8,33 Euro pro Monat sollen reichen

Bundeskabinett beschließt Maßnahmen im Rahmen des ersten Entlastungspakets

  • Simon Poelchau
  • Lesedauer: 4 Min.

Die Bundesregierung verhandelt noch über das Entlastungspaket Nummer zwei - aber am Mittwoch hat sie auf ihrer Kabinettssitzung schon Maßnahmen im Rahmen des Entlastungspakets Nummer eins beschlossen. »Die aktuelle Situation ist für viele Bürgerinnen und Bürger finanziell herausfordernd. Mit der Anhebung des Arbeitnehmer-Pauschbetrages und des Grundfreibetrages entlasten wir schnell und unbürokratisch«, erklärte Bundesfinanzminister Christian Lindner. Auch eine Anhebung der Pendlerpauschale wurde beschlossen. Sozialverbände und die Linke kritisieren das Paket als sozial unausgewogen.

Gleichzeitig billigte das Kabinett Lindners Haushaltsentwurf für dieses Jahr. Demnach plant der FDP-Politiker für 2022 mit einer Neuverschuldung von 99,7 Milliarden Euro, wie es auch die schwarz-rote Vorgängerregierung vorgesehen hatte. Im kommenden Jahr soll die Neuverschuldung nur noch 7,5 Milliarden Euro betragen. Ob dies eingehalten werden kann, ist jedoch fraglich. Lindner arbeitet wegen des Kriegs in der Ukraine bereits an einem Ergänzungshaushalt.

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Schon vor dem russischen Angriff auf das osteuropäische Land waren die Preise für Energie massiv angestiegen. Im Februar lag die Inflationsrate im Vergleich zum Vorjahresmonat bei 5,1 Prozent, wobei sich Energie im Schnitt um 22,5 Prozent verteuerte.

Es wurden deshalb Rufe nach einer Entlastung der Menschen hierzulande laut. Die Bundesregierung reagierte mit dem ersten Entlastungspaket darauf. Neben den steuerpolitischen Maßnahmen soll es für Bezieher*innen von ALG 2 wegen der steigenden Energiekosten im Juli einen einmaligen Zuschuss von 100 Euro geben. Außerdem sollen arme Familien ab Juli einen Sofortzuschlag von 20 Euro im Monat pro Kind erhalten. »Denn wer mit wenig Geld auskommen muss, den belasten die steigenden Preise besonders stark. Klar ist, der Sozialstaat steht den Menschen in schwierigen Zeiten weiter zur Seite«, erklärte Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD).

Die Linke-Politikerin Jessica Tatti hingegen findet, dass die Regierungsparteien mit dem Paket Menschen in Hartz IV und Grundsicherung im Stich lassen. »Ein einmaliger Zuschlag von 100 Euro ist nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein. 8,33 Euro pro Monat reichen bei Weitem nicht aus, um die Mehrbelastung durch Corona auszugleichen«, erklärte die sozialpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag.

Kritik kam auch vom Sozialverband VdK. »Ältere Menschen mit geringen Renten und Erwerbsminderungsrentner profitieren von den geplanten Maßnahmen wie der Pendlerpauschale oder dem erhöhten Arbeitnehmerpauschbetrag in keiner Weise«, sagte VdK-Präsidentin Verena Bentele der »Augsburger Allgemeinen« im Vorfeld der Kabinettsentscheidung und forderte eine volle Rentenerhöhung ohne die angekündigten Abstriche. Die Regierung müsse »dringend nachbessern«, denn ärmere Menschen litten »ganz besonders unter den hohen Sprit- und Lebensmittelpreisen«, so Bentele.

Unterdessen hat die Bundesregierung bei der Ausgestaltung des zweiten Entlastungspakets offenbar noch reichlich Abstimmungsbedarf. Zwar konnte sich die Ampel bereits auf eine Verdoppelung des Heizkostenzuschusses für einkommensschwächere Haushalte einigen: Singles soll nun einmalig 270 statt 130 Euro, Paaren 350 Euro und für jedes weitere Haushaltsmitglied 70 Euro gezahlt werden. Doch preschte Lindner mit der Forderung nach einem staatlich subventionierten Tankrabatt vor, was bei den Koalitionspartnern nicht gut ankam. »Ich hätte mir gewünscht, dass der Bundesfinanzminister mit uns gemeinsam in der Koalition und in der Bundesregierung einen abgestimmten Vorschlag auf die Strecke bringt«, sagte SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich.

Ähnlich äußerte sich Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann. »Alle Maßnahmen in einem Entlastungspaket werden darauf ausgerichtet sein müssen, dass sie nachhaltig sind, dass sie sozial sind und dass sie ihre ökologische Wirksamkeit haben«, sagte Haßelmann. Sie glaubt nicht, dass der Tankrabatt dafür geeignet ist. Haßelmann wirbt stattdessen für einen Heizkostenzuschuss und ein direkt an die Bürger*innen ausgezahltes Energiegeld.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) kritisiert die beschlossenen Maßnahmen indes als zu gering. »Die vom Kabinett beschlossenen Entlastungsmaßnahmen sind richtig, aber nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein«, sagte DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell der »Neuen Osnabrücker Zeitung«. Der Gewerkschafter forderte unter anderem zeitlich befristete Mehrwertsteuerentlastungen bei Gas und Strom, höhere Heizkostenzuschüsse und ein Mobilitätsgeld, »das alle Beschäftigten unabhängig von Einkommen und genutztem Verkehrsmittel erhalten«.

Für ein solches Mobilitätsgeld spricht sich auch Linke-Vorsitzende Janine Wissler aus: »Um Menschen mit geringen und durchschnittlichen Einkommen, die auf das Auto angewiesen sind, kurzfristig zu entlasten, ist ein sozial gerechtes Mobilitätsgeld sinnvoll, von dem auch Pendler*innen ohne Auto profitieren.« Staatliche Tankrabatte hingegen würden Wissler zufolge die Profite der Anbieter nicht reduzieren, sondern überhöhte Preise öffentlich subventionieren. »Deshalb lehnen wir den von Finanzminister Lindner geforderten Tank-Prämien ab. Ein staatlich finanzierter Spritrabatt für alle geht sozial- und klimapolitisch in die völlig falsche Richtung«, so Wissler. Entlastung solle vom Einkommen abhängen, nicht von Größe und Spritverbrauch des Autos. Mit Agenturen

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