Glückwünsche an Soldatenfrauen

Putin fordert Stolz auf die Kämpfer – doch seine Truppen in der Ukraine geben dazu keinerlei Anlass

  • René Heilig
  • Lesedauer: 5 Min.

Russlands Präsident hat derzeit viel »um die Ohren«, doch den Frauentag vergaß er nicht. Wladimir Putin gratulierte vor allem den »Müttern, Ehefrauen, Schwestern, Verlobten und Freundinnen der russischen Soldaten und Offiziere«, die mit einer »speziellen Militäroperation« Russland verteidigten. Natürlich versteht er, »wie besorgt ihr um eure Lieben seid«, doch gebe es allen Grund, »stolz« zu sein. Ob derartige patriotische Ansprachen ihren Zweck erfüllen? Putin scheint den wachsenden Unmut in der Bevölkerung zu spüren, denn seine Videobotschaft enthielt die Versicherung, dass weder Wehrpflichtige noch Reservisten an der Militäroperation in der Ukraine beteiligt seien. Die Wahrheit sieht offenkundig anders aus.

Vermutlich hätten sich die umworbenen Frauen mehr gefreut, wenn Putin seinen Truppen einen Befehl zum Rückzug erteilt hätte. Vor nunmehr 14 Tagen sind sie wortbrüchig in die Ukraine eingefallen. Nato-Militärs gingen damals – sehr zum Ärger der ukrainischen Führung – davon aus, dass die Widerstandskraft der Verteidiger nach spätestens zwei Wochen erlahmt sein würde. Trotz der immensen westlichen Waffenlieferungen und all der Ausbildung, die Kiews Militärs im Westen erhalten haben. Umso größer ist nun das Erstaunen.

Teller und Rand - der Podcast zu internationaler Politik

Teller und Rand ist der neue ndPodcast zu internationaler Politik. Andreas Krämer und Rob Wessel servieren jeden Monat aktuelle politische Ereignisse aus der ganzen Welt und tischen dabei auf, was sich abseits der medialen Aufmerksamkeit abspielt. Links, kritisch, antikolonialistisch.

Die ukrainische Armee nutzt geschickt die Schwächen der Angreifer. Punkt eins: die Moral. Während Kiews Soldaten ihre Heimat verteidigen und dabei die Unterstützung der Zivilbevölkerung spüren, wissen die russischen Soldaten zumeist noch immer nicht, warum sie nach einer langen winterlichen Manöverphase nun ihr Leben in der Ukraine opfern sollen. Sie spüren zudem, dass ihre Führung offenkundig nicht in der Lage ist, strategische Erfolge zu organisieren.

Lesen Sie auch die Kolumne »Glockengeläut und Kanonendonner«
von Frank Schumann

Ein wichtiges Ziel der Verteidiger besteht also in einer weiteren Entmutigung der oft müden, frierenden, hungrigen und verängstigten Angreifer. Auch sie sehen die immensen Schäden und das Leid, das sie verursachen. Wie schnell identifiziert man sich da mit den Opfern dieses Krieges, zumal die sich kaum von den eigenen Familien unterscheiden! Die Ukrainer sorgen zudem – zumindest medial – für einen humanen Umgang mit Gefangenen. Das erleichtert manchem eine Entscheidung wider den Befehl. Es gibt zahlreiche Belege dafür, dass Putins Kämpfer Technik aufgeben. Kampflos.

So brutal die Realität ist, die Verteidiger erzielen durchaus taktische Erfolge. Nicht in raumgreifenden Operationen, dazu fehlt die Kraft. Dafür attackieren sie die ohnehin ineffizienten Versorgungslinien der russischen Truppen. Die Aggressoren müssen Vorräte aller Art aus den Tiefen Russlands und aus Belarus heranschaffen. Dies ist besonders schwierig für die Truppen der ersten Staffel, die in einer Entfernung von mehr als 100 Kilometern von der Grenze operieren. Alle Einheiten, egal ob in der Angriffsspitze oder im Nachschub, sind zu gleicher Zeit auf die wenigen gut ausgebauten Straßen angewiesen. Abseits davon ist Feindesland. Da sammeln sich kleine, schlagkräftige ukrainische Kampfgruppen. Sie greifen – ähnlich wie Partisanen – mit hocheffektiven, zum Gutteil aus dem Westen stammenden Panzerabwehrwaffen an. Man verteidigt wichtige Knotenpunkte und bringt so die gegnerischen Truppen zum Stehen. Verheerend ist dann die Wirkung der türkischen Bayraktar-Drohnen. Auch die Sprengung von Brücken ist effektiv, denn jenseits fester Straßen versinkt die russische Kriegstechnik in Schlamm oder Sumpf.

Die Truppen, die nun die ukrainische Hauptstadt Kiew einschließen wollen, mögen scheinbar stark sein. Doch dauern die Kämpfe länger, wird es zu Nachschubschwierigkeiten aus Belarus kommen. Dafür reicht es, wenn die Verteidiger die Städte Iwankiv und Tschernikiv behaupten.

Simpel war auch die Methode, mit der man eine mögliche russische Amphibienoperation am Schwarzen Meer zumindest »vertagte«. Als sich nächtens die hochmoderne, für normales Radar kaum sichtbare russische Korvette »Vasily Bykov« zu nah an Odessa heranschlich, wurde sie von einer Abteilung Salvenwerfen erwartet. Per »Schrotschuss« gelang es, das Schiff in Brand zu setzten. In solch ein Feuer will man keinen Landungsverband führen.

Russlands Generale haben generell noch keine Antwort auf die Verzögerungsgefechte der Ukrainer gefunden. Nicht einmal die Luftüberlegenheit hilft ihnen, denn die zahlreichen Ein-Mann-Abwehrraketen der Bodentruppen halten russische Jagdbomber und Hubschrauber auf Höhe. So sind wirksame Attacken zumal auf die kleinen ukrainischen Verbände fast unmöglich. Umso brutaler werden mit Bomben und Raketen urbane Zentren und damit die Zivilbevölkerung attackiert.

Dagegen fordert Kiew mit Unterstützung aus dem Westen eine Flugverbotszone der Nato. Das aber würde bedeuten, den Krieg auch ins restliche Europa zu ziehen oder ihn sogar global auszudehnen. Was ist mit dem Vorschlag vom EU-Außenbeauftragten Josep Borrell und seinem US-Kollegen Antony Blinken, die in den Nato-Staaten vorhandene MiG-29-Jets an die Ukraine übergeben wollen? Polen weigert sich. So sehr Warschau Moskau schaden will, so sehr fürchtet man, noch mehr Kriegspartei zu werden.

Nicht verpassen: Jeja Klein meint, »Linke müssen sich mit Militär befassen«

Was steckt hinter der »MiG-Idee«? Natürlich könnten ukrainische Piloten diese Jets fliegen, die zum Teil aus NVA-Zeiten stammen. Die Maschinen sind alle auf Nato-Standard umgerüstet, können also unter anderem von Nato-AWACS-Maschinen geleitet werden. Diese fliegenden Gefechtsstände kreisen gerade rund um die Uhr über Polen und blicken weit ins Kriegsgebiet hinein. Will man nicht noch mehr Öl ins Feuer gießen, verbieten sich alle weiteren Überlegungen.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken von Socken mit Haltung und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.