Betet für die Autofahrer!

Andreas Koristka hat herausgefunden, wer am schlimmsten von den Folgen des Krieges betroffen ist

Es ist schwer zu ertragen, dass im Krieg die Schwächsten der Schwachen besonders leiden müssen. In der aktuellen militärischen Auseinandersetzung ist es der deutsche Autofahrer, dem unsere Gedanken und Gebete gelten. Er ist Leidtragender eines Konflikts, der die Benzinpreise weit über zwei Euro treibt. Es ist alles schlimm. Gestandene Männer weinen, während sie die letzten Tropfen Sprit aus den Hähnen der Zapfsäulen saugen.

Viel wird dieser Tage über den Beschuss ziviler Ziele in der Ukraine gesprochen. Aber sind deutsche Tankstellen mit ihrem Angebot an belegten Brötchen, auf denen der Camenbert so traurig aussieht, als trauere er den alten Zeiten nach, in denen er noch frisch aufgeschnitten war, keine zivilen Ziele? Nie hat ein deutscher Autofahrer Wladimir Putin auch nur ein Haar gekrümmt. Warum nimmt der russische Präsident dann in Kauf, dass sie leiden?

Andreas Koristka

Andreas Koristka 
ist Redakteur des Satiremagazins »Eulenspiegel«.
 

Man kann es durchaus eine humanitäre Katastrophe nennen. Viele können sich das Volltanken nicht mehr leisten. Schon knubbeln sich die deutschen Autofahrer in den Bahnhöfen. Dort werden sie notdürftig betreut. Ehrenamtliche Helfer reichen ihnen Tee, während sie ihnen die Wabensysteme der Verkehrsverbünde erklären. Die Bilder sind schrecklich. Ältere Damen müssen gestützt werden, nachdem man ihnen erklärt hat, dass die Wagenreihung oft kurzfristig geändert wird. Andere sind entsetzt darüber, dass man einen unschuldigen ICE in Hamm trennt. Die Politik will das Schlimmste abwenden. Man verhandelt über humanitäre Korridore, die es den Deutschen ermöglichen sollen, in Polen zu tanken. Ob sie wirklich entstehen können, ist ungewiss.

Was treibt jemanden zu Taten mit solch drastischen Folgen? Ferndiagnosen sind immer schwer zu treffen. Aber glaubt man den Stimmen namhafter Gesundheitsexperten, dann scheint es so zu sein, dass Putin zu einem pathologischen Autohasser geworden ist. Viele Psychologen machen mit dem Arm den Scheibenwischer, wenn sie auf Putin angesprochen werden und den korrekten Fachbegriff für seinen Zustand nennen sollen. Der einst kühl und rational agierende Autokrat scheint nun ein Objekt gefunden zu haben, an dem er seinen aufgestauten Hass auslassen kann.

Aber mit unserer Solidarität hat er nicht gerechnet. Immer mehr Menschen versuchen sich für die gebeutelten deutschen Autofahrer einzusetzen. Der Twitteraufruf des saarländischen Ministerpräsidenten Tobias Hans war nur der Anfang. Überall wird Geld gesammelt. Menschen schleppen Frittenfett herbei, um damit alte Dieselbusse zu betanken. Vor Porsche Cayennes spannen sich hilfsbereite Freiwillige, die die Fahrzeuge samt Insassen zum nächstgelegenen Supermarkt ziehen. Weil die Leute nicht mehr zu den Autobahnraststätten kommen, werden in vielen Städten Büdchen errichtet, an denen man seine Sanifair-Bons gegen eine Packung Tictacs oder ein Twix eintauschen kann.

Das Engagement der Menschen ist beeindruckend. Kaum eine Kita, kaum eine Schulklasse, die keine Spendenaktion gestartet hat. In den Hilfszentren stapeln sich die Duftbäume. Notleidende Autofahrer dürfen kostenlos zugreifen. Aus den Radios hört man die kraftvollen Parolen der Unterstützersongs: »Es macht immer tuut tuut, ganz laut immer tuut tuut« und »Im Wagen vor mir fährt ein junges Mädchen«.

So gehört sich das für ein Volk, das in größter Not zusammensteht. Kämpfen wir nun genau so intensiv weiter. Auf deutschem Boden darf der Benzinpreis nie wieder über 2,30 Euro pro Liter gehen. Das werden wir gemeinsam erreichen, wenn wir so fest zusammenhalten, als hätte man uns zu dritt auf die Rückbank eines Ford Fiesta gequetscht.

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