hier auf das Prinzip Hoffnung.
Das eigentliche Problem: Mit der Fokussierung auf Verbeamtung, Vergütung, Verrentung gerät der häufig extrem fordernde Arbeitsalltag von Lehrkräften, aber auch Erziehern und allen anderen Beschäftigten an den Berliner Schulen ins Hintertreffen. Hier anzusetzen und für bessere Lehrbedingungen zu sorgen, könnte mit Blick auf den unbestreitbar eklatanten Exodus der Berliner Pädagogen unterm Strich weitaus mehr bringen als das Lockmittel Verbeamtung. Aber vielleicht täusche ich mich ja auch und der durch das Rentenversprechen stimulierte Wunsch, nach Berlin zurückzukehren, ist größer als die Sorge vor dem hiesigen Elend.
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