- Politik
- Gerhard Schröder
SPD strengt Verfahren gegen Schröder an
Awo will Friedenspreis zurück. Verliert der Ex-Kanzler Hannovers Ehrenbürgerschaft?
Die Nähe zu Russlands Präsidenten Wladimir Putin bringt Ex-Kanzler Gerhard Schröder seit dem russischen Angriff auf die Ukraine viel Ärger ein. Selbst in der SPD, der er seit 1963 angehört, stößt der 77-Jährige auf Ablehnung seitens vieler Genossen. Auf Antrag der Heidelberger Sozialdemokraten hat der für Schröder zuständige SPD-Bezirksverband Hannover ein Parteiordnungsverfahren gestartet. Ein solches kann für ein Mitglied schlimmstenfalls mit dem Parteiausschluss enden.
«Gerhard Schröder hat sich selbst isoliert», sagte der SPD-Bundesvorsitzende Lars Klingbeil der Parteizeitung «Vorwärts». Er verwies dabei auf das Engagement des früheren Kanzlers für russische Staatsunternehmen wie Gazprom und Rosneft. Klingbeil, die Ko-Vorsitzende Saskia Esken und andere SPD-Spitzenpolitiker hatten Schröder zum Aufgeben dieser Posten aufgefordert. Gefolgt ist er dem bislang nicht.
Deutschlands derzeitiger Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte in der ZDF-Sendung Maybrit Illner gesagt, er fände es richtig, wenn Schröder seine wirtschaftlichen Ämter in russischen Unternehmen niederlegen würde. Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Insa befürworten 74 Prozent der Deutschen Schröders Parteiausschluss, bei den SPD-Wählern sogar 82 Prozent.
So wie SPD-Gremien über Schröders Zukunft in der Partei beraten und entscheiden, tun dies die Gremien der Stadt Hannover mit Blick auf die Ehrenbürgerschaft des Ex-Kanzlers. Sie war ihm 2006 verliehen worden. «Der Verwaltungsausschuss kam zu dem Schluss, dass Altbundeskanzler Schröder durch seine andauernde geschäftliche Verbindung mit russischen Staatskonzernen die Werte und Ziele der Landeshauptstadt nicht mehr teilt», heißt es in einer Mitteilung aus dem Rathaus. Noch besitzt Schröder die Ehrenbürgerschaft, doch weggenommen worden ist ihm bereits eine Ehrung aus dem Jahr 2005: Die Arbeiterwohlfahrt (Awo) hat ihm den Heinrich-Albertz-Friedenspreis aberkannt. Dazu erklärte Kathrin Sonnenholzner, Präsidentin der Awo, dass die geschäftlichen Verbindungen Gerhard Schröders nach Russland sowie seine Weigerung, sich konsequent von Putin zu distanzieren, nicht vereinbar seien mit den Werten, für die der Heinrich-Albertz-Friedenspreis und die Awo einstünden.
Der Deutsche Fußballbund (DFB) hat Schröder mittlerweile aufgefordert, seine Funktionen in russischen Konzernen oder aber seine Ehrenmitgliedschaft im DFB aufzugeben. Die gleiche Forderung hatte auch der Fußballverein Borussia Dortmund gestellt. Weil der Ex-Kanzler dem nicht folgte, entzogen ihm die Borussen den Ehrentitel.
Lesen Sie auch den Artikel «Vom Sozialdemokraten zum Lobbyisten» von Aert van Riel
Auch die evangelisch-lutherische Marktkirchengemeinde in Hannover hat sich über Gerhard Schröder geärgert und will sein teures Geschenk, ein Kirchenfenster des Künstlers Markus Lüpertz, nicht mehr haben und nicht einbauen. «Angesichts der Haltung Schröders zum gegenwärtigen Krieg in der Ukraine sieht sich der Kirchenvorstand nicht mehr in der Lage, die finanzielle Förderung des Fensters anzunehmen, schreibt das Gremium. Schröder hatte die 150 000 Euro für das umstrittene, auch Gerichtsverhandlungen auslösende »Luther-Fenster« aus Vorträgen zusammenbekommen, die er vor Firmen und Verbänden gehalten hatte. Zu diesen Geldgebern, so schreibt Stadtsuperintendent Rainer Müller-Brandes, wolle die Kirchengemeinde Kontakt aufnehmen und ihnen die Gelder zurückzahlen.
Die Ehefrau des in der Kritik stehenden einstigen Politikers, Soyeon Schröder-Kim, hatte ihren Mann am Samstag auf Instagram verteidigt und erklärt: Sie sei entsetzt, mit welcher Eilfertigkeit die SPD in der Führung, aber auch in vielen Grundorganisationen eine Kampagne gegen ihren Mann unterstütze. Von Schröder selbst gibt es keine Stellungnahme.
Wir behalten den Überblick!
Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.
Vielen Dank!