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  • Der 1. FC Union Berlin im DFB-Pokal

Mit Haltung ins Halbfinale

Die Fußballer des 1. FC Union Berlin schlagen den FC St. Pauli im Viertelfinale des DFB-Pokals

Die letzten Worte eines unterhaltsamen Pokalabends gehörten Timo Schultz. »Und jetzt noch Champions League und Pokalsieg«, sagte der Coach des FC St. Pauli nach einer kollegialen Umarmung zu Urs Fischer. Wer den Trainer des 1. FC Union kennt, ahnt, dass dieser Satz, wäre er öffentlich ausgesprochen worden, sofort alle Abwehrkräfte des Schweizers aktiviert hätte. Weil es aber ein Abschiedsgruß mit Augenzwinkern war, lachten beide - und gingen ihrer Wege.

Geht es nach Fischer, dann treffen sie alsbald wieder aufeinander. Ganz offiziell hatte er nach dem 2:1-Sieg seiner Berliner Fußballer im Viertelfinale des DFB-Pokals den Hamburgern gute Aussichten im Aufstiegskampf der zweiten Liga attestiert. »Ich habe so ein Bauchgefühl, dass ihr das schaffen werdet«, sagte er am späten Dienstagabend während der Pressekonferenz. Neben der üblichen Gegneranalyse vor dem Spiel beeinflussten Fischers Wertschätzung vor allem die Eindrücke der gerade erlebten 90 Minuten. Die waren hart umkämpft und immer noch so präsent, dass Unions Trainer nicht wie ein Sieger aussah. Er spüre die Anspannung noch immer, sagte er: »Die Freude kommt später.«

Timo Schultz war die Enttäuschung über das Ausscheiden ins Gesicht geschrieben. Dass er die Niederlage als »verdient« beschreiben musste, lag vor allem daran, dass seinem Team die Durchschlagskraft in der Offensive gefehlt hatte. In der ersten Halbzeit kam St. Pauli nur zweimal gefährlich vor das Berliner Tor. In Führung gingen die Hamburger dennoch. Bezeichnenderweise durch einen direkten Freistoß von Daniel Kofi Kyereh aus 18 Metern, bei dem Unions Pokal-Keeper Frederik Rönnow keine allzu gute Figur abgab, als der Ball nach 21 Minuten in seiner Torwartecke einschlug.

Warum der FC St. Pauli trotz namhafter Konkurrenten wie Werder Bremen, Schalke 04 oder dem Stadtrivalen Hamburger SV in der 2. Bundesliga auf Platz drei steht, zeigte das Team auch in der Alten Försterei. Beeindrucken ließen sich die Hamburger zu keiner Zeit, selbst unter dem großen Druck der Berliner in der ersten Halbzeit blieben sie halbwegs stabil und wirkten jederzeit selbstsicher. In Grundtugenden wie Einsatzbereitschaft und Zweikampfstärke waren sie gleichwertig, der Spielaufbau aus der Abwehr heraus sah teilweise besser aus als bei den Gastgebern. Und im Spiel nach vorn war ein klarer Plan zu erkennen: mit kurzen Pässen, wenig Ballkontakten sowie schnellen und wendigen Spielern sollte es variabel durch die Mitte oder über die Außenbahnen vor das gegnerische Tor gehen. Dass dies letztlich nicht gelang, lag an »der unglaublichen Präsenz von Union vor und im eigenen Strafraum«, wie Schultz befand.

Urs Fischer verpackte das Lob an den Gegner in anerkennende Sätze für seine eigenen Spieler. »Die Haltung der Mannschaft, gegen Widerstände anzukämpfen«, nannte er »grandios«. Solch Überschwang in der Wortwahl ist selten bei Unions Trainer. Grund dafür war nicht der FC St. Pauli, sondern die jüngsten Auftritte der Berliner. Er suchte dringend eine Bestätigung des Sieges vom vergangenen Wochenende in der Bundesliga gegen Mainz; nach zuvor drei Niederlagen ohne Torerfolg. Um das Team wieder zu stabilisieren, wechselte er für das Pokalspiel nur auf zwei Positionen: Rönnow für Andreas Luthe und Taiwo Awoniyi für Andreas Voglsammer. Die beiden letztgenannten waren am Dienstagabend spielentscheidend. Awoniyi bereitete in der 45. Minute den Ausgleich von Sheraldo Becker vor, der eingewechselte Voglsammer traf eine halbe Stunde später zum Sieg.

Wie diese Tore gefallen waren, nahm Timo Schultz zum Anlass, den Unterschied zwischen einem Erst- und einem Zweitligisten zu erklären. »Kleine Fehler werden auf diesem Niveau von solch einem Gegner bestraft«, schätzte St. Paulis Trainer ein. Dass sowohl Torwart Dennis Smarsch als auch Verteidiger Jakov Medic vor den Gegentreffern ausgerutscht waren, machte die Niederlage für die Hamburger noch etwas bitterer. Platz für »Enttäuschung und Traurigkeit« schuf Schultz am Mittwoch, an diesem Donnerstag gilt die volle Konzentration wieder der 2. Bundesliga. »Da haben wir noch einiges vor«, sagte er selbstbewusst.

Der 1. FC Union kann die anstehenden Aufgaben wieder etwas entspannter angehen, weil, wie schon gegen Mainz, Grundsätzliches gestimmt hat. An der mannschaftlichen Abwehrarbeit ist der Gegner verzweifelt. Bemerkenswert waren auch die vielen Balleroberungen durch aggressives Pressing. Offensiv wurde eine Vielzahl von Chancen herausgespielt. Zufrieden sprach Fischer über eine »sehr gute erste Halbzeit«. Und die Freude über die erste Halbfinalteilnahme des Vereins im DFB-Pokal seit 21 Jahren spürt der Trainer jetzt bestimmt auch schon.

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