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Kein Tusch für Putin

Andreas Koristka freut sich darüber, wie Deutschland aufsehenerregende Zeichen gegen den Krieg setzt

Viele schlimme Dinge gehen auf das Konto von Wladimir Putin. Doch eines seiner größten Verbrechen ist wohl, dass er die deutsche Öffentlichkeit auf eine besonders hinterhältige und infame Weise getäuscht hat. Jahrzehntelang hat er das Bild des skrupellosen Machtmenschen kultiviert. Er tat dies mit so viel Nachdruck, dass man denken konnte, sein Image sei nur Fassade. Alles war einen Ticken zu dick aufgetragen. Das konnte nicht sein echter Charakter sein. Viele dachten, dass der russische Präsident in Wirklichkeit ganz anders sei, nämlich viel umgänglicher, und dass er sich bei privaten Ausritten schon mal ein T-Shirt anziehen würde. Man hatte das Gefühl, Putin sei im Grunde seines Herzens ein rationaler Typ, ein Apparatschik wie du und ich mit einem kleinen Hang zur Homophobie.

Der Angriff auf die Ukraine hat alle eines Besseren belehrt. Putin ist wirklich so, wie er vorgab zu sein. Wer hätte das ahnen können? Hätten wir es eher gewusst, wäre es nie zu Nordstream II und dem Verkauf von Ex-Kanzler Gerhard Schröder an den Kreml gekommen. Die Frage ist nun: Wie kann Deutschland seinen Fehler im Umgang mit Russland wieder gutmachen? Die Sache mit den Helmlieferungen an die Ukraine hat ja leider nicht so geklappt. Wie gut, dass nun wenigstens der Straßenkarneval in Köln aus Pietät abgesagt wurde, der dieses Jahr wegen Corona in der örtlichen Fußballarena gefeiert werden sollte.

Andreas Koristka

Andreas Koristka 
ist Redakteur des Satiremagazins »Eulenspiegel«.
 

Welch ein starkes Zeichen der Solidarität an das ukrainische Volk! Der Karneval, insbesondere jener rheinischer Prägung, ist auf der ganzen Welt gefürchtet. Wie schrecklich wäre es für die Ukrainer, wenn sie nach einem harten Tag der Bombardements nach Hause kämen, nur um im WDR zu sehen, wie im RheinEnergie-Stadion Kamelle fliegen? Das würden sie nicht ertragen. Eine Invasion des eigenen Landes durch die russische Armee zu erleben, ist schlimm genug, da braucht man nicht noch Lieder von »De Höhner« und Bilder von übergriffigen Schnauzbartträgern, die sich als Indianer verkleidet haben.

Darum darf der Verzicht auf den Umzug nicht zu tief gehängt werden. Er muss als Ausdruck der neuen Sensibilität gelten, die sich die Deutschen nach dem letzten Weltkrieg erarbeitet haben. Es ist ein starkes Zeichen, das aus der Domstadt hinüberschwappt. Siehst du, Russland, so gehen Völker zärtlich miteinander um! Das Einzige, was an dieser Zärtlichkeit unangenehm sein könnte, ist, dass sie unsere ukrainischen Freunde beschämen könnte. Wie sollen sie sich, wenn die ganze Sache erledigt ist, Putin schon längst von seinem Nachfolger während eines Staatsstreichs unter die Erde gebracht wurde, uns gegenüber erkenntlich zeigen?

Nein, ein Revanchieren für dieses starke Signal aus dem Rheinland wird nicht nötig sein. Aber wir Deutschen erwarten es auch gar nicht. Unser Handeln in dieser Situation sollte eine Selbstverständlichkeit sein für alle Verfechter von Demokratie, Freiheit und für alle aufrichtigen Karnevalshasser. Wir werden nicht locker lassen! So lange, wie der Irre in Moskau regiert, wird es keinen Fasching, keinen Karneval und keine Fastnacht mehr geben! Sollte es nötig sein, wird das deutsche Volk ohne mit der Wimper zu zucken auf das Oktoberfest verzichten und die Kirmes wird ohne Autoscooter stattfinden.

Damit hat der Russe im Kreml sicherlich nicht gerechnet. Wenn dann auch noch die Weihnachtsmärkte abgesagt werden, wird er es eines Tages vielleicht sogar bereuen, die Ukraine angegriffen zu haben. Aber dann wird es zu spät sein für ihn und seine Schergen. Denn Deutschland hat dann hoffentlich längst einen viel netteren Autokraten gefunden, der ihm billiges Gas verkaufen kann.

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