Tamilen fordern Schutz vor Abschiebung nach Sri Lanka

Mit Aktionen in über 50 deutschen Städten macht Exil-Community auf die Lage in Sri Lanka aufmerksam

  • Henning von Stoltzenberg
  • Lesedauer: 4 Min.

Die geplanten Menschenketten der tamilischen Exil-Community in über 50 Städten haben rund 4500 Menschen auf die Straße gebracht, um gegen die anhaltende Repression in Sri Lanka gegen die dortige Minderheit zu protestieren.

Kampagnen-Sprecher Agilan Waradarajah zeigt sich im Gespräch mit nd.derTag zufrieden mit dem Verlauf der Aktionen. »Unser Aktionskonzept ist aufgegangen. Erstmals seit dem Völkermord an der tamilischen Bevölkerung waren wir bundesweit in der Öffentlichkeit vertreten. Das war für uns ein wichtiger Schritt.«

Die Kampagne »Menschenrechte für Tamil Eelam« hatte zum Ziel, die Aufarbeitung der massiven Kriegsverbrechen der sri-lankischen Armee zu fordern. Seit Jahren kämpfen tamilische Gruppen darum, dass die Kriegsgeschehnisse zum Ende des Jahrzehnte anhaltenden Bürgerkrieges zwischen dem staatlichen Militär und den sozialistischen Liberation Tigers of Tamil Eelam (LTTE) international als Völkermord anerkannt wird. Weiterhin fordern sie das Recht auf Selbstbestimmung, welches ihnen seit der Zerstörung des De-facto Staates Tamil Eelam systematisch vorenthalten wird.

Immer wieder kommt es zu Landenteignungen und der Zerstörung von Denkmälern und Kulturgütern. Die tamilische Bevölkerung brandmarkt diese Maßnahmen als einen anhaltenden »strukturellen Genozid« und ruft die internationale Öffentlichkeit auf und wirbt um Unterstützung sowie die Einsetzung einer unabhängigen Untersuchungskommission zur Untersuchung der Kriegsverbrechen und der anhaltenden Diskriminierung im Norden und Osten der Insel.

Ein wichtiges Anliegen, dass sich darüber hinaus direkt an die neue Bundesregierung richtet, ist der sofortige und dauerhafte Abschiebestopp aus humanitären Gründen. Die Lage in den tamilischen Gebieten verschlechtere sich zunehmend, berichtet Waradarajah. Meinungs- und Pressefreiheit sei nicht gegeben, soziale Proteste würden durch die Sicherheitsbehörden behindert oder ganz unterbunden.

Prominente Unterstützung erhielten die Menschenketten von Janine Wissler, der Vorsitzenden der Partei Die Linke. »Es ist eine Ungeheuerlichkeit, dass die neue Bundesregierung die Abschiebepolitik von Seehofer fortführt, indem sie weiterhin Abschiebungen nach Sri Lanka, vorwiegend von Tamilinnen und Tamilen, durchführt. Auf der politischen Ebene sind Abschiebungen nach Sri Lanka nicht zu rechtfertigen: Menschenrechtsverstöße und Folter von Angehörigen der tamilischen Minderheit sind gut dokumentiert und werden unter anderem von Michele Bachelet, der Hohen Kommissarin für Menschenrechte der Vereinten Nationen, klar benannt. Wir benötigen einen sofortigen und dauerhaften Abschiebestopp nach Sri Lanka.«

In der Vergangenheit sei es vorgekommen, dass Menschen bei Routineterminen in den Ausländerämtern festgesetzt und in Abschiebehaft genommen wurden und anschließend zeitnahe Abschiebung erfolgte. In ihrem Statement vom Freitag appellierte Wissler an die Bundesregierung, diese Praxis schnellstens zu stoppen.

Eine Solidaritätsbekundung gab es auch von der Solidaritätsorganisation Rote Hilfe e.V. Sprecherin Anja Sommerfeld begrüßte die Menschenketten-Aktion und forderte die sofortige Freilassung aller politischen Gefangenen in Sri Lanka. In Bielefeld wandte sich die SPD-Bundestagsabgeordnete Wiebke Esdar mit einem Grußwort an die Demonstrierenden.

Auf der Insel selbst findet aktuell eine politische Auseinandersetzung um den 13. Verfassungszusatz statt, der nun anscheinend von der Regierung umgesetzt werden soll. Dieser soll es ermöglichen, den kommunalen Verwaltungen und Einrichtungen wie Schulen, Universitäten und Krankenhäusern mehr Autonomie zu gewähren. Das letzte Wort bei Konflikten soll allerdings weiterhin die Zentralregierung in Colombo behalten.

Der Regierungs-Vorstoß ist keine neue Idee, sondern wurde bereits 1987 zwischen Indien und Sri Lanka in einem Abkommen vereinbart. Das Nachbarland hatte zu der Zeit über Jahre als vermeintliche »Friedenstruppe« während des Bürgerkrieges fungiert, war faktisch aber auch gegen die LTTE vorgegangen. Die LTTE hatte den 13. Verfassungszusatz damals abgelehnt, weil er der Konfliktpartei nicht weitreichend genug für eine wirkliche Dezentralisierung der politischen Strukturen war. In der tamilischen Stadt Jaffna fanden in den letzten Wochen bereits Protestdemonstrationen statt. Vereinigungen wie die Studierendenunion der Universität Jaffna knüpfen an die damalige Kritik an und fordern stattdessen reale Selbstbestimmung ohne die letztinstanzliche Entscheidungsgewalt der sri-lankischen Zentralregierung.

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