Keine Feuerpause für Flüchtlinge

Ukraine und Russland werfen einander Verletzung der vereinbarten Waffenruhe vor. Evakuierung von Einwohnern verschoben. Internationale Medien setzten Arbeit in Russland aus

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Die Ukraine und Russland haben sich gegenseitig Verletzungen der ersten begrenzten Feuerpause im Ukraine-Krieg zur Evakuierung von Zivilisten aus dem Kampfgebiet vorgeworfen. Die russische Seite halte sich nicht an die Waffenruhe in der Hafenstadt Mariupol, teilte die Stadt am Samstagmittag im Nachrichtenkanal Telegram mit. »Aus Sicherheitsgründen wird deshalb die Evakuierung verschoben.«

Das russische Verteidigungsministerium teilte mit, der verabredete humanitäre Korridor sei beschossen worden. Schüsse seien zudem von Mariupol aus im Gebiet Donezk in der Südostukraine auf Stellungen russischer Truppen abgefeuert worden, hieß es in der Mitteilung des Ministeriums in Moskau. Zudem sei am Vormittag ein Wohnhaus gesprengt worden, in dem sich bis zu 200 Menschen aufgehalten haben könnten. Die Angaben ließen sich nicht überprüfen. Die Waffenruhe um Mariupol und die 65 Kilometer entfernte Stadt Wolnowacha in der Region Donezk war am Samstag für sieben Stunden angesetzt gewesen. Beide Seiten hatten am Donnerstag bei Verhandlungen in Belarus solche humanitären Korridore vereinbart.

Das russische Militär hat eigenen Angaben zufolge seine Angriffe auf Mariupol und Wolnowacha ab 16 Uhr wieder begonnen. Nach ukrainischer Darstellung setzte Russland seine Offensive in anderen Kriegsgebieten fort, auch gegen die Hauptstadt Kiew und die Metropole Charkiw. Russische Truppen haben nach Angaben des Moskauer Verteidigungsministeriums eine große Militärbasis nahe der südukrainischen Gebietshauptstadt Cherson unter ihre Kontrolle gebracht.

Putin warnt den Westen

Der russische Präsident Wladimir Putin warnte das Ausland vor der Durchsetzung einer Flugverbotszone über der Ukraine. »Jede Bewegung in diese Richtung wird von uns als Teilnahme des jeweiligen Landes an einem bewaffneten Konflikt betrachtet«, sagte Putin am Samstag. Die Nato hatte eine entsprechende Forderung der Ukraine bereits zurückgewiesen. Die Alliierten seien sich einig, dass Nato-Flugzeuge nicht im ukrainischen Luftraum operieren sollten, hatte der Generalsekretär des Militärbündnisses, Jens Stoltenberg, am Freitag gesagt. Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenskyj hatte die Nato-Staaten zuvor aufgefordert zu verhindern, dass Russland weiter Luftangriffe auf sein Land starten könne.

Angesichts des Krieges wächst die Sorge, dass Nahrungsmittel und Trinkwasser an einigen Orten der Ukraine knapp werden könnten. »Die Lage für die Menschen in der Ukraine hat sich durch die erbitterten Kämpfe dramatisch zugespitzt«, sagte Martin Frick, Direktor des UN-Welternährungsprogramms (WFP) in Deutschland, den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Die Menschen harrten in Kellern aus und könnten nur unter größter Gefahr Besorgungen machen. »Gerade aus Kiew und Charkiw erreichen uns Berichte, dass Nahrungsmittel ausgehen und Trinkwasser knapp wird«, sagte Frick. Das WFP baue seine Präsenz in der ganzen Region aus, »aber es ist ein Wettlauf gegen die Zeit«. Ein internationales Team sei bereits in der Region, um Hilfe zu koordinieren. LKWs mit 400 Tonnen Nahrungsmitteln seien aus der Türkei unterwegs. Man plane, bis zu 300.000 Flüchtlinge mit der Hilfe zu erreichen. »Kampfhandlungen und Fluchtbewegungen im ganzen Land machen die Lage aber auch für Helferinnen und Helfer unübersichtlich«, so der Deutschland-Direktor des WFP.

Medien setzen Arbeit in Russland aus

ARD und ZDF setzen die Berichterstattung aus ihren Moskauer Studios vorerst aus. Damit reagieren sie auf eine Gesetzesänderung, die das russische Parlament am Freitag verabschiedet hatte. Präsident Putin unterzeichnete am Freitagabend mehrere Gesetze, mit denen unabhängige Medienberichterstattung weiter beschnitten wird. Bis zu 15 Jahre Haft drohen demnach für die Verbreitung von angeblichen »Falschinformationen« über die russischen Streitkräfte. Strafen drohen auch jenen, die öffentlich die Armee »verunglimpfen«.

Von den öffentlich-rechtlichen Sendern hieß es am Samstag: »ARD und ZDF prüfen die Folgen des am Freitag verabschiedeten Gesetzes und setzen die Berichterstattung aus ihren Moskauer Studios erst einmal aus. Die beiden öffentlich-rechtlichen Sender werden von ihren anderen Standorten aus weiterhin das Publikum umfassend über das Geschehen in Russland und der Ukraine informieren.«

Zuvor war bekannt geworden, dass mehrere internationale Sender und Agenturen ihre Arbeit in dem Land ganz oder teilweise einstellen. Das betrifft unter anderem den US-Sender CNN, die US-Nachrichtenagentur Bloomberg, die britische BBC und Italiens öffentlich-rechtlichen Rundfunk Rai. Auch die staatliche spanische Nachrichtenagentur EFE sowie die renommierte Zeitung »El País« aus Spanien berichten bis auf Weiteres nicht mehr aus Russland.

Proteste gegen den Krieg

In vielen deutschen Städten sind auch am Samstag zahlreiche Menschen aus Protest gegen den russischen Angriff auf die Ukraine auf die Straße gegangen. Auf mehreren Kundgebungen und Demonstrationen zeigten sie ihre Solidarität mit den Menschen in dem schwer umkämpften Land. Allein in Hamburg kamen bei einer Kundgebung laut Polizei bis zu 30 000 Menschen zusammen. Aktionen wurden u.a. auch aus München, Stuttgart, Düsseldorf, Osnabrück und Erfurt gemeldet. dpa/nd

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