- Wirtschaft und Umwelt
- Inflation
Die Folgen sind fast flächendeckend
Selbst Brot und Duschgel werden durch steigende Energiepreise teurer
Ein Energiepreisschock beflügelt seit Monaten die Inflation. Nun treibt zudem der Ukraine-Krieg international die Kosten für Öl, Erdgas und Kohle zusätzlich in die Höhe. Die Folgen kriegen Verbraucher in Deutschland nicht allein an Tankstellen und beim Heizen zu spüren, denn die drei fossilen Brennstoffe sind zugleich Rohstoff. Nach und nach sickern die steigenden Energiepreise in andere Wirtschaftsbereiche durch.
»Die daraus resultierenden Preissteigerungen bei Baumaterialien stellen unsere Unternehmen vor große Herausforderungen«, lässt sich Felix Pakleppa, Hauptgeschäftsführer des Zentralverbandes Deutsches Baugewerbe (ZDB), in einer Mitteilung zitieren. So sei etwa ein starker Preisanstieg für Bitumen erkennbar. Das abdichtende Material wird im Straßenbau und im Dachdeckerhandwerk massenhaft eingesetzt. Da Bitumen als Nebenprodukt bei der Verarbeitung bestimmter Erdöle anfällt, schlagen sich steigende Energiepreise in höheren Preisen für Bitumen nieder.
ZDB-Geschäftsführer Pakleppa beklagt zudem Lieferengpässe aufgrund fehlender ukrainischer Lkw-Fahrer sowie steigende Kraftstoffpreise. »Die Bauwirtschaft ist als transportintensivste Branche besonders von den Preissteigerungen bei Kraftstoffen betroffen.« Was gerade für überregional tätige Unternehmen zu einer besonderen Kostenbelastung werde. Pakleppa schlägt der Bundesregierung einen Runden Tisch vor, um die Krisenfolgen zu minimieren. »Ansonsten bleiben die großen Bauvorhaben der Regierung auf der Strecke.«
Vom Energieschock angetrieben werden zudem die Preise für Stahl und Stahlerzeugnisse. Ebenfalls wichtige Grundstoffe für die Bauwirtschaft, die in erheblichem Umfang aus Russland, Ukraine und Weißrussland geliefert werden. Die extrem hohen Preise für Öl, Gas und Kohle schlagen zugleich auf weitere energieintensive Branchen durch. Die chemische Industrie, eine der größten in Deutschland, trifft es gleich doppelt: Da ist ihr gewaltiger Energiehunger, zugleich sind die fossilen Brennstoffe wichtiger Rohstoff für ihre Produkte und die Konsumgüterindustrie. So enthalten Duschgels, Outdoor-Jacken oder Matratzen Erdöl.
Sogenannte Sekundäreffekte des Energieschocks schlagen sich fast flächendeckend im Großhandel nieder. Bei ihm decken sich Industriefirmen, Handwerker und Landwirte mit Schrauben, Ersatzteilen und Grundstoffen aller Art ein. Während die Verbraucherpreise im Februar noch vergleichsweise moderat um 5,1 Prozent zum Vorjahresmonat stiegen, legten die Großhandelspreise um rekordverdächtige 16,6 Prozent zu.
Steigende Sprit-Preise und hohe Kosten für chemische Produkte treffen auch die Landwirtschaft. Anbieter aus dem Osten stehen für ein Drittel des Kalidüngers. Der Weltmarkt wird von K+S in Deutschland, einem US-Konsortium sowie der weißrussischen Belaruskali und der russischen Uralkali dominiert. Landwirte brauchen Kali für ihre Erzeugung wie das tägliche Brot. K+S und andere Anbieter sehen sich aber nicht in der Lage, innerhalb weniger Monate die Produktion hochzufahren, um die sanktionierten Liefermengen zu ersetzen. Die Folge ist ein weiterer Preisschock.
Das kriegen Bäckereien zu spüren. Der Krieg in der Ukraine hat Getreide für Brot und Brötchen schon sehr viel teurer gemacht. So haben die Hamburger Bäcker Preiserhöhungen angekündigt. Die Preise richten sich nach den globalen Verfügbarkeiten und internationalen Warenterminbörsen. Da Russland und die Ukraine etwa für ein Drittel des Weltmarktes für Weizen und einige andere Agrarprodukte stehen, haben sich die Preise hierzulande mehr als verdoppelt.
Der Agrarmarkt zeigt beispielhaft, dass der Energiepreisschock und Sanktionen zugleich Gewinner kennen, etwa Landwirte, die von höheren Preisen für ihr Getreide profitieren. Aber für viele kleine und mittlere Unternehmen sei das nicht mehr zu stemmen, fürchtet der Bundesverband mittelständische Wirtschaft (BVMW) und warnt vor Pleiten und Arbeitsplatzverlusten. »Es ist mehr als ein Hilfeschrei«, so Vorsitzender Markus Jerger. »Die Energiepreise haben sich für viele Unternehmerinnen und Unternehmer zu einer existenziellen Frage entwickelt.«
Selbst in einem »zuversichtlichen Szenario« würde Deutschland in diesem Jahr für importiertes Erdöl und Gas etwa 87 Milliarden Euro mehr bezahlen als im vergangenen Jahr, rechnen Commerzbank-Analysten vor. Womit sich die Energie-Rechnung mehr als verdoppeln würde. Gemessen am Bruttoinlandsprodukt sei dies mit gut zwei Prozent ein ähnlich starker Anstieg wie bei den beiden Ölkrisen in den 1970er Jahren.
Allerdings lässt sich die Preisentwicklung nur teilweise mit dem Ukraine-Krieg erklären. Offensichtlich enthalten Sprit- und Heizölpreise derzeit auch große »Knappheitsprämien« als Folge der anziehenden Konjunktur vor allem in Asien. Beobachter erwarten deshalb überwiegend, dass sich die Lage an den Energiemärkten im weiteren Verlauf dieses Jahres allmählich entspannen wird.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.